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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Freie Rochade
- - By Arno Nickel Date 2020-07-16 14:00
Kramniks Vorschlag, die Rochade - eine Neuerung um die Mitte des 16. Jahrhunderts - abzuschaffen, ist nicht neu. Emanuel Lasker hat dies schon in der ersten großen Remisdebatte in den 1920er Jahren empfohlen; siehe sein Buch Mein Wettkampf mit Capablanca (1926).
Prinzipiell finde ich das Experimentieren mit Schachvarianten, die vielleicht das Potenzial haben, irgendwann zum Mainstream zu werden, gut - besonders aus Fernschachsicht, wo die hohe Remisquote heute zu einer allmählichen Austrocknung führt, angefangen bei den Spitzenturnieren und zunehmend auch auf mittlerem Niveau.
Aus Fernschachsicht müsste das Hauptkriterium aber nicht einfach eine Art "Neubeginn" sein, den die Computer schnell in den Griff bekommen und daher weiterhin ihre Dominanz bei der Neuschöpfung von Theorie ausüben würden, sondern etwas, was das Spiel komplexer gestaltet und die menschliche Intuition stärkt, zumindest für eine längere Entwicklungsphase, wobei man heute zusätzlich in Betracht ziehen müsste, ob Änderungen mehr den neuronalen oder den alpha-beta programmierten Engines liegen.
Ich fürchte, das ist nur möglich, indem man schwer abwägbare Komponenten einbaut, die bis zu einem gewissen Grade subjektive und z.T. zufällige Entscheidungen erlauben und damit eine Art von Multistrategien sowohl ermöglichen als auch erfordern. Denkbar wären z.B. Wettvorhersagen der Spieler, die sich während des Spiels ergeben und ändern können und damit Einfluss auf die Partiewertung und damit auch auf die Partieführung haben, oder eine Art zusätzlicher "Kann"-Regeln, wie z.B. man darf einmal während des Spiels einen beabsichtigten Zug des Gegners ablehnen, aber eben nur einmal  (ohne dies hier näher auszuführen).
Ich schicke dies nur vorweg, um dem Lasker-/Kramnik-Vorschlag einen m.E. zielführenderen Vorschlag ganz konkret entgegenzustellen: die Wiedereinführung der "freien Rochade". Zu Beginn es neuzeitlichen Schachs wurde die Rochade lange Zeit regional unterschiedlich gehandhabt, bis sich unter dem Einfluss des Schachreisenden Greco in Frankreich als dem damals entstehenden europäischen Schachzentrum die heutige Form der Rochade durchsetzte. In Italien, wo damals auch schon fleißig Schach gespielt und erforscht wurde, galt allerdings noch lange Zeit, bis nach Philidor (1726-1795) die "freie Rochade", wonach man die Aufstellung von König und Turm nach dem "Sprung" des Königs frei wählen konnte, je nach den zur Verfügung stehenden Feldern, also z.B. lange weiße Rochade mit Kb1 oder sogar Ka1 und Tc1 oder Td1. Einer der ältesten deutschen Schachklubs, der Hamburger Schachklub von 1830 führte die "freie Rochade" in seinen Gründungstatuten.
Ich fände das Experimentieren mit der freien Form viel interessanter. Während die lange Rochade in der bisherigen Eröffnungstheorie seltener vorkommt als die kurze, könnte sich dies recht bald ändern, weil die lange Rochade nicht mehr grundsätzlich einen gefühlten Tempoverlust bedeuten würde; und die freie Rochade wäre auch mehr im Sinne der Dynamisierung des Schachs, die ja die Grundidee der Schach-Renaissance im 15. Jahrhundert war. Mein Credo also: mehr und nicht weniger Freiheiten im Schach!
Parent - - By Frank Quisinsky Date 2020-07-16 14:56 Edited 2020-07-16 15:14
Hi Arno,

nicht nur Lasker und Kramnik.
Reinhold Scharnagl, als er sich so einsetze das FRC in die Schach GUIs aufgenommen wird und vor allem Alfred von DGT der sich darüber beschwerte das dieses Material in Chessbase fehlt und ob wir von Arena nicht die grundlegende Arbeit machen könnten.
Reinhold jubelte als Arena FRC aufgriff und hatte die Statistiken darüber schon vor vielen Jahren erstellt.

Er stellte seinerzeit fest das durch Verlust "Rochaderecht" die Remisquote um 4% gesenkt werden könnte.
Nun gut, er hatte seinerzeit nicht die extrem starke Software von heute.

Schön das Du Lasker wieder in Erinnerung bringst.
Ich habe nicht alle meiner Schachbücher gelesen aber ich erinnere mich an so einigen Kommentaren zu diesem Thema.
Nur weil Lasker mal etwas dazu geschrieben hat wird das der Aussage von Kramnik keinen höheren Gehalt schenken.

Du schreibst:
Während die lange Rochade in der bisherigen Eröffnungstheorie seltener vorkommt ...

Gehen wir mal ins Detail um zu sagen wie selten, denn "seltener" ist der falsche Ausdruck.
Hier FEOBOS Stats aller spielbaren Varianten der 500 ECO Codes (begrenzt auf Varianten die sich 3 Züge nach ECO-Code Ende bilden und lt. der Endanalysen von 12 Schachprogramme spielbar sind).

http://www.amateurschach.de/common/feobos/excel/start%20feobos.png

Erschreckend selten, erst Recht die lange Rochade als "Schwarzer" (unten rechts in der Grafik).

Die Realität zur langen Rochade!

Was würde wohl Reinhold Scharnagl dazu schreiben?
Der würde sich im Grabe umdrehen und argumentieren ... wofür meine Herren haben wir eigentlich FRC ins Leben berufen (Chess 960).
Und Bingo sind wir wieder bei Bobby Fischer!

