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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / The World vs. Varuzhan Akobian 2012
- - By Thomas Hall Date 2013-01-31 20:29
Liebe Schachfreunde,

Letztes Jahr habe ich mit Erfolg an der Partie Welt-Akobian
teilgenommen und mir gedacht, dass ich diese einmal in Form eines
Artikels vorstelle.

Viel Spass,
Thomas
__________________________

Die Partie The World vs. Varuzhan Akobian 2012 war instruktiv.

Das Welt-Team der Internet-Nutzer der Seite www.chessgames.com
("die Welt") spielte letztes Jahr, vom 1. August bis zum 27. Dezember,
gegen den Großmeister Varuzhan Akobian eine bemerkenswerte Partie.

Die Eröffnung war die Caro-Kann Vorstoßvariante (B12). Die Welt
hatte die weißen Steine und das Spiel verlief so:

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board

Man kann zurecht behaupten, dass diese Partie eine Aussage macht:

Die Beherrschung des Raumes, erzielt durch einige entscheidende
Züge in der Eröffnung, kann zum Gewinn ausreichen.


Dieser Beitrag will die Gründe und die Auswirkung dieser
Raumbeherrschung untersuchen.

Nach 6... Lg6 sehen wir folgende Stellung:


Schwarz hat gerade den Läufer f5 nach g6 gezogen, um den Springer
g8 über e7 auf eben dieses Feld f5 ziehen zu können.

Nun gibt es aber im Schach eine Regel, die besagt, dass es nicht
ratsam ist, in der Eröffnung eine Figur ohne Aufstellung einer
neuen Drohung zweimal zu ziehen.

Obwohl Schwarz nichts Neues drohte, als er den Läufer nach g6
zog, ist dieses Manöver unter einigen Großmeistern immer noch
beliebt. Wenn man sich die für Schwarz erfolgreichen Partien
ansieht, stellt man fest, dass Schwarz keine Probleme hat, seine
Figuren auf dem Damenflügel zu mobilisieren, besonders den
Springer d7. Schwarz kann das entweder durch Vorrücken des Bauern
c6 nach c5 erreichen oder durch das Nehmen eines Bauern auf c4.
Und ist erst einmal die schwarze Stellung offen, dann werden die
schwarzen Figuren zur Verwirrung des Gegners mit lebhaften Spiel
glänzen. Aber die Voraussetzung für diese Manöver ist die
Bereitschaft von Weiß, da mitzuspielen.

Das Welt-Team hatte nach alternativen Methoden Ausschau
gehalten und das Vorrücken des a-Bauern erhielt schnell
Unterstützung.

Man begründete dieses Vorrücken zweifach: Erstens wollte man Raum
auf dem Damenflügel gewinnen und zweitens die lange Rochade für
Schwarz erschweren. Aber es stellte sich heraus, dass dieser
Bauer etwas Wichtigeres erreicht hatte, als er auf a5 angekommen
war:

Er half, den Springer d7 zu behindern, denn die strategischen
Felder b6 und c5, die für die weitere Entwicklung von Schwarz
nötig waren, wurden jetzt teilweise von Weiß kontrolliert. Und da
diese Kontrolle durch Bauern ausgeführt wurde, war diese speziell
gegen die feindlichen Figuren gerichtet.

Nach 9... h6 sehen wir die folgende Stellung:


Der letzte Zug von Schwarz demonstrierte bereits Entwicklungs-
probleme, weil der weitaus natürlichere Zug 9... Le7 gewesen
wäre, um die kurze Rochade vorzubereiten. Aber nach dem
Antwortzug 10. g4, der den Springer f5 angreift, wird dieser
Springer zum Zug nach h4 gezwungen, weil ein konservativer
Rückzug nach e7 nicht mehr möglich ist. Und dann würde Weiß die
Springer abtauschen und mit dem darauffolgenden Zug f4 Raum auf
dem Königsflügel gewinnen und den Läufer g6 angreifen. Deswegen
erwartete das Welt-Team, dass 9... h6 die Vorbereitung zu
10... Lh7 war, um so den Läufer vor einer möglichen
Bauernattacke abzuschirmen und 11... Le7 zu ermöglichen. Aber
das passierte nicht, nach dem Zug 10. Sbd2 von Weiß spielte
Schwarz 10... Le7 und ermöglichte so das beschriebene Manöver,
mit dem Weiß Raum gewann und praktisch 13... f5 erzwang. In der
Folge teilte die lange Bauernkette b2 - e5 nicht nur das Brett
und sorgte für weißen Entwicklungsraum auf dem Königsflügel,
sondern kontollierte auch fast die ganze Diagonale a3 - f8, mit
der Ausnahme von e7 und f8. Ferner erlaubte sie auch das
Vorrücken des f- unf g-Bauern, die zusammen eine Bauernwalze
bilden. Und die ganze Zeit über war es Schwarz unmöglich, zu
rochieren.

