Lothar Jung schrieb:
…verfolge ich jetzt sehr gerne am Fernsehen.
Bin selber Marathonläufer und Vereinsportler im Turnen und Tischtennis gewesen.
Ich hege, wenn ich diese Begeisterung für den Sport bedenke, doch beträchtliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Computerschachs.
I n j e n e n Z e i t e n, in denen das Gespenst eines 3. Weltkrieges aus allen medialen Ecken grinst, kommen diese Olympischen Spiele gerade recht. Rund 11400 aktive Teilnehmer in insgesamt 32 Sportarten und 329 Wettbewerben sind dabei, auch wenn sich die wenigsten von ihnen berechtige Hoffnung auf eine Medaille machen können.
Diese Spiele hätten ein besonderes Flair, meinen viele Berichterstatter, der olympische Geist sei überall spürbar, von den Ufern der Seine bis hinauf zum Mont Martre und der Sacré Coeur. Das gewisse Etwas, 'je ne sais quoi", wie der Franzose zu diesem Spirit sagt, der die Menschen in aller Herren Länder an die Bildschirme fesselt und die Touristen in der Champs Elysées und die Pariser in den Künstler- und Studentenkneipen des Quartier Latin, die neusten olympischen Ereigisse diskutieren lässt.
Bereits die Eröffnungsfeier, auf Schiffen der Seine entlang, zugleich eine historische Reise durch die Geschichte Frankreichs und Europas, war bestens dazu angetan, den Zuschauer in die richtige Stimmung zu versetzen.
Als die von vielen bereits abgeschriebene und schwer kranke
Celin Dion am Schluss mächtig ihre Stimme zur „L‘Hymne à l’amour“ erhob und in bekanntem Glanz erstrahlen ließ, schämte sich der B3 und Eurosport Kultreporter
Sigi Heinrich seiner Tränen nicht. Die 33. Olympischen Spiele waren angerichtet, in großer Vorfreude und in erwartungsvoller Spannung .
Man kann die Spiele aus nüchterner, sportlicher Distanz betrachten, oder sich aber auch auf die Biografien einzelner Sportler einlassen, was die Spannung bei Verfolgung derer Wettwerbe natürlich noch um einiges steigert. Da freut man sich dann mit dem Ruderer
Oliver Zeidler, der nach der Schmach bei der letzten Olympiade in Tokio nun endlich das ersehnte Gold für sich und seine Familie heimholt. Unglaublich, wie die unbekümmert aufspielenden deutschen
Street-Basketball Mädchen, 3x3-Basketball heisst es offiziell, bei ihrer ersten olympischen Teilnahme, nach und nach alle Favoritinnen ausschalteten und mitten auf dem Place de la Concorde Korb für Korb bis zum Gold durchmaschierten.
Und man freut sich sogar mit dem erfolgreichsten Tennisspieler aller Zeiten, Mulitimillionär
Novak Djokovic, - Roger Federer, Rafael Nadal und auch der junge Carlos Alkaraz sind wesentlich beliebter als er -, wenn seine Freude und Ergriffenheit keine Grenzen kennt, weil jetzt auch die letzte noch ausstehende Trophäe, die olympische Goldmedaille, zu seiner Sammlung gehört.
Unglaublich, wie Begabung, Fleiß und Training die Sportler zu fast übermenschlichen Leistungen befähigen. Spektakulär, der Weltrekord über 6m 25cm im Stabhochsprung.
https://www.youtube.com/watch?v=o_FnI0kCX7wJunge Mädchen und Burschen, die im Speedklettern wie Geckos senkrecht die Mauer hochrasen. Nicht mal Affen könnten das schneller.
https://www.youtube.com/watch?v=DTB9ub0e_L8Bogenschützen, die aus 70 m Entfernung permanent die Mitte der Scheibe treffen, Triathleten und Freischwimmer, die sich in die trüben Fluten der Seine stürzen und kilometerlang gegen die Strömung schwimmen, Turmspringer und Reckturner, die sich mit aberwitzigen Drehungen und vielfachen Saltos durch die Luft schrauben und Turnerinnen, die auf dem schmalen Steg des Schwebebalkens die hohe Kunst der Balance zelebrieren.