Lassen wir den guten Lasker mal weg, er hat sich zu alles mögliche Gedanken gemacht was in irgend einer Form "Mathematik" war.
Könnten wir auch x andere Sachen herauspicken.

Wer sich wirklich Gedanken gemacht hat war Bobby Fischer und das hatte nachhaltige Folgen!
Reden und Umsetzen ... sind immer zwei verschiedene Dinge!

Gruß
Frank
Parent - - By Frank Quisinsky Date 2020-07-16 15:26 Edited 2020-07-16 16:03
Die Frage die ich mir stelle:
Wenn, eigentlich längst überfällig, die ECO Codes reformiert werden und z. B. bei

A00-0001 stehen würde: 47,5%
A00-0002 stehen würde: 49,3%
(Wahrscheinlichkeit auf Remis stärkster Schachsoftware)

was würde in der Turnierpraxis bei Menschen passieren?
Schwächere Spieler werden in Partien gegen stärkere Spieler solche Eröffnungen anstreben (ist nicht unlogisch das zu tun).

Was würde in der Eng-Eng Praxis passieren?
Die Systeme mit höchster Remis-Wahrscheinlichkeit werden ausgemustert.

(habe ich natürlich bei FEOBOS schon längst _testweise_ gemacht und könnte die Remisquoten um mehr als 10% senken).

Nur was bringt uns das beim Computerschach?
Es fehlt zu viel Material, der über Jahrhunderte entwickelten Eröffnungstheorie!

Wenn denn Großmeister wie Kramnik lieber weniger Remispartien sehen möchten,
sollten Sie sich einfach die Computerschachstatisken ansehen und die Varianten wählen die zu niedrigen Remisquoten führen.

PUNKT

Aber Kramnik ist ja kürzlich von der Turnierpraxis zurückgetreten.
Jetzt folgen dann logischer Weise solche Kommentare, finde ich nicht gut (bin mir irgendwie sicher er meint in der Endabfolge andere Dinge).

Schaue ich mir aber die Realtität in der Turnierpraxis an, so haben viele Großmeister nichts anderes im Kopf als schnelle Remise durch remisträchtige Eröffnungen zu erzwingen.

Klar, Elo ist so wichtig!
Schaufelt man sich doch viel lieber höher anstatt Schach zu spielen!

Schon merkwürdig das Menschen solche Diskussionen führen!

Würden die Schachprogramme das ausdiskutieren können, wäre hier der Teufel los.
Streiterein wären angesagt, unsere in dem Forum wären dagegen absolut harmlos!

Möchte gar nicht daran denken wenn die Herren oder Damen Komodo und Stockfish auftauchen würden ...
ein Tornado nach dem anderen würde über das Forum rauschen wenn z. B. eine Eröffnung wie B01 zum Thema gemacht werden würde.
Parent - - By Arno Nickel Date 2020-07-16 16:56
Zitat:
Schaue ich mir aber die Real(i)tität in der Turnierpraxis an, so haben viele Großmeister nichts anderes im Kopf als schnelle Remise[n] durch remisträchtige Eröffnungen zu erzwingen.


Hi Frank,

Deine umfangreichen Betrachtungen und Statistiken in allen Ehren, aber diese Schlussfolgerung scheint mir etwas zu kurz gegriffen, auch wenn sie nur einen Nebenaspekt des Ganzen betrifft. Man muss das Spielgeschehen insgesamt sehen und dabei turniertaktische Aspekte miteinbezehen.

Stärkere Spieler können es sich leisten, gegen schwächere "remisträchtige" Varianten zu wählen, weil sie trotzdem oft aufgrund ihres tieferen Verständnisses auch aus ausgeglichenen Stellungen heraus gewinnen. Paradebeispiel: Carlsen. Man "knetet" den Gegner, setzt ihn unter Zeitdruck, kompliziert an der richtigen Stelle usw.
Spielen Gleichstarke gegeneinander, ist ein Remis oft rein turniertaktisch bedingt. Kräfte werden geschont, gepunktet wird gegen Schwächere.
Schwächere unterliegen oft dem Irrtum, sie müssten gegen Stärkere etwas Solides spielen, obwohl ihre Chancen im Einzelfall höher sein könnten, wenn sie ein gut vorbereitetes Gambit ansteuern würden, mit dem sich der Stärkere nie gründlich befasst hat, weil seinesgleichen es ihm nie vorgesetzt hat.

Insgesamt glaube ich, dass "viele Großmeister" nichts anderes machen, als ihre Verdienstchancen in dem regeltechnisch und theoriemäßig vorgegebenem Raum je nach Situation zu optimieren.

Beste Grüße, Arno
Parent - By Frank Quisinsky Date 2020-07-16 17:26
Hi Arno,

Carlsen ist immer ein Paradebeispiel, gerade was seine gewählten Eröffnungen angeht und mit wie vielen neuen bzw. selten gespielten Abspielen der um die Ecke kommt.
Der zieht einfach immer ein As aus dem Ärmel, unglaublicher Typ.

Um die Großmeister zu retten, bin ja selbst ein großer Fan menschlicher Spielkultur!
Stimmt natürlich was Du schreibst.

Dennoch schade wenn ich mir in den Datenbanken so ansehe, wie schnell _oftmals_ auf höheren Niveau Remis gegeben wird.
Überhaupt ein großes Problem bei er Erstellung von Eröffnungsbücher für Schachprogramme bzw. eher die Statistiken die hierdurch leider oftmals verwischt wirken.

Da gibt es so ein paar Varianten, da wimmelt es nur so nach schnellem Händeschütteln und dann heißt es ...
Die Variante ist viel zu "Remisträchtig".

