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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Wunder des Tages: Die Fide ist lernfähig
- - By Stefan Pohl Date 2025-10-16 07:07 Edited 2025-10-16 07:48 Upvotes 1
Selbst der Fide scheint zu dämmern, daß im Zeitalter der superstarken Engines, die das Menschenschach zum reinen Sport gemacht haben, eine Schachübertragung (also Sportübertragung) von 4-6 stündigen Turnierpartien keine Zukunft hat.
Daher jetzt als "Ergänzung" zur klassischen WM nun dies. Und das Ganze darf sogar "WM" heißen... es geschehen noch Zeichen und Wunder...

https://de.chessbase.com/post/norway-chess-startet-neue-weltmeisterschaft-fide-ist-einverstanden

https://youtu.be/3annvv6988A?si=HszflrNYWuMnEU1L

Hikaru ist nicht begeistert:
https://www.youtube.com/watch?v=R81tKiLl00I

Gespräch von Niemann, Wesley So zum Thema:
https://www.youtube.com/watch?v=zRybdv9qzXE

Ein neues Weltmeisterschaftsformat im Schach, organisiert von Norway Chess, wurde vom Weltschachverband FIDE offiziell genehmigt.
Die Total Chess World Championship Tour krönt einen Gesamtsieger in drei Disziplinen: Fast Classic, Rapid und Blitz. Der Gewinner wird zum FIDE World Combined Champion gekrönt.
Die Tour besteht aus vier Turnieren pro Jahr, die in verschiedenen Städten gespielt werden.
Der jährliche Preispool beträgt mindestens 2,7 Millionen US-Dollar (750.000 US-Dollar pro Veranstaltung für die ersten drei Veranstaltungen; 450.000 US-Dollar für das Finale), zuzüglich Leistungsprämien.
Ein Pilot-Turnier ist für Herbst 2026 geplant, die erste vollständige Meisterschaftssaison findet 2027 statt.

Ziel der „Total Chess World Championship Tour” ist es, den Spieler zu finden, der die Disziplinen „Fast Classic”, „Rapid” und „Blitz” am besten beherrscht. "Fast Classic" ist eine Form des klassischen Schachs, bei der man allerdings nur 45 Minuten für die gesamte Partie plus 30 Sekunden pro Zug hat. Diese Variante wird wie klassisches Schach gewertet.

Statement des Fide-Chefs dazu (unfreiwillig komisch, insbesondere wenn man diese Aussagen mit denen zur Freestyle Grand Slam Tour (WM nennen? Nein, das geht ja nicht, sagt die Fide...)) vergleicht:

„Wir sind stets auf der Suche nach Möglichkeiten, innovativ zu sein und die Grenzen dessen, was Schach sein kann, zu erweitern. Obwohl Schach bereits zu den beliebtesten Spielen der Welt gehört, ist sein Wachstumspotenzial nach wie vor enorm. Mit der Total Chess World Championship Tour bieten wir den Spielern einen neuen Titel, um den sie kämpfen können, und dem Publikum ein schnelleres Turnierformat. Wir hoffen, dass das Turnier sowohl bestehende Schachfans als auch ein neues Publikum begeistern wird.“
„Wir sehen diese Turnierreihe als eine fantastische Ergänzung der traditionellen und prestigeträchtigen Schachweltmeisterschaft, in der man den Weltmeister im klassischen Schach krönt. Die Meisterschaften werden sich gegenseitig ergänzen und den Fans noch mehr Spannung bieten. Dies ist keine kurzfristige Initiative, sondern eine langfristige Vereinbarung zwischen der FIDE und Norway Chess“, fügte er hinzu.

Einen Youtube-Kommentar fand ich gut (deckt sich mit Hikarus Meinung): "FIDE wants Magnus to participate so bad, they: 1. Reduced time control for classical to 45 minutes. 2. Made Norway chess organise it."