Nach 22... Kg8 sehen wir folgende Stellung:


Die bereits ziemlich beengte Stellung von Schwarz verringerte
drastisch seine Möglichkeiten und machte das Spiel für Weiß
leichter. Das ist hier schon ziemlich extrem sichtbar. Es gibt
eine "Zugschablone", ein sehr seltenes Phänomen im Schach. Das
bedeutet, dass eine Seite, hier Weiß, eine vorausbestimmte
Zugreihenfolge hat, in der die jeweiligen Antwortzüge von Schwarz
irrelevant sind.

Die Welt wollte den Damanflügelturm so schnell wie möglich zum
Königsflügel transferieren und zudem Turm g1 für den bereits
stattfindenden Königsangriff vorbereiten und hätte das wie folgt
tun können:

23. Ld2 ein Zug 24. Taf1 ein Zug 25. Tg2 ein Zug

ein Zug meint hier irgendeinen Zug von Schwarz, egal welchen,
die Serie wäre fortgesetzt worden! Die Existenz einer solchen
Zugschablone war einer der Gründe, warum 19. h3 so stark war,
ausserdem war schon nicht mehr von Bedeutung, welchen Zug Schwarz
danach gewählt hatte, 20. Se3 wäre in jedem Falle der Zug der
Wahl gewesen! Hier können wir also feststellen, dass Schwarz nur
schwache Züge hat, während Weiß konsequent seine Figuren
entwickeln kann.

Im Spiel entschied sich das Team dafür, den Turm anders zu
überführen, weil Weiß mit dem Zug 23. b4 gleichzeitig den
Damenflügel stilllegen konnte. Schon vor diesem Zug waren die
Möglichkeiten des Schwarzen auf dem Damenflügel eingeschränkt und
ineffektiv, aber dieser weitsichtige Bauernvorstoß hatte noch
andere Folgen, wie sich später herausstellte.

Man kann sehr gut die Intensivierung des Raummangels von Schwarz
an folgender Stellung nach 25... Bh4 sehen:


Die massiv eingeengte Position von Schwarz zeigt an, dass sein
zur Verfügung stehender Manövrierraum auf die letzten beiden
Reihen und 2 Felder der drittletzen Reihe geschrumpft ist. Nur
die Diagonale h4 - d8 erlaubt es seinem Läufer, einen Blick ins
feindliche Lager zu werfen.

Aber sogar in dieser ausgesprochen düsteren Lage hatte Schwarz
noch einen letzten Hoffnungsschimmer, ein Remis zu erreichen: Er
konnte Weiß verführen, ihm die Konstruktion einer Blockadestel-
lung zu erlauben!

Nach den Zügen

26. Rh2 Bg3 27. Rh3 Bxf4 28. Rhf3 g5 29. Ng2 Qh7 30. Qxh7+ Kxh7
31. Bxf4 Kg7 32. Bd2 Rxf3 33. Rxf3 Rf8 34. Rxf8 Nxf8


hätte Schwarz diese Stellung erreicht:


Obwohl Weiß eine Mehrfigur im Vergleich zum Mehrbauern des
Schwarzen hat, kann das Team keinen echten Fortschritt erzielen,
denn Schwarz kontrolliert die Schlüsselfelder g6 unf g5, und f4
und h4. Und der Springer f8 wäre schnell genug auf d7, um einen
möglichen weißen Springer auf c5 abzutauschen.

Also können wir hier feststellen, dass auch die Seite mit Raum-
und sogar Materialvorteil immer noch aufpassen muss, denn die
andere Seite kann vielleicht sozusagen die Türe schliessen. Und
dann sind alle Anstrengungen und erreichten Vorteile vergeblich
gewesen und das Remis ist unvermeidlich.

Eine Blockade ist einer Festung im Endspiel sehr ähnlich, aber
kann bedeutend früher auftreten. In unserem Falle hätte auch der
bessere Zug 30. Lxf4 es nicht erleichtert, eine solche Stellung
zu vermeiden. Glücklicherweise konnte die Welt 26. Tf3 ziehen
und damit den Läufer zum Rückzug bewegen, weil das Feld g3 dieser
Figur nun versperrt war. Aber das war nicht Glück allein, denn
schon als man 23. b4 spielte und so den Damenflügel zumachte,
hatte das Welt-Team mögliche Wege in eine Blöckade untersucht,
und andere Routen wurden später entdeckt, aber immer noch früh
genug, um diese zu vermeiden.

