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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Czentovic lässt grüßen
- - By Arno Nickel Date 2014-11-19 01:41 Upvotes 1
Wem der Name spontan nichts sagt, der erinnert sich aber vielleicht an die Schachnovelle, und dann sollte der Groschen fallen... Die Schachwelt reagiert oft etwas beleidigt, wenn ihr Stefan Zweigs literarisches Geschöpf in Gestalt des Weltmeisters Czentovic vorgehalten wird. "Sooo... ist doch kein Schachweltmeister!" Ziemlich kulturlos und nur auf sich selbst bezogen. Und in der Tat habe ich im Schach über die Jahrzehnte sehr viele kulturell interessierte und gebildete Menschen kennengelernt. Aber es gibt sie eben doch hin und wieder, diese Czentovics, die es einfach nicht besser wissen. Carlsen ist beileibe kein Czentovic, aber - wenn er am Brett gegenüber Anand und der Schachwelt ein Verhalten an den Tag legt, bei dem er alles um sich zu vergessen scheint (siehe das verstörend wirkende Remisendspiel in der 7. Partie), dann fragt man sich schon: Was geht da eigentlich in seinem Kopf vor? Geht da überhaupt etwas vor? Ich glaube nichts Besonderes, keinerlei böse Absicht, der will einfach nur spielen. Man muss ihm zugute halten, dass er doch noch sehr jung ist.
Czentovic ist natürlich eine reine Karikatur, ebenso, was er ganz am Schluss über Dr. B sagt, der gegen ihn nahe am Nervenzusammenbruch die Partie abgebrochen hatte: »Schade«, sagte er großmütig. »Der Angriff war gar nicht so übel disponiert. Für einen Dilettanten ist dieser Herr eigentlich ungewöhnlich begabt.« (S.Z.)

So nett kann Ignoranz klingen, und man stößt auf sie allerorten, selten böse gemeint. Übrigens auch an anderer Stelle mitten auf der WM-Bühne:
Da hat der Schiedsrichter (Hauptschiedsrichter, pardon) nach einer beendeten Partie nichts Besseres zu tun, während Anand und Carlsen sich noch am Brett austauschen, als dazwischen zu platzen und die beiden Könige ergebnisgerecht auf dem Brett zu positionieren und die Formulare einzustreichen. Das ist sein wichtigster Auftrifft während der Partie, und niemals merkt er, wie peinlich ihm dieser gerät. Er könnte auch sagen: "Kinder, nun rasch nach Hause, genug gespielt, Eure Mutter wartet schon mit dem Abendessen!"
Parent - - By Peter Martan Date 2014-11-19 07:21 Edited 2014-11-19 07:50
Danke, Arno!

"Ich-Weiß", möchte ich antworten, aber "Ich-Schwarz" sagt, da bin ich immer noch lieber Czentovic als Dr. B.

Übrigens, der Ölmillionär McConnor, wäre der eine Möglichkeit zur Dreieinigkeit? Wohl auch nur für die wenigsten von uns, und dann bleiben noch ein paar andere arme Schweine übrig, die sich zu sehr mit dem Erzähler identifizieren, immerhin schreibt er ja auch in der Ich-Form, eine wirklich gesunde Distanz kriegt man so auch nicht zu den Dingen. Versucht man sich über sie zu erheben, (Ernst ist das Leben und heiter die Kunst) hat man nicht nur den Kopf in den Wolken, sondern verliert oft genug auch den Boden unter den Füßen. (Willst du bei mir in meinem Himmel mit mir leben, komm, wann du willst, doch achte auf den Weg, die Hölle liegt nicht gar so weit daneben.)

Ich hoffe, ich bin jetzt nicht schon wieder zu weit weg von deinem Thema, ich meinte nur, es sind uns rein menschlich nicht nur die "Wissenschaftler" und die "Sportler" sondern oft genug auch die "Künstler" hochgradig verdächtig, wenn nicht gar wesensfremd.
Und damit einem dass alles am A...ufmerksamkeitsfenster vorbei geht, braucht's halt auch ein Naturell, dass nicht immer allen "sozialen" Anforderungen gewachsen sein kann, einem dafür aber wahrscheinlich viele Zweifel, Grübeleien und unproduktive emotionale Sensationen erspart.
Parent - - By Arno Nickel Date 2014-11-20 14:04
Hallo Peter,
ich kann Dir leider nicht ganz folgen in Deinem assoziativen Spiel, aber nichtsdestotrotz... freut mich, wenn Du Gefallen an meinem Zugang zum Thema finden konntest.
Zweigs Stück ist doch nur eine kleine Novelle und als solche brillant - sicher kein Philosophiebuch, um die Welt zu erklären, eher ein Spiel, weshalb das Stück auch gern im Theater aufgeführt wird. Zuletzt sah ich es in Berlin-Friedenau im Kleinen Theater vor ca. 2-3 Jahren.
Mach's gut!
Arno
Parent - - By Peter Martan Date 2014-11-20 14:12
Hallo Arno!
Ich hab nur in direkter Anlehnung an die Novelle mein eigenes "Weiß- Ich" und "Schwarz- Ich" hervorgekehrt, die beiden solchen des armen Dr. B sind ja irgendwie das Thema dort vielleicht noch mehr als das von Czentovic selbst. Auch die anderen Gestalten, die des McConnor und die des Erzählers haben ebenso meine berühmt berüchtigte Ideenflucht weiter inspiriert, und deinen Vergleich fand ich einfach einen guten Anlass dazu.
Parent - - By Michael Scheidl Date 2014-11-22 06:01
Czentovic wird in Rezensionen gerne schlechtgeredet, weil es so einfach ist. Ein genialer Test von Stefan Zweig, um zu prüfen wie leicht man bereit ist, Vorurteile "aus vierter Hand" zu übernehmen. Weiters hat er ein scheinbares Gegensatzpaar Dr. B. - Czentovic dargestellt, für welches in Wahrheit die Übereinstimmungen wesentlich sind. 2002 hab ich mir erlaubt Eigensenf abzugeben:


http://members.aon.at/computerschach/schachnovelle.htm

Wahrscheinlich voller Fehler auf die ich dann wieder beharren muß...
Parent - - By Peter Martan Date 2014-11-22 09:34
Hallo Michael!