Nun gut, im Computerschach sind es andere Probleme.

Viele Grüße
Frank
Parent - By Peter Martan Date 2020-07-16 18:42 Edited 2020-07-16 19:04
Hallo Arno!

Danke für die ausführliche Stellungnahme, und ja, freie Rochade hört sich sehr nach Freiheit, Kreativität und Spielfreude an.

Ich hingegen finde Arimaa irgendwie sehr nett, man kennt das Brett schon, auch die Figuren als solche, sie haben halt andere Namen und Fähigkeiten.
Das mit den Löchern, in die man sie hineinschubsen kann, gibt einen wesentlichen zusätzlichen Anreiz, und allein so vom Optischen her finde die Elephäntchen, Giräffchen, Pferdchen, Hündchen, Kätzchen und besonders natürlich die Häschen goldig. Auch dass man nicht schlägt, sondern verhaftet, schiebt und zieht, das hat was.

Im Ernst, zum Spaß mit noch schwächeren Schachspielern als ich einer bin, würde ich auch gern mal Schach mit freier Rochade probieren, und sowie ein Programmierer eine Engine damit befähigt umzugehen (und vielleicht noch ein GUI, damit man nicht alles eintippen muss, das wäre sonst ein Rückschritt, wenn wir jetzt schon alle die GPUs der Rechner aufgerüstet haben) , erst recht gern gegen eine Engine heimlich zu Hause mit Zurücknehmen und Probieren und wieder Zurücknehmen, was für mich beim normalen Schach sowieso auch die Spielart meiner Wahl ist.
Aber wirklich auch, take back chess- Varianten sind auch nicht wirklich soo in der Praxis getestet worden over the board bisher oder?

Dass die freie Rochade unter den Vereinsspielern und den Profis sehr viel Anhänger finden wird, für ein irgendwie gewertetes Turnier, wage ich mal zu bezweifeln, fast genau so wie beim no castle chess, kreativer ist frei auf jeden Fall.

Was die Remisquote angeht, würde ich nach wie vor noch eher auf die Turnier- weise Änderung der Pattregel setzen, das wär kein Aufwand, es wäre Schach, wie wir's kennen mit ein paar Turmendspielen zusätzlich, die nicht Remis wären.

Wenn nicht einmal du nicht einmal  das in die Praxis bringst, warte ich mit der Änderung der Rochaderegel erst mal weiter ab, bevor ich mich in dem verzettle, was ich bewerbe.
Parent - - By Benno Hartwig Date 2020-07-16 19:20
Ich denke, die Rochade ist doch ein vor allem für die Verteidigung sehr wertvoller Zug.
Würde man, wenn man die Rochade noch wertvoller macht (freie Rochade), nicht die Remisquote eher noch weiter erhöhen?

Dass die Eröffnungstheorie in Teilen neu durchdacht werden müsste, stört die Engines wohl am allerwenigsten.
Parent - - By Peter Martan Date 2020-07-16 20:12
Benno Hartwig schrieb:

Würde man, wenn man die Rochade noch wertvoller macht (freie Rochade), nicht die Remisquote eher noch weiter erhöhen?

Klingt einerseits logisch, andererseits ist die Rochade ja auch ein nicht zu unterschätzender Angriffszug.

Man muss überhaupt längst ganz scharf trennen zwischen Menschen- und Computerschach.
Im Computerschach erreicht man eine Senkung der Remisrate nur mit unausgeglichenen (einseitigen Vorteils-) Startstellungen, egal in welcher alten oder neuen Spielart.
Dabei tauscht man Remisquote gegen 1:1- Paare aus.

Im Menschenschach kann man jede beliebige Änderung nehmen, die die normale Eröffnungstheorie aushebelt, selbst Spitzenprofis würden dadurch langwierig umlernen müssen, um sich wieder gezielt auf bestimmte Gegner vorbereiten zu können.
Und dann wäre eine Senkung der Remisrate bei den Menschen sowieso nur ganz oben von Interesse, die Vereinsspieler haben damit jetzt auch kein Problem, es sei denn, sie tun einander absichtlich unter bestimmten Paarungen aus Turniertaktik nicht weh, das kann man auch durch Ändern der Spielregeln nicht vermeiden.

Und ganz oben, wo's fürs Publikum ein Gaudium wäre (vielleicht), werden sich nicht viel Interessenten finden, die ihre mühsam erspielten Elo allein schon vom Ruf her zu riskieren bereit wären. Oder nur für viel Geld, wer wird das investieren in so ein Event?

Eine ziemlich theoretisches Herumgrübeln also sowieso das Ganze für mich.
Parent - - By Frank Quisinsky Date 2020-07-16 20:41 Edited 2020-07-16 20:50
Hallo Peter,

ohne Rochademöglichkeit entstehen viele unlogische Stellungen in bekannter Theorie (Umdenken bei unlogisch ist so eine Sache).
Stelle mal unlogische Stellungen auf das Brett und lasse GMs mal ein paar Minuten damit in Ruhe. Die bekommen das nicht wieder aufgebaut ohne Fehler zu machen.
Diese Experimente wurden schon zu Schachcomputerzeiten gerne gemacht.

Mich würde mal interessieren was Jerzy Konikowski dazu sagt.
Oder besser, ich möchte gar nicht seine Flucherei hören.

Genau!
Rochade ist auch eine Waffe für Angriffsspieler!!
Nicht zu rochieren oder lange herauszuzögern um Angriffszüge (meist mit Bauern) vorzubereiten.
Nervenkrieg wenn Du gegen einen solchen Spieler antreten musst.
Shirow ist so einer, Christiansen ist so einer und ein paar weitere Kandidaten.