Die Möglichkeiten von Schwarz waren also so beschränkt, dass er
die folgende lehrbuchhafte Angriffsposition von Weiß nach 31...
Sh7
nicht verhindern konnte:


Alle weißen Figuren hatten ihre optimalen Positionen sehr
effektiv erreicht, und nun dominiert die weiße Dame das Zentrum,
wobei sie gleichzeitig das Schlüsselfeld h7 angreift und f1
verteidigt. Der Springer, der über f1 nach g3 kam, schaut nach h5
und ist begierig darauf, Bauer f5 zu ersetzen. Die weißen Türme
bilden eine Batterie, die auf h6 zielt, genau wie der Läufer c1
auf h6 zielt, eine Figur, die noch nicht einmal gezogen hat und
so ein Zeuge des effektiven Aufbaus der weißen Angriffsposition
ist.

Diese Stellung war so stark, dass Schwarz nur 3 Züge später
aufgab.

Bevor die Welt den letzten Zug ausführte, war diese Position
erreicht worden:


Hier stimmte das Team mit Mehrheit für 35. Sd6, die offensicht-
liche Wahl, und Schwarz gab auf, weil er die Qualität geben
musste, um das Matt noch hinauszuzögern.

Ein anderer Zug wäre thematischer gewesen und hätte vielleicht zu
einem schnelleren Matt geführt, nämlich 35. Lf4.

Nach den plausiblen Zügen 35. Bf4 Rac7 36. Rh6 Rcd7 37. Bd2
erscheint diese Stellung:


Schwarz am Zug.

Wenn wir die Aufgaben der schwarzen Figuren betrachten, sehen
wir, dass die Dame g6 bewachen muss, der Läufer hauptsächlich h4
bewacht, um zu verhindern, dass dort ein weißer Springer
auftaucht, und dass Springer h7 gefesselt ist und beide schwarzen
Türme auch nicht viele Felder haben, auf die sie ziehen können.

Also hat Schwarz hier nur nachteilige Züge (wie 37... c5, der
einen Bauern hergibt) und Züge, die ihn so gerade im Spiel
halten, aber nicht seine Situation verbessern.

Das könnte man als milden Zugzwang beschreiben. Reiner Zugzwang
bedeutet, dass der betroffene Spieler nur nachteilige Züge hat,
die seine Stellung verschlechtern. Aber hier hat Schwarz auch
andere Züge, die seine Stellung zwar nicht verschlechtern, aber
auch nicht verbessern und ihm damit kein konstruktives Spiel
erlauben.

Das ist alles eine Folge der massiv beengten Stellung, die
speziell nach dem Zug 23. b4 auftrat. Es ist diese Art der
Verweigerung der Konstruktivität, die es der Welt erlaubte,
ungestraft ihre Figuren zum Angriff umzukonfigurieren und es
jetzt erlaubt, einen leichten Weg zum Matt einzuschlagen.

Statt der einfachen Zugzwangsituation, die in der Literatur
beschrieben ist, erzählt diese Partie von Zugzwangstufen, alle
verursacht durch den laufend abnehmenden Raum, der den Manövern
des Schwarzen zur Verfügung stand. Denn genau wie im echten
Zugzwang war Schwarz so gezwungen, Weiß zu helfen, also ist es
durchaus berechtigt, hier von einer milden Form des Zugzwangs zu
sprechen.

Nur 3 Ungenauigkeiten verursachten die Spirale zum Schachmatt:

Erstens 6... Lg6 (anstatt 6... Se7) vergeudete ein Tempo
und ließ damit das Vorrücken des a-Bauern zu,

zweitens 10... Le7 (anstatt 10... Lh7) erlaubte die weiße
Bauernwalze und damit den Raumgewinn auf dem Königsflügel

und

drittens 18... Df7 (statt 18... fxg4) ermöglichte es Weiß,
mit 19. h3 eine weiße Turmbatterie auf der dann offenen
h-Linie aufzubauen, als Schwarz den g-Bauern nahm.

Die erwähnten Ungenauigkeiten gestatteten eine sehr elegante
Partie, die die Macht der Beherrschung des Raumes demonstrierte.
Aber die Welt hatte Varianten analysiert, die auch bei einem
anderen Aufbau von Schwarz zum Sieg geführt hätten.