Danke für den Link zum Link auf deiner verlinkenswerten hp.

Und auf der site zur Novelle dann unten auch gleich noch die Links zu den Ausgaben, bei Amazon als Kindle- Edition übrigens gratis downloadbar.
Und nein, hier finde ich keine berharrenswerten Fehler.

Natürlich hast du recht, dass die Parallelen zwischen Czentovic und B ebenso beachtenswert sind wie die Unterschiede zwischen ihnen und jetzt muss ich die Novelle selbst auch endlich einmal wieder lesen, ist ewig her und wahrscheinlich hatte ich auch schon mehr den Film in Erinnerung, ich kann's gar nicht mehr sagen, vor Allem auch nicht, was ich selbst gelesen hatte und was aus "vierter Hand" war.
Nur eins noch, dein:
"Der Leser unterliegt also hier dem Risiko, die vorgefaßte Meinung des Ich-Erzählers zu übernehmen, und in diese Falle tappen viele hinein.", ist hintergründig für mich: meinst du wirklich Zweig hätte das absichtlich so geplant, dass wir da in eine Falle gelockt werden sollen?
Dann wäre es ja geradezu notwendig, das als Leser wahrzunehmen, es sei denn, Zweigs Plan sei noch raffinierter: diejenigen Leser, die das nicht merkten, würden dann ja geradezu manipuliert.
Oder man könnte es sogar im Sinn einer Brecht'schen Verfremdung verstehen.

Übrigens ist aus meinem langen posting als Antwort auf Arnos erstes eine Paralelle zu deiner Sicht vielleicht ohnehin das daraus:
"und dann bleiben noch ein paar andere arme Schweine übrig, die sich zu sehr mit dem Erzähler identifizieren, immerhin schreibt er ja auch in der Ich-Form, eine wirklich gesunde Distanz kriegt man so auch nicht zu den Dingen."

Bevor ich mich da jetzt wieder weiter hineinsteigere, lese ich erst mal wie gesagt die Novelle noch einmal, und dann distanziere ich mich hoffentlich erst recht wieder gesunder Weise ein bisschen davon, weil man sich mit Dichtern und Denkern (Schachspielern) so wie mit Tänzern und Geigern, Träumern, Matrosen und Gefängniswächtern (Ambros- Übersetzung von Waits' Tom Traubert
https://www.youtube.com/watch?v=ZNUBhKHvYSk
http://www.wolfgangambros.at/content.php?page=disko&which=21&action=liedtext&m=1&t=12
an und für sich nur so weit identifzieren sollte, dass man nicht Gefahr läuft, das eigene Selbst dabei zu sehr zu vergessen. Da ist ein "Ich-Weiß" und ein "Ich-Schwarz" sogar eine ganz praktikable Vereinfachung dagegen vielleicht, mit sich selbst wieder dreieinig zu werden.
Parent - - By Michael Scheidl Date 2014-11-22 09:59
Zitat:
"Der Leser unterliegt also hier dem Risiko, die vorgefaßte Meinung des Ich-Erzählers zu übernehmen, und in diese Falle tappen viele hinein.", ist hintergründig für mich: meinst du wirklich Zweig hätte das absichtlich so geplant, dass wir da in eine Falle gelockt werden sollen?

Zweig begründet eine eventuell negative Charakterisierung von C. einzig auf Bemerkungen einer Nebenperson, die zu Beginn quasi ein "Presse-Echo" abliefert. Wenn ich jetzt nicht sehr irre, wird das vom Erzähler berichtet aber nicht bewertet.

Naja, shit drauf, lassen wir es gut sein. Literatur ist hier nicht das Thema sondern Computerschach.
Parent - By Peter Martan Date 2014-11-22 10:24
Michael Scheidl schrieb:

Naja, shit drauf, lassen wir es gut sein. Literatur ist hier nicht das Thema sondern Computerschach.


Genau das meinte ich mit gesunder Distanz, du hast es wieder mal in deiner sprichwörtlichen Art auf den Punkt gebracht, neigte man zu solchen Kalauern, könnte man mal wieder von einem Scheidlpunkt sprechen.
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2014-11-19 13:10
Lieber Arno,

Arno Nickel schrieb:

... Carlsen ist beileibe kein Czentovic, aber - wenn er am Brett gegenüber Anand und der
Schachwelt ein Verhalten an den Tag legt, bei dem er alles um sich zu vergessen scheint
(siehe das verstörend wirkende Remisendspiel in der 7. Partie), dann fragt man sich schon:
Was geht da eigentlich in seinem Kopf vor?...


auch wenn es sowohl formal korrekt war, das Endspiel weiterzuknüppeln,
und auch wenn es hin und wieder zum Erfolg führt, ist es für die Aussenwirkung
des "professionellen Menschen-Schachs" problematisch.
Man stelle sich nur die mediale Katastrophe vor, wenn TS-T-Carlsen in einer weiteren
Partie dieses Wettkampfs wieder solch ein Endspiel erreichen sollte und dann wieder
viele Züge lang kneten würde.

Ich sehe Carlsens Schachstärke. Wie aber schon vor Jahren geschrieben,
begeistert mich sein Capablance-artiger Schachstil nicht.