Kasparow spielt gerne in der Eröffnung sehr aggressiv mit seinen Bauern und oftmals entstand der Eindruck er lauerte mehr auf die Reaktion.
Oftmals anhand seiner Mimik, seltener Gestik zu beobachten gewesen.

Senkung der Remisrate im Computerschach:
Nicht unbedingt!
Vergleiche ich die TOP-41 Ende 2016 mit den TOP-41 aktuell ... wo ist denn die höhere Remisquote bei einer durchschnittlichen Elo Steigerung von ca. 150 Punkten.
Entweder bin ich blind oder ich verstehe das nicht!

Man muss sich keine Probleme selbst machen wo keine sind.
Kann Computerschächler verstehen, die auf höchsten Niveau gleiches gegeneinander antreten lassen und sich über die hohen Remisquoten ärgern.
Oder sagen wir mal ... fast Gleiches!

Mit Gewalt bekomme ich natürlich die Remisquoten auch hoch und mit roher Gewalt natürlich noch höher.
Im Sprachgebrauch bedeutet das dann: Hausgemacht!

Ich nehme 107 der ECO Codes und entlasse in ausgeglichenen Stellungen (kann jeder anhand FEOBOS erkennen).
Würde ich das tun, wäre die Remisquote um 10% niedriger auf TOP-Engine Niveau!

Warum?
Meist offene Stellungen, deren unausgewogenen verbliebenen Bauernstrukturen im weiteren Verlauf der Partie kaum Remis zulassen.

That's all ...

Gruß
Frank

Und das wunderschöne an der Geschichte ist, dass viele dieser 107 Eco weniger beliebt sind oder sich viele Spieler scheuen die anzupacken weil zu kompliziert.
Zugegeben ein paar sind veraltet (wie Königsgambit), ist klar.
Parent - By Frank Quisinsky Date 2020-07-16 21:08 Edited 2020-07-16 21:11
Wenn zwei exakt gleichstarke Gegner gegeneinander spielen sollte die Remisquote bei ca. 62% liegen.
Dies bei einem Level von ca. 3.000 Elo.

Hatte ich mal simuliert mit Datenbankauswertungen.
Bei z. B. 2.800 Elo sind es 61%.

Im laufenden FCP Tourney-2020 sind es lt. Ordo 64% bei 3.000 Elo.
Deutet darauf hin, dass ein paar Kandidaten im Turnier gleich zu anderen Programmen sind (ich weis es, wird später sicherlich aus den Stats ersichtlich und jeder kann sich selbst eine Meinung bilden).

Nehme ich z. B. die Engines bei der FCP Ratingliste (gleiches Bild bei meiner älteren Ratingliste) heraus sind es 61%.
Derzeit liegt das FCP Tourney-2020 bei 64% (Remisquote ca. gleich starker Gegner).

Für mich gibt es 4 wichtige Idikatoren für diese Berechnungen.
Die kann ich dann spiegeln auf 2.600 Elo Datenbanken im GM-Schach.

Beispiel:

Code:
GM database I build:

Modern GM theory : Without "Blitz" & "Simultan" games
Years            : 2008-2019
Database         : 86.371 games
Player           : 870
Elo average      : 2630
ELO player min.  : 2400
Draw average     : 50,73%
Player / games   : min. 30 games per player must be available in database
Missed ECO codes : 9 (A76, A82, A99, C31, C53, D67, D68, D69, E79)

Produced ...

Games            : 86.371 (finished)
White Wins       : 26.517 (30.7%)
Black Wins       : 16.034 (18.6%)
Draws            : 43.820 (50.7%)
Unfinished       : 0
White Perf.      : 56.1%
Black Perf.      : 43.9%
ECO A00-A99      : 13.887 games (16.1%)
ECO B00-B99      : 19.723 games (22.8%)
ECO C00-C99      : 17.334 games (20.1%)
ECO D00-D99      : 20.324 games (23.5%)
ECO E00-E99      : 15.103 games (17.5%)


870 TOP-Spieler, Partien aus den Jahren 2008-2019 produzieren eine Remisquote von 50,7%.
Ich lösche die 70 Spieler aus der Datenbank, die zu oft Remis geben und lande bei den normalen 48,0 im Spektrum der Elo Stärke der 800 verbliebenen Spieler.
Der Wert ist so was von Normal, gibt es nichts dran zu rütteln.

Im Computerschach sind es exakt bei 200 Elo höher als zu der GM-Datenbank 50% und bei 300 Elo höher 52% (größeres Spektrum an Elo, als wie oben erwähnt ... zwei gleichstarke Spieler).
Das liegt aber daran, dass viele Programme die Stärke im Endspiel haben und sich kaum voneinander unterscheiden.
Daher immer schlecht x Stockfishe in eine Ratingliste aufzunehmen, je mehr gleiches Zeug vorhanden ist, desto unschlüssiger werden die Ausgaben in Elo.

Nehme ich Programme die sich stark voneinander unterschieden kommt 48% dabei heraus (immer im gleichen Spektrum zu den Großmeistern).
oder 50% wenn ich 200 Elo höher gehe oder 52% wenn ich 300 Elo höher gehe.

Bedeutet, die Remisquote steigt wirklich im Verhältnis zu höheren Spielstärke an aber das ist absolut normal und bewegt sich im nicht diskussionswürdigen Bereichen.

So, nun kann ich Remisquoten von 80% oder höher erzeugen wenn gleich stark gegen gleich stark spielt und zuzügl. die 15% Steigerung (Programme beinhalten Gleiches) noch hinzukommt.