Ganz wichtiger Punkt, den die FIDE ganz unten versteckt hat, und der es in sich hat:
"Pathway: The event includes Candidates qualification opportunities"
https://www.fide.com/wp-content/uploads/Total-Chess-World-Championship-Tour.pdf

Heißt, man kann sich in diesem Speed-Event für das "klassische" Kandidatenturnier qualifizieren. Das ist ja auch gar kein willkürlicher Mix verschiedendster Bedenkzeiten... Wo der Fide ihr "klassischer WM-Zyklus" ja angeblich so wichtig ist. Da zitiere ich mal Atze Schröder: Ja, nee, is klar... (Kommentar Hikaru dazu: "Qualifing for the candidates without playing classical chess? You can not be serious. It is just insane...")
Parent - - By Stefan Pohl Date 2025-10-16 07:45
Dies waren die Fakten und Meinungen von Top Spielern.

Meine Meinung dazu:

Prinzipiell ist alles gut, was das Ende der klassichen Turnierbedenkzeit im Schach näher bringt und (Menschen-)Schach sich so weiter Richtung E-Sport entwickelt. Da dieses Turnier definitiv in diese Richtung geht, und es sogar die Fide dabei ist, finde ich das Event erst mal positiv.
Daß man sich in diesem Speed-Chess Event für das klassische Kadidatenturnier qualifizieren können wird, gefällt mir persönlich nicht so gut. Allerdings hat für mich der klassische Weltmeisterschaftszyklus sowieso nur sehr begrenzten Unterhaltungswert. Und, daß ein Spieler wie Gukesh (Weltrangliste Nr. 10 (!)) der Titelträger ist, macht den WM-Zyklus für mich auch nicht gerade attraktiver. Insofern: So what?

Das ganze Event wirkt allerdings wie ein etwas halbgarer Mix aus der Freestyle Grand Slam Tour und der alten Champions Chess Tour von chesscom. Und dient m.E. nur dem Zweck, Magnus Carlsen wieder zurückzubringen in den "WM-Zyklus" der Fide. Was immer das jetzt überhaupt noch heißt.

Gerne andere Meinungen dazu. Immerhin ist das ja wirklich ein drastischer Schritt, den die Fide hier geht.
Parent - - By Tommy Tulpe Date 2025-10-16 10:20 Upvotes 3
Stefan Pohl schrieb:


Gerne andere Meinungen dazu. Immerhin ist das ja wirklich ein drastischer Schritt, den die Fide hier geht.


Mein Senf dazu:
1.
Dass bei entsprechender Präsentation auch klassisch lange Partien ihren Zuschauerkreis finden, war bei der just zu Ende gegangenen Mannschafts EM von Batumi zu sehen. Jannik Liebelt mit seinen Gästen Donchenko, Tischbierek, ... haben das perfekt dargeboten und es fand sich durchaus ein treues, interessiertes Publikum ein.
Ich teile desalb nicht die Ansicht, die Bedenkzeit müsse vekürzt werden, um Schach attrtaktiv zu machen. Schnellschach und Blitzschach... ja gerne, aber das sind halt andere Disziplinen.
2.
Ein wichtiger Aspekt dieser neuen Serie scheint mir, Magnus Carlsen den roten Teppich auszurollen und ihn wieder mit ins Boot zu holen. Ja, es ist bedauerlich, dass der stärkste Spieler dieses Planeten sich sonst zurück zieht. Aber sollte sich die FIDE nach einem einzigen / dem stärksten Spieler richten? Meines Erachtens nein.
3.
Völlig unpassend finde ich die Regelung, dass man sich durch starke Leistungen in diesem neuen Wettbewerb fürs klassische kandidatenturnier qualifizieren kann. Habe ich das wirklich richtig verstanden?

Es grüßt euch herzlich

Ulrich
Parent - By Stefan Pohl Date 2025-10-17 05:47
Tommy Tulpe schrieb:

Stefan Pohl schrieb:


Gerne andere Meinungen dazu. Immerhin ist das ja wirklich ein drastischer Schritt, den die Fide hier geht.