Dressurreiten, sonst nicht so mein Ding, aber die Performance der deutschen Goldmedaillengewinnerin
Jessica von Bredow-Werndl auf ihrer Stute
Dalera war wirklich Ästhetik pur. So eine gelungene Mensch/Tier-Symbiose von kontrollierter Kraft, Stolz, Lässigkeit und Eleganz sucht schon ihresgleichen. Dazu ergötzt man sich an den poetischen Kommentaren des Reitsport-Kultreporters
Carsten Sostmeier, bekannt für seinen Ehrgeiz, die edle Noblesse des Dressurreitens sprachlich adäquat zum Ausdruck zu bringen :
"Reit’, du hast ihn vor dir, den Arc de Triomphe der goldenen Emotionen, holt euch die Krone der Reiterei!" oder "Du musst es durch dein Gesäß und deine Schenkel fühlen und durch deine Hände führen" oder "Es wirkt so tänzerisch leicht wie das Lichtspiel einer Kerze, welches sich in einer sanften Brise elegant hin- und herbewegt – so das Erscheinungsbild, das Antlitz dieser zauberhaften Stute". Hier die Performance von Ross und Reiterin im Schlosspark von Versailles mit dem Originalkommentar von Carsen Sostmeier:
https://www.sportschau.de/olympia/dressur-die-einzel-grand-prix-kuer-von-jessica-von-bredow-werndl,video-olympia-paris-dressur-einzel-von-bredow-werndl-100.htmlKönigsdisziplin der Leichtathletik, das 100m-Finale der Männer. Und genau bei diesem Highlight schlug meine Begeisterung ins Gegenteil um. Selten war der olympische Zieleinlauf der Sprinter derart knapp, wie in diesem Finale. Da stellt sich mir dann weniger die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Computerschachs, sondern eher die Frage nach dem Sinn oder Unsinn des Leistungssports. Gruß an Reinhold Stibi!
Mit 9 Sekunden und 79 Hunderstel liefen der Amerikaner
Noah Lyles und der Jamaikaner
Kishane Thompson zeitgleich ins Ziel. Zeitgleich? Von wegen, wo kämen wir denn dahin, wenn es keine Sieger mehr gäbe? "The Winner Takes It All". Die Plakette für den ersten Rang öffnet das goldene Tor für sagenhafte Preisgelder, für Ruhm, Ehre, Nationalheldentum und für bewundernde Aufmerksamkeit bis hinauf in die höchsten Kreise. Dieser ganze Hype gebührt dem, der um 5/1000stel, dem Bruchteil eines Wimpernschlages, um ein Nasentröpfchen weiter vorn, in der hoch auflösenden Vergrößerung des Zielfotos auszumachen ist. Na ja, um das Reglement richtig zu zitieren: auf den Rumpf (ohne Arme und Kopf) kommt es beim Zieleinlauf an, die Position der Extremitäten ist belanglos. Aber, Anatomie hin oder her, was wird denn da in Wirklichkeit gemessen? Doch auf keinen Fall mehr die sportliche Leistung, sondern nur mehr die Präzision von Messinstrumenten und das Auflösungsvermögen von Hochleistungskameras.
Was aber vielleicht noch bedenklicher stimmt, das ist diese selbstverständliche Akzeptanz minimalster Unterschiede, um einen strahlenden Sieger mit Nationalflagge auf die umjubelte Ehrenrunde schicken zu können. Mein Plädoyer: vergesst die Tausendstel, sind die Hundertstel schon des Guten zuviel. Aber was soll's, gegen das Business ist einfach kein Kraut gewachsen.
https://www.sportschau.de/olympia/leichathletik-100-meter-m-finale,video-olympia-paris-leichathletik-100-meter-sprint-maenner-100.htmlWas hat das alles mit Computerschach zu tun? Nun, dazu fallen mir schon einige Parallelen ein, aber lange genug getextet. Lothar z.B. denkt anlässlich dieser offensichtlichen Begeisterung für die olympischen Sportarten über Sinn und Attraktivität der eigenen Freizeitbeschäftigung nach. Warum nicht, Assoziationen, die für mich durchaus nachvollziehbar sind.
Und darüber hinaus, sind diese Spiele nicht ausnahmsweise auch ein OFF TOPIC wert? Na gut, das nächste Mal wieder ein großes Schachevent.
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