Liebe Schachfreunde
Wie konnte es kommen, dass ein Neuling in der damaligen Schachszene,
nämlich José Raoul Capablanca, den stärksten und turniererfahrenen
Spieler der USA, Frank Marshall in einem Match des Jahres 1909 nicht
nur besiegen, sondern gar zerschmettern konnte. Die Beantwortung
dieser Frage hat mich schon lange gereizt. Deshalb habe ich alle
Partien genauer unter die Lupe genommen und auch kommentiert. Diese
kommentierten Partien werde ich sporadisch hier ins Forum stellen.
Wie immer wäre ich für Anregungen und Verbesserungsvorschläge
aus der Community dankbar.
Bisher publizierte Partien01)
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http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=50252Freundliche Grüsse
Kurt
Stellung nach 11...b5 (Schwarz hat bequemen Ausgleich)
Stellung nach 19...e3 (Weiss kämpft erfolgreich um den Ausgleich)
Stellung bevor 24.Dxc2?! statt 24.Dxe7! mit weissem Vorteil
Schluss-Stellung (1/2-1/2)
Nachspielbare PGN
Event:
Ort:
Datum:
Weiss:
Schwarz:
Ergebnis
Board
Kommentierte Partie[Event "m"]
[Site "New York"]
[Date "1909.06.16"]
[Round "14"]
[White "Capablanca, Jose"]
[Black "Marshall, Frank"]
[Result "1/2-1/2"]
[ECO "C74"]
[EventDate "1909.06.16"]
[PlyCount "61"]
[Annotator "Utzinger,K"]
[Spielstand "10,0-4,0"]
1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 a6
{Nach seinen schlechten Erfahrungen in diesem Match mit 3...f5 besinnt
sich Marshall auf eine solidere Spielweise.}
4. Ba4 d6 5. c3 f5 6. exf5 Bxf5 7. d4
{Heutzutage ist 7.0-0 die am meisten bevorzugte Fortsetzung.}
7. ... e4 8. Qe2
{Eine gute Alternative ist 8.Sg5 }
8. ... Be7 9. Nfd2 Nf6 10. h3
{?! Diese Prophylaxe erweist sich als unnoetig, weshalb 10.f3 als
besser gilt.}
10. ... d5
{Nun steht es mit =+ gar leicht besser fuer Schwarz.}
11. Nf1 b5 12. Bc2 Na5
{Nichts sprach natuerlich auch gegen die kurze Rochade, im Gegenteil
macht das gar einen logischeren Eindruck, weil damit der schwarze
Entwicklungsvorsprung betont worden waere.}
13. Ne3
{Entwicklung mit Angriff auf den Lf5 und Ueberdeckung des Feldes c4.}
13. ... Bg6 14. Nd2 O-O 15. b4
{Zwingt den Springer zurueck nach c6 oder leitet einen Springertausch
in die Wege.}
15. ... Nc4 16. Ndxc4 dxc4
{?! Im typisch optimistischen Marshall-Stil gespielt, ansonsten das
Schlagen mit dem anderen Bauer 16...bxc4 positionell gesuender
aussieht. Zwar stimmt es, dass mit dem Textzug dem schwarzen Ross das
Feld d5 zur Verfuegung steht, doch hat die Verzettelung der
Bauernstruktur den gewichtigeren Nachteil, dass der e4-Bauer schwach
bleibt.}
17. a4 Nd5
{?! Eine aktive Fortsetzung, deren Ausgang schwierig zu berechnen war.
Einfach 17...c6 war eine gute Alternative.}
18. Nxd5
{Keinen Vorteil fuer Weiss ergibt der Zwischentausch auf b5.}
18. ... Qxd5 19. axb5 e3
{Vor die Wahl gestellt zwischen dem einfachen 19...axb5 und dem
schaerferen Textzug, entscheidet sich Marshall seinem Stil
entsprechend fuer die kompliziertere Variante; nun ist der Bauer g2
angegriffen. }
20. O-O
{Erzwungen, aber gut genug.}
20. ... Rxf2
{?! Ein Ungenauigkeit, die mit 20...Lxc2, 21.Dxc2 exf2+, 22.Txf2 Txf2,
23.Dxf2 axb5, 24.Txa8 Dxa8 und vollstaendigem Ausgleich haette
vermieden werden koennen. }
21. Rxf2 exf2+ 22. Qxf2 Rf8
( 22. ... Bxc2 23. Qxc2 axb5 24. Rxa8+ Qxa8 {war praeziser und haette
den Ausgleich wiederum hergestellt } )
23. Qe2
{! Ein starker Zwischenzug, der Dxe7 oder Lxg6 droht, und von Marshall
vielleicht uebersehen worden war. }
23. ... Bxc2 24. Qxc2
{?! Unbegreiflich, denn mit 24.Dxe7 war es moeglich, den Gegner noch
lange zu plagen und ihn damit fuer seine Ungenauigkeit zu "bestrafen".
Nach dem Textzug besitzt wiederum Schwarz ein ganz leichtes Plus. }
24. ... axb5 25. Be3 Bd6
{Schwarz hat eine im Zentrum aktiv stehende Dame und den besseren
Laeufer, was dem Schwarzen einen geringen Vorteil einraeumt. Die
symmetrische Bauernstellung, die offenen Linien, die fehlenden
Schwaechen und das auf dem Brett verbliebene wenige Material machen es
allerdings sehr schwierig, diesen Vorteil auszubauen. }
26. Bf2 Qg5
{Das hat den Nachteil, dass sich nun die weisse auf e4 stark im
Zentrum niederlassen kann. }
27. Qe4 h6 28. Re1 Rxf2
{Nun ist es Marshall, der die Notbremse zieht und die Abwicklung ins
Remis sucht.}
29. Kxf2 Bg3+ 30. Kg1 Bxe1 31. Qxe1 1/2-1/2