Völlig unpassend finde ich die Regelung, dass man sich durch starke Leistungen in diesem neuen Wettbewerb fürs klassische kandidatenturnier qualifizieren kann. Habe ich das wirklich richtig verstanden?


Leider ja. Es gibt eine Tweet des Fide Chefs, der wohl besagt, daß diese Turnierserie in der Zukunft dann immer 2 Plätze für das Kandidatenturnier vergibt.
Parent - - By Andreas Mader Date 2025-10-16 12:14 Upvotes 5
Ich finde es schade, dass alles immer nur schneller und schneller werden muss, um sich irgendwelchen Zuseher-Interessen anzupassen, weil die Aufmerksamkeitsspanne immer geringer wird oder Datenmenge über Datenqualität zu stellen. Traurig, dass es das klassische Turnierschach bald nicht mehr geben wird.
Parent - - By Kurt Utzinger Date 2025-10-16 18:22
Tommy Tulpe schrieb:


Mein Senf dazu:
1.
Dass bei entsprechender Präsentation auch klassisch lange Partien ihren Zuschauerkreis finden, war bei der just zu Ende gegangenen Mannschafts EM von Batumi zu sehen. Jannik Liebelt mit seinen Gästen Donchenko, Tischbierek, ... haben das perfekt dargeboten und es fand sich durchaus ein treues, interessiertes Publikum ein.
Ich teile desalb nicht die Ansicht, die Bedenkzeit müsse vekürzt werden, um Schach attrtaktiv zu machen. Schnellschach und Blitzschach... ja gerne, aber das sind halt andere Disziplinen.
2.
Ein wichtiger Aspekt dieser neuen Serie scheint mir, Magnus Carlsen den roten Teppich auszurollen und ihn wieder mit ins Boot zu holen. Ja, es ist bedauerlich, dass der stärkste Spieler dieses Planeten sich sonst zurück zieht. Aber sollte sich die FIDE nach einem einzigen / dem stärksten Spieler richten? Meines Erachtens nein.
3.
Völlig unpassend finde ich die Regelung, dass man sich durch starke Leistungen in diesem neuen Wettbewerb fürs klassische kandidatenturnier qualifizieren kann. Habe ich das wirklich richtig verstanden?

Es grüßt euch herzlich

Ulrich


Andreas Mader schrieb:

Ich finde es schade, dass alles immer nur schneller und schneller werden muss, um sich irgendwelchen Zuseher-Interessen anzupassen, weil die Aufmerksamkeitsspanne immer geringer wird oder Datenmenge über Datenqualität zu stellen. Traurig, dass es das klassische Turnierschach bald nicht mehr geben wird.


Der Meinung beider Schreibenden schliesse ich mich gerne an.
Vor allem das Zugeständnis gemäss Ziff. 3 von Ulrich finde ich
absurd und völlig daneben. Die heute praktizierte "Schnelllebigkeit"
in so vielen Dingen führt zu nichts Gutem: Oberflächlichkeit,
mangelnde sprachliche Ausdrucksfähigkeit, nicht Erkennen von
Zusammenhängen, fehlende Empathie, usw. sind Folgen.
Gruss
Kurt
Parent - By Volker Pittlik Date 2025-10-16 19:00
Ich möchte mich dem auch anschliessen und auch auf das Video von Nakamura verweisen. Es gibt bereits eine Turnierserie,
in welcher der Sieger aus einer Mischung von Klassischem, Rapid- und Blitzschach ermittelt wird. Schnellschach nun zu "Fast Classical"
umzubenennen ist nur Wortklingelei.

Schach ist ein komplexes, kompliziertes und schwieriges Spiel und genau daraus gewinnt es seinen Reiz und seine Schönheit.
Rapid und Blitz haben auch ihre Vorzüge aber "richtiges" Schach dauert eben. Gute Literatur, bewegende  Musik oder andere Werke
herausragenden Charakters erschliessen sich auch nicht im "Hau-Ruck" Tempo.