Nur das Matt wäre hinausgezögert worden.
Parent - - By Thomas Müller Date 2013-01-31 20:37
WOW!
Das ist ja mal eine analyse und bericht!
Sehr schön, vielen dank.
Muss ich mir aber mit mehr zeit in ruhe anschauen.

gruß thomas
Parent - - By Kurt Utzinger Date 2013-02-02 10:45
[quote="Thomas Müller"]
WOW!
Das ist ja mal eine analyse und bericht!
Sehr schön, vielen dank.
Muss ich mir aber mit mehr zeit in ruhe anschauen.

gruß thomas
[/quote]

... diesem Lob schliesse ich mich gerne an. Solche Dinge sieht man [leider] viel
zu selten bis fast gar nie hier in diesem Forum.
Mfg, Kurt
Parent - By Peter Krug Date 2013-02-02 11:23
hallo Kurt,

nicht nur in diesem forum, ich würde sagen nirgendswo mehr.

Seit dem der Computer über Menschen die Herrschaft übernommen hat,
sind die Menschen passiv geworden.

Peter
Parent - - By Peter Krug Date 2013-01-31 20:48
hallo Thomas,

schon wieder mal etwas von dir zu lesen, und dann gleich eine
solche Hammeranalyse!

Das ist Jausenpaket für ein ganzes Monat!

Peter
Parent - - By Thomas Hall Date 2013-01-31 21:38 Edited 2013-01-31 21:41
Hallo Peter,

Ja, jetzt weißt Du, womit ich in der letzten Zeit stark beschäftigt
war, ich hätte auch eine PGN mit ziemlich vielen Untervarianten
erstellen können, aber ich wollte einmal etwas anderes versuchen,
nämlich die Punkte herauszustellen, die mir bei der Analyse schon
im letzten Jahr aufgefallen waren.

Und da bietet diese Partie schon Einiges, was man ihr auf den
ersten Blick nicht ansieht.

Insbesondere hatte ich bisher das positionelle Spiel unterschätzt,
das leider von den heutigen Engines so gut wie fast ignoriert wird,
muss ich so feststellen. Denn in dieser Partie waren natürlich
Rechner als Hilfsmittel erlaubt, wenn man aber überprüft, welche
der Züge der Welt von Engines gefunden werden, wird man schnell
enttäuscht. Akobian hatte mit 9... c4? gerechnet, der Rechnerzug,
der auch schon in Großmeisterpartien auftrat. Aber die Welt hatte
sich für 9... c3! entschieden, ein Zug, der auf Großmeisterniveau
neu war. Aber dieser Zug leitete das geschlossene Spiel ein, das
der Welt am Ende den Sieg brachte. Keine Engine mit Ausnahme von
Stockfish hatte diesen Zug gefunden, aber da war die Rechentiefe
auch schon 42 oder 43 Halbzüge. Nun ja.

Hier zeigt sich schon, dass die Bauern die Seele des Schachs sind,
wie Philidor so treffend feststellte.

Übrigens von meiner Seite noch herzlichen Glückwunsch für
Deine gewonnenen Preise, es freut mich immer sehr, so etwas
über Dich zu lesen.

Alles Gute,
Thomas
Parent - - By Peter Krug Date 2013-02-02 10:28
hallo Thomas,

du hast das sicherlich auch auf pgn.

ich weiss es aus erfahrung: heutzutage machen sich nur sehr wenige die
mühe partien zu kommentieren.

wenn du meine email noch weisst, bitte schicke mir diese analyse
mitsamt der unteranalysen.

danke Peter
Parent - By Thomas Hall Date 2013-02-02 20:19
Hallo Peter,

Ich hoffe, Du haste meine Mail bekommen.

Grüße,
Thomas.
Parent - By Thomas Müller Date 2013-01-31 21:15
noch die pgn zum copy & paste....

[Event "Chessgames Challenge"]
[Site "chessgames.com"]
[Date "2012.08.01"]
[EventDate "2012.08.01"]
[Round "2"]
[Result "1-0"]
[White "The World"]
[Black "Varuzhan Akobian"]
[ECO "B12"]

1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Bf5 4.Nf3 e6 5.Be2 Nd7 6.O-O Bg6 7.a4 Ne7
8.a5 Nf5 9.c3 h6 10.Nbd2 Be7 11.g4 Nh4 12.Nxh4 Bxh4 13.f4 f5
14.Bd3 O-O 15.Kh1 Qe8 16.Qc2 Kh7 17.Rg1 Be7 18.Nf1 Qf7 19.h3 b5
20.Ne3 fxg4 21.hxg4 Bxd3 22.Qxd3+ Kg8 23.b4 Bd8 24.Rf1 a6 25.Ra2
Bh4 26.Rf3 Qe8 27.Rh2 Bd8 28.Nf1 Rf7 29.Rfh3 Nf8 30.f5 Raa7
31.Ng3 Nh7 32.fxe6 Qxe6 33.Nf5 Kh8 34.Bxh6 g6 35.Nd6 1-0
Parent - - By Peter Martan Date 2013-02-01 08:48
Hallo Thomas!
Ein Hammerposting und ein echter Hall, kann ich nur sagen.