Gruß
Frank

Kann ich rechnen wie ich will, Stats erzeugen wie ich will.
Ich sehe nichts was auf eine höhere Remisquote hindeutet.
Alles was ich sehe ist das alles wie es ist absolut normal verläuft.
Parent - - By Benno Hartwig Date 2020-07-16 21:36

> Im Computerschach erreicht man eine Senkung der Remisrate nur mit unausgeglichenen (einseitigen Vorteils-) Startstellungen,


Die bislang nicht widerlegte und immerhin schwach bestätigte These ist ja gerade, dass dies ein Stück weit auch durch beiderseitigen Verzicht auf das Rochaderecht passiert.
Parent - - By Frank Quisinsky Date 2020-07-16 21:51 Edited 2020-07-16 21:59
Oder entgegengesetzte Rochade.
Passiert nur zu selten.

Die Rochaden selbst sind noch nicht mal dafür verantwortlich, sondern die Bauernstrukturen die durch Linienöffnungen entstehen.

Nehme offene Stellungen aus den ECO Codes mit stark unterschiedlichen Bauernstrukturen mit oder ohne Rochade, mit oder ohne entgegengesetzte Rochade.
Vergleiche die Resultate mit Stellungen bei denen in offenen Stellungen die kleine Rochade gespielt wurde.

Remisstatistiken sind die Gleichen!
Zwar deutlich geringer, aber das liegt vielmehr an stark unterschiedlichen Bauernstrukturen die durch Rochade-Veränderungen gespielt wurden.

Beispiel:
Suche die Stellungen bei denen von den Leichtfiguren / Schwerfiguren nur eine fehlt aber bei denen auf beiden Seiten mindestens 3 Bauern fehlen bis Zug Nummer x, dann Zug Nummer y ... Balkendiagramm.
Nun vergleiche die Remisquote als wenn z. B. noch 7 Bauern stehen.

Stärke der über 3.200 Elo Programme = Übergang zum Endspiel.
Bewegen sich unsere TOP-Programme nun nach der "Mittelspielplauderei" oder besser dem "Mittelspielkaffeeklatsch" in diese Partiephase, entscheiden auf höchsten Niveau die kleinen Nuancen der Bauernstrukturen im Übergang zum Endspiel. Allerdings auch nur dann wenn die Programme zu gleich spielen. Das ist eher das Problem.

Ferdinand hat mir mal ein nettes Tool programmiert, bei dem ich die Figuren auf dem ich nach Figuren auf dem Feld selektieren kann.
Interessant dann die Auswertungen x-Züge bei x-Bauern auf dem Brett.

Dann schaute ich im Grunde nach den offenen Linien und den Bauernketten.
Kannst dann wieder schön in ChessBase mit Stellungssuche arbeiten.

Und Bingo die gefilterten Partien gaben die Erkenntnis.

...

wenn ich diese Stellungen aus FEOBOs heraus filtere wird die Remisquote auf höchsten Engine Niveau um 10% gesenkt.
Genauer gesagt um 9.1% ohne das eine Seite "zunächst" nach den Eröffnungszügen bevorteilt oder benachteilt wird (ausgeglichene Vorgaben).

Das alles ist auch absolut logisch, weil die Fehleranfälligkeit in offenen Stellungen höher ist als bei geschlossenen Stellungstypen.

...

So, keine Lust mehr.
Habe einfach schon zu viel von den Stats gemacht und für mich sind das eher langweilige Themen.
Interessanter ist, welche Zusammenstellung der TOP-41 sorgt für mehr Spannung, genaue Zahlen und bessere Stats.
Parent - - By Benno Hartwig Date 2020-07-17 06:49
Was meinst du mit:

> Remisstatistiken sind die Gleichen!
> Zwar deutlich geringer, aber das liegt...


???
Haben die nun Einfluss auf die Remisstatistiken oder nicht?

"Es wurden Rochaden gemacht" und "Es gibt das Rochaderecht" sind darüber hinaus auch sehr verschiedene Voraussetzungen.
Wenn ich weiß, dass der Gegner rochieren kann, agiere ich anders, als wenn er das nicht kann.
Parent - - By Frank Quisinsky Date 2020-07-17 08:37 Edited 2020-07-17 08:53
Hallo Benno,

also wenn ich mir nur die offenen Eröffnungsysteme ansehe, bei mind. drei Bauern weg nach den Eröffnungszügen bei noch alles oder -1 an Leichtfiguren / Schwerfiguren auf dem Brett sind die Remisquoten ca. gleich zu Vergleichen in dem eine lange oder nur auf einer Seite Rochade vorkommt. Wichtig eher, dass die Damen noch im Spiel sind. Die verbliebenen Bauern sollten nicht synchron stehen.

Werden die Damen in er Eröffnung zu früh getauscht oder stehen die Bauern synchron ist die Remiswahrscheinlichkeit deutlich höher. Ich denke die langen Rochaden führen eher durch aggressive Bauernzüge zu niedrigeren Remisquoten, wenn diese Bauernzüge denn kommen was meist passiert.

Interessant ist auch, dass bis auf sehr wenige Ausnahmen (Königsinder), Systeme, bei der die Läufer financhettieren, häufiger zu Remis führen.
Interessant ist ferner das wenn in Eröffnungssysteme die Bauern auf der B-Linie oder G-Linie 2 Felder nach vorne bewegt wurden, die Remisquoten niedriger sind.
Alles was früher oder später zu offenen Linien führt, bei dem die verbliebenen Bauern nicht synchron stehen.

Nicht zu rochieren macht eher bewährte Systeme zu Nichte.

Wird z. B. nicht rochiert wäre Finachetto eine der vielen Auswirkungen, weil es nicht unbedingt Sinn macht die Läufer zwar auf langen Diagonalen zu stellen aber kurzfristig aus dem frühen Mittelspiel zu nehmen. Jetzt stelle Dir nur mal vor was mit Rochadeverlust alles verbunden ist. König in der Mitte bedeutet komplettes Umdenken oder einfach nur versuchen den König dann mittels früherer Vorbereitung der Öffnung f2 (bewegen Bauer f2) über den Umweg e1-f2 dann doch in die Ecke zu kommen. Etc., etc.