Das Argument, das Spiel "einem grösserem Publikum zu erschliessen" scheint mir nur vorgeschoben. Gemeint ist eher "schneller mehr Geld
machen" und zwar nicht unbedingt für die Aktiven. Legt man wirklich auf grösseres Publikumsinteresse Wert, sollte man es mit alt bekannten
Methoden versuchen. Open-Air Schach im Fussballstadion, dazu irgendwelche massenkompatible laute Musik zum Mitklatschen, gegröhlte
Moderation, billige Alkoholika und teilweise oder vollständig unbekleidete Frauen nicht zu vergessen. Will das jemand?

Volker
Parent - By Peter Martan Date 2025-10-17 08:46 Edited 2025-10-17 08:54
Stefan Pohl schrieb:

Prinzipiell ist alles gut, was das Ende der klassichen Turnierbedenkzeit im Schach näher bringt und (Menschen-)Schach sich so weiter Richtung E-Sport entwickelt.

"E-Sport" im Sinne von, man kommt ohne E wie Engine ohnehin auch bei längerer TC "Eh" schon nicht mehr mit als normaler Sterblicher, was da am Brett vorgeht? E steht für mich in diesem Zusammenhang mehr für "Eh schon viel zu schnell"

Sorry, aber ich schließe mich den Einwänden meiner Vorredner an, dass mir längere TC bei hochklassigen Partien einfach mehr Chancen gibt, halbwegs zu verstehen, was eigentlich passiert. Und wenn's mir zu langweilig wird, unterhalte ich mich (zum Beispiel mit anderen Zuschauern) zwischenzeitlich anderweitig, bis mein Interesse vom Spiel wieder geweckt wird. Auf solche Art aus der Partie auszusteigen, passiert mir einfach häufiger, wenn ich den Faden verliere, was gerade am Brett zu berechnen wäre und nicht, wenn ich der Partie folgen kann, je kürzer die TC, desto mehr steige ich aus.

Ich schaue mir eine Schachpartie nicht dazu an, auf eine Art gefesselt zu werden, wie's Hops- Bumms- Schepper- Blitz- Spiele ("E-Sports") bieten sollen, denen ich sowieso an und für sich nicht viel abgewinnen kann, wenn ich mich von einem Bildschirm oder live auf solche Art unterhalten lassen will, schau' ich mir einen Action- Film an oder gehe auf eine Rock- Konzert, von mir aus. Und wenn ich wirklich auch mal blitzschnell hochklassiges Schach an mir vorbeiziehen lassen will, hab ich dazu sowieso heutzutage im Zeitalter des Internets und der Datenbanken noch und noch Gelegenheit, stummstaunend auch mit langer solcher TC von  Menschen gespielt und oder aus dem Computerschach, im Zeitraffer post mortem an mir vorbeiziehen lassen kann, so what?
Parent - By Michael Bechmann Date 2025-10-17 23:01 Edited 2025-10-17 23:07
Was sind schon 4 Stunden für eine Schachpartie? In früheren Weltmeisterschaften und Turnieren dauerten sie oft 2 Tage, wobei nachts die Partie unterbrochen waren und am nächsten Tag weitergeführt wurde. Trotzdem fanden sie hohes Interesse.
Wenn ein Zuschauer eine Partie zu lange dauert, muss er sie nicht permanent beobachten und kann sich nach der Beendigung der Partie auf die Zugfolge oder auch nur auf das Ergebnis begrenzen.
Die Organisation muss sich nicht an die kurzweiligen Bedürfnisse anpassen und dabei die Qualität zu senken, denn Zuschauer sind nur entbehrliches Beiwerk - man kann auf sie auch verzichten.
Wer sieht denn wirklich 50 oder 100 Blitz-Partien minderer Qualität an? Die landen allenfalls in riesigen Datenbanken, die eher ein Schach-Friedhof werden.
Eine solche Ergänzung zum klassischen Schach ist nicht nötig.
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