Du weißt ja, wie und wo ich mich bei der Partie zeitweise skeptisch zu der Art von Teamspiel dir gegenüber gezeigt habe, was meine eigene Fähigkeit angeht, bei so etwas mitzuarbeiten, dennoch oder gerade deshalb bin ich immer wieder beeindruckt, wie "wir" () mit Weiß hier einem gestandenen Großmeister den ganzen Punkt in einer wirklich schönen Partie abgenommen haben.
Akobian selbst hat sich ja auch sehr lobend geäußert und es ist ein weiterer schöner Erfolg dieses Chessgames- Weltteams in einer unerreichten Partieserie gegen wirklich namhafte Spieler.

Was das Geheimnis dieses Teams sein mag, an dem ich da zum ersten Mal am Rande mitmachen durfte:
Einige wirklich gute Fernschachspieler, die wirklich gut mit ihren engines und den Datenbanken umgehen können und vor Allem auch Eines, zusammenarbeiten über Foren und Email im Erstellen und Bewerten von gemeinsamen Varianten.
Wer es verfolgt hat und deinen Nick auf chessgames.com kennt, weiß, wie groß dein Anteil an der Analysearbeit und an Einfluss beim Abstimmen war.
Ich glaube man kann dir und eine paar Anderen eine persönliche Gratulation zum Gewinn ruhig auch aussprechen, du hast dich da wirklich auch an einer der federführenden Stellen verdient gemacht. Schade eigentlich, dass man diese Leute ja sonst gar nicht persönlich nennen kann, weil sie nur ihre Nicks veröffentlichen wollen.
Ich habe im Kibitzer's Corner praktisch nichts gepostet und auch nur sporadisch abgestimmt, war also nur ein registrierter Mitläufer mit ein paar engine- Varianten per Mail, weil mir die Arbeit in den foren viel zu viel gewesen wäre, mitgefiebert habe ich zeitweise dennoch schon auch, wie du weißt.


Zum posting, dass ich mir natürlich erst mal noch im Detail genauer anschauen muss, jetzt mal nur noch kurz das:
Auf das 9...h6 gehst du ja ein, würdest du aber nicht auch zusammenfassend einfach sagen, wie du es von mir per Mail ja schon kennst, dass diese Neuerung von Akobian wahrscheinlich nicht mehr sehr oft aufs Brett kommen wird?
Parent - By Thomas Hall Date 2013-02-01 11:16
Danke, Peter, Du hast mir auch geholfen, wenn
ich nur daran erinnern darf, wie Du mir Doch öfters
mal gute Varianten zugemailt hast, z.B. eine, mit
der wir im Vorfeld eine Blockadestellung erkennen
und vermeiden konnten, war schon gut.

Die Zusammenarbeit im Team fördert vor allem
eines: Die Fähigkeit, eine Schachstellung nicht nur
an Hand der Computer-Eval zu beurteilen, sondern
auch danach, wie diese ins Spiel und in die
übergeordnete Sachlage passt, kurz gesagt, es fördert
das schachliche Verständnis, wenn man andere
Leute davon überzeugen will, dass man einen guten
Zug gefunden hat. Man muss ihn halt erklären können.
Eine gute Engine-Bewertung hilft, aber das ist nicht
alles, denn andere Stellungen und Züge werden auch
gut oder vielleicht sogar besser bewertet.

Un zu 9... h6 kann ich nur sagen, das war eine
Verlegenheitsantwort, er kam mit unserer Quasi-Neuerung
9. c3! nicht klar, und wie sich die ganze Karo-Cann-
Eröffnung in Zukunft entwickeln wird, ist auch noch unklar.

Eines steht aber schon jetzt fest, ich habe mittlerweile
dort soviele Varianten analysiert, dass ich glaube, dass
bei bestem Spiel von Weiß Schwarz immer Mühe haben
wird, hier einen Ausgleich zu erzielen. Man muss es
abwarten.