Im Computerschach ist das Problem zum Menschenschach ein anderes.
Die extrem hohen Spielstärken, die heute erreicht werden, kommen wirklich aus dem Übergang zum Endspiel.
Da spielen Menschen deutlich schwächer und Computerschachpartien ziehen sich wie Gummi weil das viele Programme sehr gut spielen und Menschen im Vergleich total im Regen stehen.
Je nach Verteilung der verbliebenen Bauern ist die Remisanfälligkeit im Computerschach sehr hoch weil kleine Nuancen Partien entscheiden.

Wenn von den TOP-20, 16 Programme diese Stärke im Endspiel haben steigt unweigerlich die Remisquote.
Programme wie Rybka, die das Mittelspiel überstehen (extrem schwach in der Königssicherheit, keine Angreifer ... alle IPPs) machen dann im Endspiel mehr Punkte gegen Stockfish und Komodo.

Schaue ich mir dann wieder die Gruppe an Schachprogrammen an, die aggressiv zu Werke gehen und z. B. öfters schnell gewinnen liegt das an aggressivere Bauernzüge in der Eröffnung. Wasp ist das Paradebeispiel. Aber auch Texel, Chiron, Fizbo, teils Pedone spielen so. Houdini ist sehr aggressiv bei einem sehr starken Endspiel in der Hinterhand. Geht es dann ins Endspiel gegen Stärker für diese Gruppe an Schachprogrammen, bei zwar offenen ausgeglichenen Stellungen aber mit fragwürdiger Bauerstrukturen, ist die Partie gegen passiv spielende Schachprogramme meist verloren. Daran ändert sich auch nichts, wenn Angreifer eine gute Königssicherheit haben.

Interessant sind die Systeme die z. B. Carlsen wählt.
Wenn ich alle Carlsen Partien in eine Datenbank kopieren und die dann häufiger von Carlsen eingesetzen Systeme vergleiche mit Remisanfälligkeiten im Computerschach ist Carlsen ein Meister in "wie vermeide ich schnelles Remis" oder wie vermeide ich Systeme bei dem schnelles Remis kommen könnte. Denke dieses Thema ist für Carlsen ein "Hauptthema". Carlsen will spielen!

Viele Grüße
Frank
Parent - By Frank Quisinsky Date 2020-07-17 09:08 Edited 2020-07-17 09:40
Noch ein Beispiel:

Vorgestern wahnsinnig geärgert weil ich John etwas mitteilen wollte und nicht wusste wie ich es zu formulieren haben.

Partie gegen GullChess bei dem Wasp 2x Remis ausgeschlagen hat.
Hätte ich auch ausgeschlagen weil die Bauernstrukturen für GullChess aus menschlicher Sicht nachteilig waren.
Einfach unglaublich wie Gullchess dann die Partie gewonnen hat bzw. überhaupt gewinnen konnte.

Schleichender Endspielprozess.
Habe dann mal geschaut wie Fire, Critter, Rybka, Equinox gespielt hätten.
Habe rofChade, Nirvana und Hanniball für die Analyse hinzugenommen, da die änlich wie IPPs spielen (nach den Statistiken).

Die hätten alle die gleichen Züge gezogen und für mich war das unerklärbar (verschiedene Züge die dann langsam den Vorteil brachten).

Was sollte John ändern um das zu vermeiden?
Hätte Wasp gegen jeden IPP verloren und wahrscheinlich hätte kein Mensch gegen Wasp gewinnen können!

Wasp machte hinsichtlich seiner aggressiven Bauernstrukturen alles richtig!
Da bin ich raus, die Stärke die im Übergang zum Endspiel heute produziert wird geht so was von über meinem Level hinaus das ich machtlos bin einen Programmierer hier irgend einen Tipp zu geben. Werde mich hüten und John schreiben er sollte auf jendes oder dieses bei Bauerketten achten oder zum Contempt Code hinzufügen um Remis anzunehmen. Dann lieber Remis vermeiden und mit Pauken und Trompeten baden gehen (was solls, lieber so als anders) bevor sein Programm zum nächsten passiv spielenden Programm wird. Wasp holt sich die Punkte dann anders!

Schreit das gemeine Volk:
Wir wollen freie Sourcen.

Dann haben wir die freien Sourcen und das Volk schreit:
Wir wollen niedrigere Remisquoten.

Klar, kannst Du auch versuchen Eineige Zwillinge vom Aussehen zu verändern.
Kann das Volk schreien wie es will.
Parent - - By Peter Martan Date 2020-07-16 22:15 Edited 2020-07-16 22:25
Hat das, was das Computerschach angeht, überhaupt jemand gesagt und oder irgendwie getestet? Ich hab' jetzt den Artikel nur schnell noch einmal gelesen, aber wieder nichts gefunden, wo das auch nur A0 so belegt hätte. Als Partiebeispiele werden zwei Remis gezeigt.
Dass es für Menschen eine wesentliche Umstellung in der Eröffnungstheorie wäre und daher die ausgetretenen Remispfade vermiede, das war wohl die Idee dahinter. Aber auch das nur, weil sich Menschen nur eine begrenzte Zahl von neuen Varianten in der Zeit merken können. Es würde dementsprechend wieder ein paar hundert Jahre dauern, bis beim no castling chess wieder die Gelehrtheit von heute erreicht wäre. Ich hätte somit sogar einfach den Verdacht, die Remisquote würde bis hinauf zu den Spitzenspielern ihn erster Linie dadurch sinken, dass die Spielstärke stark sinken würde. Eh klar, ohne das Super- Eröffnungswissen. Ob es sich, so lange weiterhin nur die geschlossenen Spielklassen gegeneinander anträten, überhaupt in Elo stark zeigen würde, wäre wieder eine andere Frage.
Parent - - By Benno Hartwig Date 2020-07-17 06:53

> Hat das, was das Computerschach angeht, überhaupt jemand gesagt und oder irgendwie getestet?