Ingo.
Parent - - By Arno Nickel Date 2014-11-19 23:48
Lieber Ingo,
Carlsens "capablanca-artiger Schachstil", wie Du schreibst, kann schon Faszination hervorrufen, aber nur, wenn der Gegner auf Augenhöhe mitspielt, wie es ja gottseidank beim jetzigen WM-Kampf eher der Fall zu sein scheint als beim vorigen, bis auf beiderseitige seltene Aussetzer, die wohl unvermeidlich sind in einem so langen Wettkampf.
Wenn allerdings Anand wie in seiner ersten Verlustpartie unter Form spielt, dann bekommen solche Partien einen schalen Beigeschmack. Man wünscht sich immer ein gleichwertigen, spannenden Kampf, egal welchen Stil die Großmeister pflegen, und dann ist es am Ende auch nicht am wichtigsten, wer gewinnt. Es haben schließlich alle gewonnen, das ist das Schöne am Schach.
Arno
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2014-11-22 09:04
Lieber Arno,

Arno Nickel schrieb:

Carlsens "capablanca-artiger Schachstil", wie Du schreibst, kann schon Faszination
hervorrufen, aber nur, wenn der Gegner auf Augenhöhe mitspielt, ...


das mag sein. Ich kenne nur ein schlimmes Beispiel, wo es anders war:
Der WM-Kampf 1927 zwischen Capablanca und Aljechin.
Aljechin passte sich damals dem trockenen Capablanca-Stil an.
Die trockenen Partien nachzuspielen war für mich ein Graus.
(Ich hatte 1976/77 als Schüler einen beträchtlichen Teil meines
Taschengeldes investiert, um das Match-Buch zu kaufen. Die
Enttäuschung war gross.)

Viele Grüsse, Ingo.
Parent - By Peter Martan Date 2014-11-22 10:20
Hallo Herr Professor!

Zu Capablanca- Aljechin ist viel geschrieben worden, gerade auch über das Schachliche hinaus.
Über ein Buch "Die letzte Partie" von Fabio Stassi habe ich schon mal hier im Forum was gepostet, ich glaube mich nur zu erinnern, dass es Kurt Utzinger nicht gefallen hat, das Buch selbst nämlich, mein posting wahrscheinlich auch nicht, Kurt ist selten mit meinem Stil einverstanden.

Ohne auf die Welt der Fiktion, die sich an diesen beiden Weltmeistern offenbar auch gut errichten lässt, näher einzugehen (ich weiß auch aus der Distanz der Jahre gar nicht mehr, ob ich das Buch wirklich sonderlich empfehlen kann, damals hat's mich beschäftigt, wahrscheinlich aber auch mehr die Geschichte selbst, die Umstände von Aljechins Tod waren ja offenbar wirklich mysteriös):
Das Schach von Capa und das von Aljechin zu beurteilen gelingt eigentlich aus heutiger Sicht vielleicht auch nicht viel besser als in der Vorcomputerära, weil was einander die beiden am Brett geliefert haben und was sie einander vorenthielten (gerade von Aljechin heißt es ja, er habe Capablanca die Chance zum Retourkampf lange mit ausgesprochen politischen um nicht zu sagen unfairen Mitteln verweigert), kann man mit engine- Unterstützung immer noch sehr schwer nachvollziehen.
Gerade was Sie vielleicht mit "trocken" meinen, ist schwer in engine- Evals zu messen, wird aber heutzutage wohl auch immer "trockener".
Auseinandersetzungen zwischen ähnlich und sehr starken Gegnern sind trocken, fürchte ich, von der Natur des Spiels her, je mehr Gedächtnisleistung bekannter Theorie gefragt ist, umso mehr.
Parent - - By Timo Schneider Date 2014-11-19 17:02
Ich finde nicht, dass Carlsen und Czentovic sich wesentlich ähneln. Schließlich wird Czentovic als jemand porträtiert, der eher aus profanen Gründen Schach spielt (immer um Geld), ohne echte Leidenschaft für das Spiel selbst.

Dagegen scheint mir Carlsen durchaus Schach-versessen zu sein, da sein Verhalten eine relativ starke emotionale Verflechtung mit dem laufenden Spiel nahelegt. Man betrachte ihn nur, wenn er so richtig unzufrieden mit seiner erreichten Stellung ist - 'Pokerface' sieht anders aus.

Das zähe Auskämpfen des an sich remisigen K+T+S - K+T Endspiels sehe ich als völlig natürlich in solch einem Wettkampf um den Titel des weltbesten(!) Spielers an.

Denn ganz an der Weltspitze (und auch schon in Annäherung daran) spielt Dominanzpsychologie eine immer stärkere Rolle, selbst im Schach.

Es geht vor allem darum, den Gegner zu beeindrucken, ihn mit unerwartet starken Aktionen zu überraschen, während man auf seine Aktionen so reagiert als hätte man sie längst antizipiert. Letztlich geht es darum, den Gegner seine Überlegenheit so deutlich wie möglich spüren zu lassen. 

Sofern man bei obigen Zielen erfolgreich ist, generiert man eine Menge Respekt beim Gegner, der in Zukunft sogar zu unbewussten Hemmungen des Gegners führen kann (man arbeitet quasi daran, ein Angstgegner zu werden).

Das alles ist simpelste Spitzensport-Psychologie, und wird seit R. J. Fischer auch von Schachweltmeistern celebriert (wobei eine gewisse besessene Zielstrebigkeit nach dem WM-Titel auch nicht schaden kann), fortgesetzt in der Linie der nicht ganz unambitionierten Nachfolger A. Karpow und G. Kasparow. 

Ich vermute, dass dieses konzentrierte Besinnen auf die eigene Stärke sogar die wichtigste Lehre war, die Kasparow ihm mitgeben konnte:
"Junge, Du bist deutlich stärker als alle anderen, also zeige es. Hör' auf mit den vorzeitigen Remisen, und stelle Deine Gegner von der ersten bis zur letzten Sekunde auf den Prüfstand, um zu sehen, wieviel Druck sie denn wirklich aushalten können."

Carlsen scheint genau nach dieser Devise zu handeln. Und er benutzt keine unfairen Psycho-Mätzchen, sondern allein seine Schach-Stärke.