Grüße,
Thomas
Parent - - By Timo Schneider Date 2013-02-01 17:52
Planet Erde gegen Varuzhan Akobian (2012)
------------------------------------------
1. e4 c6 2. d4 d5 3. e5 Bf5 4. Nf3 e6 5. Be2 Nd7 6. O-O Bg6 7. a4 Ne7 8. a5 Nf5 9. c3 h6 10. Nbd2 Be7 11. g4 Nh4 12. Nxh4 Bxh4 13. f4 f5 14. Bd3 O-O 15. Kh1 Qe8 16. Qc2 Kh7 17. Rg1 Be7 18. Nf1 Qf7 19. h3 b5 20. Ne3 fxg4 21. hxg4 Bxd3 22. Qxd3+ Kg8 23. b4 Bd8 24. Rf1 a6 25. Ra2 Bh4 26. Rf3 Qe8 27. Rh2 Bd8 28. Nf1 Rf7 29. Rfh3 Nf8 30. f5 Raa7 31. Ng3 Nh7 32. fxe6 Qxe6 33. Nf5 Kh8 34. Bxh6 g6 35. Nd6 1-0

Strategisch sauber gespielt von Weiß. Der Sieg war vollauf verdient.

Hauptproblem des Schwarzen in der Eröffnung war offenbar die Entwicklung des Königsflügels. Mangels Alternativen blieb für den Lf8 nur e7 als vernünftiges Entwicklungsfeld. Durch diese Pforte musste aber auch der Ng8 gehen, mit der Folge Nf5, um dann letztlich dem Läufer Platz zu machen. Diesen doch sehr gekünstelten Aufbau am Königsflügel konnte Weiß quensekont ausbeuten per 11. g4 Nh4 12. Nxh4 Bxh4 13. f4 mit nachfolgendem Bauernsturm, der wegen des schwarzen Entwicklungsrückstands und Raummangels (stark verminderte Manövrierfähigkeit der schwarzen Truppe) praktisch schon entscheidend war.

Ich halte spätestens die Stellung ab 10...Be7 für verloren. Vermutlich ist aber schon 5...Nd7 krank, auch wenn ihn viele spielen, und zeugt zudem von einem mangelndem Positionsgefühl. Es sollte eigentlich klar sein, dass Schwarz schnellstmöglich c5 mit Drucksteigerung auf d4 anstreben muss. Nd7 ist nun mal ziemlich ungeeignet hierfür, zumal dieser Springer ohne c5 dxc5 überhaupt keine Perspektiven hat (Sb6 mit dem Ziel Sc4 sieht nicht gerade erstrebenswert aus).    

Vermutlich hat Schwarz die ganze Zeit auf die übliche, jedoch unsinnige Zentrumsöffnung mit c4 gehofft, wie sie so häufig von taktisch geprägten Spielern angestrebt wird, die hoffen, im kommenden Handgemenge den entscheidenden Schlag anbringen zu können. Diese Vorgehensweise ist jedoch strategisch falsch, da Schwarz damit unnötig Gelegenheit erhält, seine unangenehm beengte Stellung zu befreien, zumal oftmals -falls dxc4 ohne gewichtige Konzessionen möglich ist- auch der strategische Stützpunkt d5 für Schwarz dabei abfällt.

Ich denke, dies war ein ziemlich starker Denkzettel für Schwarz. Er wird diesen verqueren Aufbau wohl ad acta legen und vielleicht zum deutlich energischeren 5. Be2 c5 wechseln.

timosh
Parent - - By Kurt Utzinger Date 2013-02-02 10:59
[quote="Timo Schneider"]
Planet Erde gegen Varuzhan Akobian (2012)
------------------------------------------
1. e4 c6 2. d4 d5 3. e5 Bf5 4. Nf3 e6 5. Be2 Nd7 6. O-O Bg6 7. a4 Ne7 8. a5 Nf5 9. c3 h6 10. Nbd2 Be7 11. g4 Nh4 12. Nxh4 Bxh4 13. f4 f5 14. Bd3 O-O 15. Kh1 Qe8 16. Qc2 Kh7 17. Rg1 Be7 18. Nf1 Qf7 19. h3 b5 20. Ne3 fxg4 21. hxg4 Bxd3 22. Qxd3+ Kg8 23. b4 Bd8 24. Rf1 a6 25. Ra2 Bh4 26. Rf3 Qe8 27. Rh2 Bd8 28. Nf1 Rf7 29. Rfh3 Nf8 30. f5 Raa7 31. Ng3 Nh7 32. fxe6 Qxe6 33. Nf5 Kh8 34. Bxh6 g6 35. Nd6 1-0

Strategisch sauber gespielt von Weiß. Der Sieg war vollauf verdient.