"irgendwie"?
Naja, zumindest "angetestet" habe ich mit Stockfish bei je 64 Partien mit und ohne Rochaderecht: Hier sank dir Remisquote  von 79,7% auf 71,9%. immerhin.
Ich wiederhole das gerade mit Komodo 9.
Parent - - By Peter Martan Date 2020-07-17 07:01
Gib mir einen Link zu dem Posting, wo du deinen Test beschrieben hattest.
Parent - - By Benno Hartwig Date 2020-07-18 07:03

> Gib mir einen Link zu dem Posting, wo du deinen Test beschrieben hattest.


https://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=132898#pid132898
Naja, "beschrieben",
skizziert hatte ich meinen kleinen Test.
Parent - By Peter Martan Date 2020-07-18 08:49
Wir brauchen jetzt aber von dir keine Benno- Statistik deiner Postings zu befürchten, nein?

Im Ernst, ich hatte das damals schon gelesen, hatte es nur wieder vergessen, dass du schon Material gesammelt und gezeigt hattest, sorry for that and, just worse, for having been even sarcastic about it now yet too. Woe is me!

Ich erlaube mir sowas bei dir, Benno, weil ich zu wissen glaube, dass du dadurch nicht gleich beleidigt bist, ich hoffe, ich habe recht.
Sonst tät's mir leid. Tut's mir dann eh immer gleich wieder, es ist eine Schwäche.

Und danke, dass du dir die Mühe gemacht hattest.
Parent - - By Hauke Lutz Date 2020-07-18 09:14
Hallo,

ganz auf die Rochade zu verzichten finde ich persönlich unschön.
Stattdessen wäre es meiner Meinung nach sehr schön, wenn bei 0-0-0 der König ebenfalls auf der zweiten bzw. vorletzten Spalte landet.
Soll heißen aus Ke+Ta wird Kb+Tc statt Kc+Td.
Dadurch werden SALC-Stellungen objektiv attraktiver, da zugunsten der Königssicherheit kein weiteres Tempi investiert werden muss.
Bezüglich der Effekte von SALC beziehe ich mich auf die sehr ausführliche Arbeit von Stefan Pohl.

Gruß
Hauke
Parent - - By Benno Hartwig Date 2020-07-18 12:42
Damit machst du die Rochade doch gerade für die Verteidigung wirkungsvoller.
Mein Bestreben wäre dies nicht, weil ich befürchte, dann noch mehr Remisen zu erleben.
Parent - - By Arno Nickel Date 2020-07-18 14:44 Edited 2020-07-18 14:48
Hallo Benno,

da Du die Rochade vor allem als Verteidigungszug siehst, wie Du schon früher sagtest ("Ich denke, die Rochade ist doch ein vor allem für die Verteidigung sehr wertvoller Zug. Würde man, wenn man die Rochade noch wertvoller macht (freie Rochade), nicht die Remisquote eher noch weiter erhöhen?"), hier nochmal eine kurze Replik, obwohl Peter darauf schon geanwortet hat, indem er sagte: "Klingt einerseits logisch, andererseits ist die Rochade ja auch ein nicht zu unterschätzender Angriffszug."

Es hängt natürlich immer von der konkreten Stellung ab, welcher Aspekt gerade dominiert, aber ganz grundsätzlich wird die Rochade als Entwicklungszug angesehen, der nicht nur den König sicherer stellen soll hinter dem Schutzschild der Bauern, sondern der auch den Turm ins Spiel bringt; und das ist m.E, nicht zu unterschätzen. In der mehr als 150jährigen Wettkampfpraxis hat sich gezeigt, dass die Türme durch die Rochade am besten zu entwickeln sind (bei gleichzeitiger Sicherung des Königs). Andere Entwicklungsmethoden für den Turm, z.B. von Weiß über die h- oder g-Linie, funktionieren meistens nur, wenn zur anderen Seite hin rochiert wird und nicht bei gleichzeitigem Verzicht auf die Rochade überhaupt. In diesem Fall funktioniert die Rochade also auch wieder als kombinierter Verteidigungs- und Angriffszug. Im Grunde ist sie ein Katalysator, um das Spiel in Gang zu bringen, und diese Funktion hat sich historisch als sehr sinnvoll und attraktiv herausgestellt, weshalb ich die Abschaffung der Rochade gelinde gesagt für anachronistisch halte, auch wenn ich nicht bezweifle, dass ohne sie ebenfalls hochinteressante Partien gespielt werden können. Das zeigt aber nur das Potenzial eines ca. 1500 Jahre alten Spiels und nicht, dass dies der richtige Weg in die Zukunft wäre. 