Da gibt es ganz andere Kaliber in den "echten" Sportarten (siehe "trash talk"). Beispielsweise beim legendären "rumble in the jungle" mitten im Kampf:  “Is that all you’ve got, George? My grandmother hits harder than that!” - hab es als Eckpfosten ganz deutlich gehört.

timosh
Parent - By Peter Martan Date 2014-11-19 22:40 Edited 2014-11-19 23:09
Timo Schneider schrieb:

Es geht vor allem darum, den Gegner zu beeindrucken, ihn mit unerwartet starken Aktionen zu überraschen, während man auf seine Aktionen so reagiert als hätte man sie längst antizipiert. Letztlich geht es darum, den Gegner seine Überlegenheit so deutlich wie möglich spüren zu lassen. 


Genau, und dazu ist S+T -T ideal, du kannst auf der Habenseite nicht Verlieren, jeder Zug ist genau gleich gut wie jeder andere, es gibt keine Zeitnot und kein Risiko, und wenn es so völlig klar wäre, dass das ohnehin jeder Meister gegen jede Maschine mit tbs verliert, müssten sie einander nicht im Nachhinein alle so einhellig trösten, wenn es wieder mal einen besonders Namhaften unter ihnen erwischt.

Hingegen ist es im Gegenteil hier so, dass es dem Meister egal sein müsste, ob auf der Springerseite ein Mensch oder eine Maschine sitzt, Letzteres müsste ihm sogar lieber sein, weil sie keine Fallen stellt, es sollte jedenfalls Remis enden, können wir uns darüber bei allem gebotenen Respekt den Meistern gegenüber wenigstens mal einigen?

Oder würdest du es schick finden, wenn dir ein Gegner im Fernschach in diesem Endspiel das Remis noch 50 Züge aufschiebt, weil er meint, wer weiß, vielleicht geht im entscheidenden Moment dein Rechner ein, du hast plötzlich keinen Internetzugang mehr und keine Datenbanken oder gehörst (heimlich ) zu denen, die Fernschach auch nur ohne Computer spielen, und machst in Zeitnot vielleicht doch noch einen Fehler?


Mir fällt endlich eine kurze Zusammenfassung ein, warum ich das Ausspielen dieses 5Steiners auf hohem Niveau für irgendwie niveaulos halte: es mag ja sein, es ist eine Leistung, unter Zeitdruck gegen einen starken Gegner das Remis zu halten, dieses Endspiel zu gewinnen, halte ich nicht  für eine besondere Leistung, nicht einmal gegen einen Weltmeister, ich halte es schlicht und einfach für Glück, und ich sehe Schach nicht gern als Glücksspiel, so sehr es das natürlich genau genommen schon auch irgendwie ist.
Parent - - By Arno Nickel Date 2014-11-19 23:22 Upvotes 1
Ich glaube nicht, dass Deine Beschreibung und die Betonung der "Dominanzpsychologie" der Geschichte der Schachweltmeisterschaften gerecht wird. Es gab und gibt unter Schachmeistern einen unausgesprochenen Kodex, was Qualität im Schach ist, was den Namen Schachkunst verdient und was nicht. Es mag sein, dass sich dies in den letzten Jahrzehnten - seit dem Aufkommen des Fischer-Mythos und seit der zunehmenden Versportlichung des Schachs - verändert hat und noch weiter verändern wird. Schach ist natürlich nicht dagegen gefeit, aus kommerziellen Gründen banalisiert zu werden. "Dominanz" zeige ich, wenn ich dem Gegner echte Probleme stelle, ihn sozusagen auf dem falschen Fuß erwische, aber nicht indem ich stur eine Remisstellung weiterspiele. Dafür müsste es schon nachvollziehbare Gründe geben, wie früher zum Beispiel der "Kalte Krieg", als ein Dissident wie Kortschnoi das moralische Recht hatte, einen Parteigänger wie Karpow am Brett bis zum 124. Zug zu demütigen (er hat dabei allerdings noch raffinierte Fallen stellen können). 
Beim Endspiel der 7. Partie Carlsen-Anand konnte ich nicht erkennen, womit Carlsen "Dominanz" gezeigt hätte. Anand hat souverän - im Blitztempo! - gegengehalten und Carlsen allenfalls seinen Ruf beschädigt.
Parent - By Dithyrambus Date 2014-11-20 01:04
Hallo Arno,

danke für diesen beitrag.
So dezidiert hätte ich als absoluter freizeitspieler es nicht beschreiben und kommentieren können.

Viele grüße
Horst Wandersleben
Parent - - By Benno Hartwig Date 2014-11-20 13:32

> Anand hat souverän - im Blitztempo! - gegengehalten


Für mich als Schach-Stümper war ziemlich unklar:
Ist diese Souveränität von einem Spitzenmann zu erwarten (dann kann man auch darauf verzichten, ihn dies beweisen zu lassen),
oder ist das doch auch bei Spitzenleuten nicht so sicher (sodass man schon mal prüfen möchte)?

Dass es remis ist, kann ja nicht das Kriterium sein.
Ob das Erreichen dieses Remis für den Gegner vermutlich 'schwierig', 'unsicher' ist, muss sich hier Carlsen fragen.

Ist es ausreichend schwierig, für einen Super-GM?
Manchen Kommentar verstand ich in dieser Richtung

Benno
Parent - By Arno Nickel Date 2014-11-20 13:57
Zitat:
Ob das Erreichen dieses Remis für den Gegner vermutlich 'schwierig', 'unsicher' ist, muss sich hier Carlsen fragen.


Gut formuliert. Und hier würde ich klar sagen: nein! Weder war Anand in Zeitnot, noch hatte er eine ungünstige Stellung mit zum Beispiel einem abgeklemmten König am Rand. Er hatte sogar zwei Bauern, als Carlsen schon keinen mehr hatte, und Anand zeigte dann, dass er diese Bauern gar nicht benötigt, um remis zu halten. Unter solchen Umständen sollte normalerweise jeder gute Vereinsspieler in der Lage sein, die Partie remis zu halten, auch gegen Carlsen.