Hauptproblem des Schwarzen in der Eröffnung war offenbar die Entwicklung des Königsflügels. Mangels Alternativen blieb für den Lf8 nur e7 als vernünftiges Entwicklungsfeld. Durch diese Pforte musste aber auch der Ng8 gehen, mit der Folge Nf5, um dann letztlich dem Läufer Platz zu machen. Diesen doch sehr gekünstelten Aufbau am Königsflügel konnte Weiß quensekont ausbeuten per 11. g4 Nh4 12. Nxh4 Bxh4 13. f4 mit nachfolgendem Bauernsturm, der wegen des schwarzen Entwicklungsrückstands und Raummangels (stark verminderte Manövrierfähigkeit der schwarzen Truppe) praktisch schon entscheidend war.

Ich halte spätestens die Stellung ab 10...Be7 für verloren. Vermutlich ist aber schon 5...Nd7 krank, auch wenn ihn viele spielen, und zeugt zudem von einem mangelndem Positionsgefühl. Es sollte eigentlich klar sein, dass Schwarz schnellstmöglich c5 mit Drucksteigerung auf d4 anstreben muss. Nd7 ist nun mal ziemlich ungeeignet hierfür, zumal dieser Springer ohne c5 dxc5 überhaupt keine Perspektiven hat (Sb6 mit dem Ziel Sc4 sieht nicht gerade erstrebenswert aus).    

Vermutlich hat Schwarz die ganze Zeit auf die übliche, jedoch unsinnige Zentrumsöffnung mit c4 gehofft, wie sie so häufig von taktisch geprägten Spielern angestrebt wird, die hoffen, im kommenden Handgemenge den entscheidenden Schlag anbringen zu können. Diese Vorgehensweise ist jedoch strategisch falsch, da Schwarz damit unnötig Gelegenheit erhält, seine unangenehm beengte Stellung zu befreien, zumal oftmals -falls dxc4 ohne gewichtige Konzessionen möglich ist- auch der strategische Stützpunkt d5 für Schwarz dabei abfällt.

Ich denke, dies war ein ziemlich starker Denkzettel für Schwarz. Er wird diesen verqueren Aufbau wohl ad acta legen und vielleicht zum deutlich energischeren 5. Be2 c5 wechseln.

timosh
[/quote]

Hallo Timo
Wenn sich Schwarz schon zu dem m.E. etwas [zu] passiven 5...Sd7 entscheidet, dann war
es aber angezeigt, auf 7...Se7 (?!) zu verzichten, und dem raumgreifenden 7.a4 mit der
Antwort 7...a5 zu begegnen, was in vielen Abspielen dem Schwarzen die wichtige
Möglichkeit eröffnet hätte, Sd7-b6 zu spielen.
Mfg
Kurt
Parent - By Thomas Hall Date 2013-02-02 20:24
Hallo Kurt,

Auch 7...a5 hätte Weiß ein schönes Spiel beschert,
z.B.:

[Event "Caro-Kann Analyse"]
[Site "*"]
[Date "2013.02.02"]
[Round "*"]
[White "Weiß"]
[Black "Schwarz"]
[Result "*"]
[ECO "B12"]

1. e4 c6 2. d4 d5 3. e5 Bf5 4. Nf3 e6 5. Be2 Nd7 6. O-O Bg6 7. a4
a5 8. Nbd2 Nh6 9. Nb3 Nf5 10. Bd2 h6 11. c4 dxc4 12. Bxc4 Bh5 13.
Re1 Be7 14. h3 Bg6 15. Bd3 O-O 16. Bc3 Qb6 17. Nbd2 Qa7 18. Nc4
Nb6 19. Nxa5

ergibt folgende Stellung:

Weiß hat schon einen Bauern gewonnen.

Aber im Prinzip hast Du recht, 7... a5 war besser, ob es zum
Remis reicht, ist aber nicht sicher. Das Grundproblem im
Caro-Kann ist der schlechte schwarze Damenläufer, mit dem kann
Schwarz eigentlich nichts Besseres machen, als ihn so schnell wie
möglich abzutauschen, aber Weiß läßt das meist nicht zu, wenn er
klug ist.

Grüße,
Thomas
Parent - By Thomas Hall Date 2013-02-02 20:22
Hallo Timo,

Ich muss Dir zustimmen, ich hatte die Stellung ab 10... Be7 auch
schon als für Schwarz verloren analysiert, obwohl einige Team-
Mitglieder das als für zu optimistisch hielten.