@Peter Martan:
Da Du ja auch das Fernschach mit im Blick hast und meinen seit Jahren propagierten Vorschlag für eine Änderung der Pattwertung befürwortest, hier eine kurze Notiz: in letzter Zeit scheint sich auf Kommissionsebene bei der ICCF etwas zu bewegen. Die exorbitante Remisquote wurde als Problem mit Handlungsbedarf erkannt. Ob und was bei den Beratungen herauskommt, muss man abwarten. Ich habe der zuständigen Kommission ein weiteres Arbeitspapier mit zusätzlichen Vorschlägen zum Tie-break geliefert. Mal sehen, inwieweit es auf Zustimmung stößt. Vielleicht mache ich daraus demnächst einen Artikel, damit es breiter diskutiert wird. Einer meiner (pflegeleichten) zusätzlichen Vorschläge lautet: "Schwarz sollte einen Bonuspunkt (+1) für ein Remis bis zum 30. Zug erhalten, Weiß dagegen einen Minuspunkt (-1)."
Dem liegt der statistisch nachgewiesene Befund aus den letzten 10 Jahren zugrunde, dass rd. 40% aller Remisen im Fernschach bis zum 30. Zug zustande kamen, also zu einem Zeitpunkt, wo der Kampf erst eigentlich richtig losgehen oder sich auf dem Höhepunkt befinden sollte.
Ich habe also das Remisverhalten der Spieler und insbesondere den Aspekt von Stellungswiederholungen näher untersucht. - Davon unbenommen bleibt, dass man bei Remisschlüssen auch einen am Ende vorhandenen Materialvorteil als Tie-break-Kriterium berücksichtigen sollte. Man wird damit die Remisquote als solche nicht dramatisch umkehren können, aber den Wettbewerb weiter spannend gestalten und bessere Möglichkeiten der Leistungsdifferenzierung (über das Tie-break) schaffen können. Gottes Mühlen mahlen langsam, erst recht ohne Lobby ...
Parent - - By Benno Hartwig Date 2020-07-18 15:03
Danke für die Erklärung deines Standpunktes, Arno.
Gerade Lutz' Vorschlag aber, bei der großen Rochade Turm und König ein Feld dichter ran an die Ecke zu bringen, würde doch sehr überwiegend der Defensiv-Qualität der Rochade dienen, oder siehst du das anders?
Parent - By Arno Nickel Date 2020-07-18 17:49
Das könnte statistisch gesehen zutreffen. Allerdings stellt sich die Frage für mich nicht, weil ich es den Spielern freistellen will, wie sie die Rochade ausführen, eben je nach Stellung und Plan. - Danke für dein Feedback.
Parent - By Hauke Lutz Date 2020-07-22 21:11
Hallo Benno,

entschuldige die späte Antwort.

Ich persönliche denke, dass die "defensivere" lange Rochade nicht sicherer als die normale kurze Rochade ist, aber den Vorteil bietet, dass es vermehrt zu Flügelkämpfen und damit zu mehr Begegnungen mit 1,5-0,5 statt 1-1 kommen kann.
Eine kurze Rochade mit Kf+Te statt Kg+Tf (eine Interpretation/Justierung anhand deiner Kritik) ist mit Blick auf die geringere Königssicherheit grundsätzlich denkbar, aber würde den Vorteil von Flügelkämpfen im Vergleich zum ersten Vorschlag wahrscheinlich schmälern, weil es dann zugunsten der Königssicherheit zu Partien ohne Rochade und damit zu trägen Türmen kommen könnte was die Remisrate anders als gewünscht sogar anheben könnte.

Gruß
Hauke
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2020-07-23 10:27
Beim Lesen kam mir die Idee zu einem ganzen Rochaden-Potpourri,
hier mal aus Sicht von Weiß dargestellt:

Ke1 und Th1 wird zu
Kg1,Tf1
oder
Kh1,Tg1
oder
Kf1,Te1
oder
Kg1,Te1
oder
Kh1,Tf1
oder
Kh1,Te1

Ke1 und Ta1 wird zu
Kc1,Td1
oder
Kc1,Te1
oder
Kb1,Tc1
oder
Kb1,Td1
oder
Kb1,Te1
oder
Ka1,Tb1
oder
Ka1,Tc1
oder
Ka1,Td1
oder
Ka1,Te1

Das würde dem Spiel eine wunderbare zusätzliche Dynamik verleihen.

Ingo Althöfer.
Parent - - By Horst Sikorsky Date 2020-07-23 10:55
< Beim Lesen kam mir die Idee zu einem ganzen Rochaden-Potpourri,
hier mal aus Sicht von Weiß dargestellt:
Das würde dem Spiel eine wunderbare zusätzliche Dynamik verleihen. >

als eigene Schachversion schon
Parent - By Peter Martan Date 2020-07-23 11:04
Hast du mal Arimaa probiert?
Ich finde das unheimlich dynamisch das Spiel, wahrscheinlich, weil ich's noch weniger kann als Schach.

Tempelhüpfen hab' ich auch nie so richtig gut gelernt, wenn ich das jetzt mal wieder probierte, fänd' ich's wahrscheinlich auch unheimlich dynamisch, vor allem, wenn ich's mit Jüngeren um die Wette spielen müsste.
Parent - By Peter Martan Date 2020-07-18 18:38 Edited 2020-07-18 18:41
Gut zu hören, dass sich bei der Pattregel eventuell doch was tut, und die Vorschläge zu etwas anderen Punktevergaben sind sicher auch sehr zu überlegen. Looking forward to your article about Tie-Break.
Parent - By Michael Bechmann Date 2020-07-23 12:45 Edited 2020-07-23 13:05
Der Vorschlag von Kramnik würde ihm gut passen: Die passablen Eröffnungen werden deutlich weniger und Kramnik (und andere Großmeister) hätten die Eröffnungszüge nicht bis zum 20. Zug im Kopf sondern bis zum 40. Zug, denn das Spektrum der Eröffnungen würde sehr klein und die aufbereiteten Partien umso tiefer gelernt. Die Partien ohne Rochade sind überschaubar und der Großmeister hat sie auswendig gelernt.
Man könnte sich schon vor dem 1. Zug einigen, welche Partie man spielen will und muss sie gar nicht erst durchführen, z. B. "Tal gegen Taimanov, 1971?" -  "Nein, wir spielen Tal:Smyslov, 1976 wo "wir" uns im 55.Zug auch auf Remis einigen, wie du sicher weißt." 
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