Ganz anders läge der Fall, wenn wir die von mir - basierend auf Lasker/Réti - vorgeschlagene Pattsieg-Wertung hätten, denn dann könnte sich ein nicht zum Gewinn reichender Materialvorteil immer noch in einer zwangsläufigen Pattwendung auszuzahlen.
Parent - - By Timo Schneider Date 2014-11-20 15:06
1) "…., aber nicht indem ich stur eine Remisstellung weiterspiele". 

T gegen T+S ist keineswegs leicht remis zu halten. Judith Polgar hat solch ein Endspiel 1996 (damals mit 2675 in den Top-10) gegen Kasparow verloren - ohne Zeitnot. Auch meine Erfahrungen gegen Wertungsschwächere zeigen, dass die stärkere Partie in der praktische Partie durchaus gewisse Gewinnchancen hat.

In einem anderen Thread wurde eine "einfache" Remis-Strategie demonstriert, die gegen Computer zu guten Ergebnissen geführt hat. Ich vermute, dass den Engines spezifisches Wissen zur Maximierung der Gewinnchancen in EGTB-Remisstellungen fehlt. Starke menschliche Gegner haben dagegen einen guten Riecher für "Verlockungen".

Im Fernschach würde ich dagegen das Remis im Endspiel T gegen T+S  sofort akzeptieren, da heutzutage praktisch alle Spieler mindestens Zugriff auf die  5-Steiner haben.

2) "Beim Endspiel der 7. Partie Carlsen-Anand konnte ich nicht erkennen, womit Carlsen "Dominanz" gezeigt hätte."

Zum Beispiel indem er demonstriert hat, dass er immerhin eine ganze Mehrfigur aus der Partie herauspressen konnte.

Kasparow selbst hat in seinen zahlreichen und ausführlichen Kommentaren zu seinem Weg in Richtung WM-Titel und den WM-Kämpfen immer deutlich gemacht, wie wichtig es auf Weltspitzen-Niveau ist, jede Gelegenheit zu nutzen, den Gegner zu kontrollieren. Nur wer selbst jemals auf diesem Level mitgemischt hat, kann wohl die Qualität seiner Ausführungen vollständig ermessen.

Man beachte zu diesem Thema auch Carlsen's Selbstverständnis, speziell den Satzabschluss:
http://www.salon.com/2013/08/02/magnus_carlsen_i_have_the_chance_to_dominate_like_bobby_fischer_partner/
"...Carlsen said: “You need to have that edge, you need to have that confidence, you need to have that absolute belief that you’re the best and that you’ll win every time. ...."

Wer von diesem Glauben abgefallen ist, der kann das Dominanzprinzip auch nicht anwenden.

3) ", was den Namen Schachkunst verdient und was nicht ……. und seit der zunehmenden Versportlichung des Schachs".

Schach ist ursprünglich als Kriegssimulation erdacht. Heutzutage ist es eben ein analytischer Wettkampfsport, mit allen dazugehörigen Konsequenzen. Wer auch immer hier an die Spitze kommen und dort bleiben will, sollte die starke Korrelation zwischen sehr ausgeprägter(!) Kämpfernatur (a.k.a. sportliche Einstellung) und Regierungszeit nicht ignorieren, wie von Lasker, Aljechin, Botwinnik, Karpow, und Kasparow erfolgreich demonstriert. Das zig-malige Aufeinandertreffen gleich zweier solcher absolut siegeshungriger Zwölfender in den K+K-Wettkämpfen war ein wahrer Höhepunkt der Schachgeschichte.

timosh
Parent - - By Arno Nickel Date 2014-11-21 12:48
1)
Zitat:
Judith Polgar hat solch ein Endspiel 1996 (damals mit 2675 in den Top-10) gegen Kasparow verloren - ohne Zeitnot.

Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass die Sache bei einem "abgeklemmten" König etwas anders aussieht, und das war eben der Fall in der von Dir als Beispiel genannten Partie. Dies wurde entsprechend auch vom Kommentator auf der ChessBase-Endspiel-CD hervorgehoben: "... was Schwarz hier zurecht ermutigen darf, ist die Randstellung des weißen Königs."

2)
Carlsens Mehrfigur in einem Remisendspiel als Beispiel für Dominanz anzuführen (wo der Gegner sogar noch zwei überzählige Bauern hat), halte ich für einen Witz.
Die Carlsen-Zitate sind doch allgemeine Phrasen für die Presse. Natürlich muss jeder an sich glauben, wenn er etwas werden will. Und dass man alles dafür geben muss. ist auch klar.

3)
Ganz allgemein stimme ich Dir zu, aber man sollte einen Punkt nicht unterschlagen. Es gehört auch ein gewisser Geschäftssinn und eine gewisse Skrupellosigkeit dazu, sich längere Zeit an der Spitze zu halten. Das trifft auf alle von Dir erwähnten Weltmeister zu. Das waren nicht alle tadellose Musterknaben. Und bei den letztgenannten hat die FIDE (Campomanes) das Geschäftsmodell ewiger K&K-Revanche-WM's erfolgreich vermarktet.
Was ist übrigens mit all den anderen Weltmeistern? Prägen die nicht auch das Gesamtbild?

Schönes Wochenende und viel Spaß beim WM-Schauen!
Arno
Parent - By Ludwig Buergin Date 2014-11-21 16:04
Dominieren ist nicht gleichzusetzten mit Dominanz
  Im 7. Spiel hatten beide Spieler sicherlich gewusst, dass das Spiel remis ist.Trotzdem konnte Weiss das Spiel noch lange fortsetzten  und Schwarz musste folgen.
  Bei Spiel 9 wurden ,wenn ich recht gesehen habe,die ersten 11 Züge recht flott runtergespielt.  Mit den Zügen  12, 13 und 14 hat Weiss einiges versucht,wurde aber von Schwarz gut gekontert.Ab  den folgenden Zügen gab sich Weiss mit einem Remis zufrieden ,was von Schwarz angenommen wurde.

Gruß Ludwig
Parent - - By Tom Date 2014-11-21 18:28
Sehr viele 2700er Spieler haben dieses Endspiel schon ausgekämpft u.a. Kramnik, Aronian, Karjakin und nicht nur aus schlechter Ausgangslage und ist wohl heutzutage üblich. Zu Behaupten es gehöre sich nicht dies weiterzuspielen und wäre ein Zeichen von Skrupellosigkeit ist falsch. Den Spielern das moralische Recht nehmen zu wollen ist unfair, zumal es ab und zu gewonnen wird. 2013 zum Beispiel hat Aronian es gegen Caruana versucht zu gewinnen:

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board
Parent - - By Tom Date 2014-11-21 18:59
Sorry falsche Partie gepostet, ich hatte ebenfalls andere Materialkonstellationen angeschaut, Springer+Läufer vs König lassen sich im Übrigen auch einige gute Spieler noch zeigen und sei es nur für die Zuschauer. Ich meinte die Partie Karjakin-Caruana.:

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board
Parent - - By Arno Nickel Date 2014-11-21 19:31
Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen: Das Wort "skupellos" fiel in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich wie einige Weltmeister ihren Titel sozusagen geschäftlich verteidigt haben. Lasker wich einem Wettkampf mit Rubinstein aus, als dieser ihm hätte gefährlich werden können. Aljechin wich einem Rematch mit Capablanca aus und zog es vor, zweimal gegen den nicht mehr gefährlichen Bogoljubow zu spielen. Botwinnik führte das Revancherecht bei der FIDE ein, dass es ihm zweimal ermöglichte den Titel zurückzugewinnen, während er sich bei Turnieren rar machte.
Abgesehen davon habe zumindest ich nicht über "Moral" und "moralische Rechte" diskutiert, sondern - wie Ingo Althöfer es formulierte - über die Außenwirkung des Schachs. Und zischen einem WM-Match und einer x-beliebigen Turnierpartie würde ich auch nochmal einen kleinen Unterschied machen.
Parent - - By Tom Date 2014-11-24 00:20
Ich finde, dass das Ausspielen einer solchen Stellung für die Außenwirkung des Schachs nicht schlecht ist, im Gegensatz zu GM-Remisen nach 15 Zügen in ausgeglichenen Stellungen.

Im Wesentlichen gibt es 3 Gruppen von Zuschauern.
a) viele Nicht-Vereinsspieler, die sich für die WM interessieren werden es wohl ganz normal finden, dass weitergespielt wird. Viele aus meinem Bekanntenkreis würden sich auch wundern, wenn Randbauer + falscher Läufer mehr nicht ausgespielt würde. Diese werden sicher begrüßen, dass es weitergespielt wird und sich dann nicht mit dem Kommentar abgeben müssen. T+S vs T ist Remis, sondern auch sehen können, dass es keine Fortschritte gibt.
b) dann gibt es die "halbinformierten Vereinsspieler", die wissen, dass das Endspiel Remis ist und denken, dass man sowas nicht ausspielen sollte, denn nur auf einen groben Bock zu setzen ist kein gutes Schach. Hier müssen die Kommentatoren des WM-Matches gute Arbeit leisten, um diesen Leuten klar zu machen, dass es nicht verwerflich ist weiterzuspielen, auch wenn es fast immer zum Remis führt. Beispielsweise hat wohl Susan Polgar erklärt, dass auch Anand dieses Endspiel nicht sofort Remis gegeben hätte.
c) gute oder auch weniger gute Vereinsspieler, die wissen, dass das Ausspielen der Stellung auch unter GMs üblich ist. 
Daneben gibt es noch Sponsoren, die sicher auch nicht unglücklich darüber sind, wenn ihre Werbung noch etwas länger zu sehen ist

LG
Tom
Parent - - By Arno Nickel Date 2014-11-25 02:38
Zitat:
Hier müssen die Kommentatoren des WM-Matches gute Arbeit leisten, um diesen Leuten klar zu machen, dass es nicht verwerflich ist weiterzuspielen, auch wenn es fast immer zum Remis führt.

Willkommen in der Erziehungsanstalt

Um dem Ganzen etwas Positives abzugewinnen: Vielleicht macht sich ja mal jemand die Mühe, eine zufällige Stichprobenauswahl aus einer Datenbank durchzusehen, um Deine allgemeine These zu prüfen (die von einigen anderen geteilt wird), dass Großmeister üblicherweise Remisstellungen ausspielen, und zwar - wenn ich Dich richtig verstehe -, bis nichts mehr geht, wobei das auch noch interpretationsbedürftig ist; man könnte auch sagen, bis beide Seiten letzte Gewinnhoffnungen aufgegeben haben.
Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, wenn man sie mit Sachverstand angeht.

Ich könnte mir zwei Verfahren vorstellen:

I.
- 100 Remispartien (Minimum)
- Elo-Bereich 2500 und mehr
- Zeitraum 2013-2014
- Partielänge mindestens 40 Züge
- Prüfen, wo, wie oft und über wieviele Züge ein allgemein bekanntes Remisendspiel (Kriterium: lehrbuchmäßig erfasst) vorkam.
Wenn zu wenige solche Endspiele vorkommen (also z.B. weniger als 10), einfach die Datenbankauswahl erhöhen. Vielleicht braucht man deutlich mehr Partien. Und es ist natürlich nicht so einfach zu erkennen bzw. zu entscheiden, welche bekannten Remis-Endspiele gelten sollen. Am häufigsten dürften Turmendspiele mit einem Mehrbauern sein, der sich nicht verwerten lässt (z.B. Philidorstellung). (Reine Bauernendspiele kann man evtl. vernachlässigen, obwohl nach Deiner Aussage ja vermutlich auch manche Nicht-Vereinsspieler gern sehen würden, warum sich ein Mehrbauer oft nicht verwerten lässt. Man kann ihnen wohl nicht zumuten, dass sie schon einmal etwas von der Opposition gehört haben. Das müssen die Weltmeister dann eventuell wenigstens einmal vorführen. )

II.
- Beschränkung auf das Endspiel T+S gegen T
- Elo-Bereich 2500 und mehr
- Zeitraum ab 2014 und früher
- Partienanzahl Minimum 100 (ergebnisoffen)
- Prüfen, wo, wie oft und über wieviele Züge sowie mit welchem Resultat dieses Endspiel gespielt wurde.

Viele Grüße,
Arno
Parent - - By Tom Date 2014-11-25 14:59
Zitat:
Willkommen in der Erziehungsanstalt

Es soll nicht erzogen werden, sondern nur erklärt werden, warum noch weitergespielt wird oder eben Remis gemacht wird (beispielsweise bei Randbauer und falscher Läufer) Ich denke, dass das die Aufgabe von Kommentatoren ist einem das Spiel zu erklären, ob dies dann zu einer Verhaltensänderung führt steht auf einem anderen Blatt Papier. Ich denke Schach dient nicht nur der Unterhaltung sondern bildet auch, wobei jeder kann sich natürlich aussuchen, warum er sich Schachveranstaltungen anschaut.

Zitat:
dass Großmeister üblicherweise Remisstellungen ausspielen, und zwar - wenn ich Dich richtig verstehe -, bis nichts mehr geht

nein, aber beim Endspiel T+S vs T machen sie es normalerweise.  Mal eine Analogie zum Fußball, wenn es 3:0 in der 80.Minute  für Bayern München gegen Greuther Fürth im Pokal steht werden auch noch die letzten Minuten gespielt. Niemand würde sich darüber aufregen, dass unnötigerweise noch weitergespielt wird obwohl das Ergebnis klar ist.

So hier dann auch mal eine kleine Analyse:
Die Rahmenbedingungen
1) T+S vs S
2) beide Spieler mindestens 2500 Elo
3) besonders schwierige Randstellungen oder Gewinnstellungen nach Erreichen des "reinen" T+S vs. S Endspiels wurden nicht bedacht, genauso Partien wo direkt der Springer geschlagen werden kann
4) keine Blitzpartien und keine Fernpartien
5) die 100 aktuellsten Partien in meiner Datenbank, die diese Kriterien erfüllen habe ich genommen älteste Partie ist aus dem Jahre 2008
6) Aufteilung der Ergebnisse nach "Remis mit mehr als 10 Zügen" nach Erreichen des elementaren Endspiels(meist waren es aber deutlich mehr), weniger als 10 Züge nach Remisvereinbarung

Ergebnis: 93 Partien endeten Remis davon 81 nach mehr als 10 Zügen nach Erreichen des Endspiels, in 12 Partien wurde schnell Remis gemacht, in 7 Partien gab es einen Sieger
Parent - - By Arno Nickel Date 2014-11-25 20:22
Tolle Sache, dass Du die Zeit geopfert hast, um eine Analyse anhand einer Datenbankauswahl vorzunehmen.
Den Zeitfaktor als weitere Rahmenbedingung zu berücksichtigen, ist in der Tat notwendig. Ich dachte natürlich nur an Turnierpartien mit klassischer Bedenkzeit. Falls in Deiner Auswahl, wie ich vermute, auch Schnellpartien enthalten sind, müsste man die auch herausfiltern, denn der Übergang zum Blitz ist ja fließend.
Ein weiteres Problem ist, dass wir selbst bei Turnierpartien nicht wissen, ob Zeitnot eine Rolle gespielt haben könnte, doch sind die Zahlen natürlich auch trotz solcher Einschränkungen interessant. Kannst Du mir Deine 100 Partien mal mailen oder sie allgemein zum Download zur Verfügung stellen?
Meine Mail-Adresse: edition-marco@t-online.de
Ich komme auf jeden Fall nochmal darauf zurück...

Apropos "Erziehungsanstalt" - diesen Eindruck erweckte Deine Wortwahl, wenn Du schreibst "...diesen Leuten klar zu machen, dass es nicht verwerflich ist, weiterzuspielen". Zu "diesen Leuten", die Du als "halbinformierte Vereinsspieler" klassifizierst, zählen Leute, die sich durchaus ganz gut auskennen, aber einfach eine andere Sichtweise haben. Solche Leute, die wohlbegründete andere Ansichten haben trotz gleicher Informationsgrundlage kommen anscheinend in Deinem Weltbild nicht vor. Jedenfalls liest es sich für mich so...

Dein Fußballvergleich hinkt leider vorne und hinten. Anders als in einer Schachpartie ist die Situation auf dem Fußballfeld immer wieder neu. Die Chance, ein Tor zu erzielen, ist in der 80. Minute theoretisch genauso gegeben wie in der 3. Minute, unabhängig vom Zwischenstand. Und es gibt sie natürlich immer wieder... die dramatischen Fuball-"Endspiele", in denen in den letzten Minuten Wunder geschehen. Schließlich das Reglement... In vielen Spielen zählt das Torverhältnis fürs Tiebreak. Und für den Verlierer ist es psychologisch enorm wichtig, Ehrentreffer zu erzielen trotz verlorenem Spiel. Also alles starke Argumente fürs Zuende-Spielen, die es so beim Schach nicht gibt.
Parent - By Tom Date 2014-11-25 23:34 Upvotes 1
Ich habe Rapidpartien drin gelassen, da ich nur Partien neueren Datums betrachtet habe und heutzutage es üblich ist mit Fischerzeit zu spielen, wo Zeitgutschriften von 10 Sekunden die Regel sind. Bei den Gewinnpartien ist allerdings nur eine Rapidpartie drin, dafür ist der Verteidiger kein geringerer als Ivanchuk. Und Spieler seines Kalibers sind verdammt gut, Leko hat beispielsweise das Endspiel 2012 in Dortmund gegen Kramnik souverän verteidigt mit 30 Sekunden pro Zug Inkrement aus schwierigster Stellung(hat einzige Züge finden müssen, daher auch nicht bei meinen Partien dabei). 10 Sekunden pro Zug für ein einfaches Remis sollten einem GM genügen, was in der Praxis in der Regel auch so ist. Offensichtlich ist auch, dass Stellungen, die noch gewonnen werden normalerweise keine Wunschstellungen für den Verteidiger sind. Ich habe schwierige Randstellung recht weich formuliert: "2 Züge lang nicht nur einen Remiszug zu haben". Was die Statistik noch recht unsauber macht sind Remispartien, in denen Remis vereinbart wurde bevor das Endspiel Turm Springer vs Turm in Reinform auf dem Brett stand. Ich habe nach der Materialverteilung gefiltert, Remisvereinbarungen vorher sind also nicht erfasst und GMs sehen das Endspiel ja frühzeitig kommen. Untenstehend eine der Gewinnpartien, die komplette Datenbank mit den 100 Partien zu mailen ist etwas schwierig, da ich zum einen meine Datenbank aktualisiert habe und somit eventuell noch andere Partien mit der gleichen Filterung auftauchen würden zum anderen einige Partien kommentiert sind, deren Rechte ich exclusiv besitze und somit vorher löschen müsste. Zudem wirklich interessant sind wohl nur die Gewinnpartien, da es Remispartien massenhaft gibt.
Falls ich nochmal eine genauere Analyse machen sollte werde ich dir die Ergebnisse und Partien zukommen lassen, wobei mich mehr Turm-Läufer gegen Turm interessiert, wie man am besten Gewinnchancen bekommen kann, wenn der Gegner die 2.Reihe-Verteidigung bzw. die Cochraneverteidigung(welche übrigens auch bei T+S vs T funktioniert) zumindest in Ansätzen kennt.

Zitat:
Apropos "Erziehungsanstalt" - diesen Eindruck erweckte Deine Wortwahl, wenn Du schreibst "...diesen Leuten klar zu machen, dass es nicht verwerflich ist, weiterzuspielen". Zu "diesen Leuten", die Du als "halbinformierte Vereinsspieler" klassifizierst, zählen Leute, die sich durchaus ganz gut auskennen, aber einfach eine andere Sichtweise haben. Solche Leute, die wohlbegründete andere Ansichten haben trotz gleicher Informationsgrundlage kommen anscheinend in Deinem Weltbild nicht vor. Jedenfalls liest es sich für mich so...

Ich akzeptiere, wenn jemand der Meinung ist, dass es unnötig ist dieses Endspiel auszuspielen, nur dem Spieler einen Vorwurf zu machen im Sinne, "wie stellst du die Schachwelt dar" finde ich unfair den Spielern gegenüber, die so eine Stellung bis zum bitteren Ende spielen und glaube auch, dass bei Kenntnis, dass das Endspiel selten gewonnen wird aber überwiegend ausgespielt wird zumindest ein Vorwurf an den Spieler deutlich unwahrscheinlicher (dabei rede ich allgemein nicht konkret, dass hier Person X jemand Carlsen oder anderen GMs so etwas unterstellt hat). Im Prinzip wollte ich sagen, woher weiß man was gut für die Außendarstellung des Schachs ist und da ist der Faktor des Schachwissens schon ein entscheidender wie mir scheint. Wie oft wird das Endspiel wohl im Fernschach ausgespielt, wo jeder der möchte das perfekte Wissen über dieses Endspiel abrufen kann, ich vermute, dass dies so gut wie nie der Fall ist und ein Weiterspielen der Stellung auch nicht gut beim verteidigenden Gegner ankommt. Und wer weiß, dass die Tablebases existieren und nutzbar sind wird sich auch leicht eine andere Meinung haben wenn dieses Endspiel im Fernschach ausgespielt wird als jemand der zwar ein passabler Schachspieler ist aber nicht weiß, dass alle 6 Steiner frei abrufbar sind.

Zitat:
Die Chance, ein Tor zu erzielen, ist in der 80. Minute theoretisch genauso gegeben wie in der 3. Minute, unabhängig vom Zwischenstand.

Ich finde Turm+Springer vs Turm zu gewinnen ist nicht unwahrscheinlicher als ein 0:3 aufzuholen gegen die derzeitige Fußballmannschaft von Bayern München. Teilerfolge sind auch mit Turm und Springer vs Turm für die Stärkere oder schwächere Seite noch drin und nicht unbedingt unwahrscheinlicher, zum Beispiel an den Rand abgedrängt zu werden oder eben als Verteidiger ins Zenrum zu kommen. Wahrscheinlich gibt es bessere Analogien als Fußball und Schach

Zitat:
In vielen Spielen zählt das Torverhältnis fürs Tiebreak

jo weshalb ich auch Pokalpartie schrieb und nicht Bundesliga

Untenstehend die Gewinnpartie, wessen Ausgangstellung besser ist als bei den anderen 6 Partien, die da sind:

Melkumyan(2625)-Hovhannisyan(2592) 0-1 Turnier: 74th ch-ARM 2014
Neverov, V. -Bogdanovich, S.               0-1              82nd ch-UKR 2013
Ivantchuk - Karpov                             0-1          Cap d'Agde Karpov KO 2012(Rapid)
Zhigalko-Kuzubov 1-0 Moscow Young GM 2011
Carlsen-L'Ami 1-0 Tata 2011
Dreev-Peralta 1-0 Barcelona Casino 2009
Eine TopGMpartie aus guter Stellung, die ausgkämpft wurde(aber Remis ausging) ist beispielsweise Kramnik-Lagrave 2013 Fide Worldcup
Die Partien sollte man alle hier oder in einer aktuellen Datenbank wie zum Beispiel der aktuellen Bigdatabase von chessbase finden(und mit chessbase leicht zu filtern mittels Material und Partiendatenfilter) oder online hier: http://database.chessbase.com/js/apps/database/

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board
Parent - By Ralf Mueller Date 2014-11-22 00:55
Hallo Tom, die Partie hatte ich schon im Nachbarthread "Carlsen - tritt ab!" gepostet. 
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