Aber auch nach 5... c5 hat Weiß meines Erachtens ein schönes
Spiel, z.B. nach den Zügen:

1. e4 c6 2. d4 d5 3. e5 Bf5 4. Nf3 e6 5. Be2 c5 6. Be3

sieht man folgende Stellung:



Und wenn jetzt Schwarz auf die Idee kommt, mit 6... Db6 den
c-Bauern zu decken (was durchaus auf Großmeisterniveau schon
vorgekommen ist), bleibt ihm nach den Zügen

7. Nc3 Nc6 8. O-O

eigentlich nichts Anderes übrig, als den vergifteten Bauern b2 zu
verspeisen, und was dann passieren kann, siehst Du hier:

[Event "Caro-Kann Analyse"]
[Site "*"]
[Date "2013.02.02"]
[Round "*"]
[White "Weiß"]
[Black "Schwarz"]
[Result "*"]
[ECO "B12"]

1. e4 c6 2. d4 d5 3. e5 Bf5 4. Nf3 e6 5. Be2 c5 6. Be3 Qb6 7. Nc3
Nc6 8. O-O Qxb2 9. Qe1 c4 10. Rb1 Qxc2 11. Rxb7 Rb8 12. Rxb8+
Nxb8 13. Qa1 Bb4 14. Rb1 Bxc3 15. Rxb8+ Kd7 16. Qf1 Qxa2 17. Qc1
Kc7 18. Qxc3 Kxb8 19. Qb4+ Kc7 20. Qd6+ Kb7 21. Qd7+ Kb6 22. Nd2
Qc2 23. h3 Nh6 24. Nxc4+ dxc4 25. d5+ Ka5 26. Qxa7+ Kb5 27. Qb6+
Ka4 28. Qc6+ Kb4 29. Qc5+ Ka4 30. Bxc4 Rb8 31. Qa7+ Kb4 32. Qxb8+
Kxc4 33. d6 {und Schwarz kann aufgeben}

Tja, auch andere Züge nach 5... c5 sehen für Schwarz nicht so
rosig aus, was wohl der eigentliche Grund dafür ist, dass in
letzten Jahren 5... Sd7 in Mode gekommen ist.

Grüße,
Thomas
Parent - - By Timo Schneider Date 2013-02-01 18:42 Edited 2013-02-01 20:19
wie ich sehe, läuft gerade eine interessante Fernpartie zweier mittelstarker Spieler mit genau derselben Variante

http://www.iccf-webchess.com/MakeAMove.aspx?id=366125

timosh
Parent - By Michael Huber Date 2013-02-01 19:22
Na, ich würde ja eher sagen zwei starke Fernschachspieler 
Parent - By Tobias Lagemann Date 2013-02-03 12:21
Hallo Timo,

na ja, "genau" die selbe Variante ist das ja nun nicht.

Gruß
Tobias
Parent - - By Ludwig Buergin Date 2013-02-02 10:00
Hallo Thomas

Um eine so umfangreiche und präziese Analyse über den Verlauf eines  Spieles zu Erstellen,bedarf es vorderhand das dazu nötige Wissen,aber auch Zeit und Freude an der Sache  muss vorhanden sein.Von mir ein grosses Lob und Gratulation zu Deiner Arbeit.
. Als nur Computerschächer stehen bei mir die Fragen zum Spiel im Vordergrund,aus welcher Überlegung der Schwarzspieler mit 1...c6 das Spiel begonnen hat.Im Maschinenraum wird das kaum oder garnicht mehr mangels Erfolgsaussichten gespielt.
.Ab etwa dem 20sten Zuge hatte Schwarz scheinbar jegliches Interesse an dem weiteren Verlauf des Spieles verloren,selbst durchaus brauchbare Enginezüge nicht mehr berücksichtigt,und wollte offensichtlich das Spiel möglichst schnell zu Ende bringen.
.Das soll aber bei weitem nicht die Leistung der Weissspieler schmählern.

Gruß Ludwig
Parent - - By Thomas Hall Date 2013-02-02 20:28
Hallo Ludwig,

Du hast schon recht, ich habe schon eine besondere Beziehung zu
dieser Partie, nicht nur, dass sie mich fünf Monate lang
beschäftgt hat, nein, es war ein Team-Erlebnis, das ist was
anderes, als wenn man alleine an irgendeiner Analyse herumbohrt.
Man muss seine Meinung kundtun und den anderern vermitteln
können, damit man eine Chance hat, seine Zugvorschläge auch
durchzubekommen. Am Ende wird abgestimmt, und da zeigt sich dann,
wer mit seinen Analysen die meisten Stimmen gewonnen hat.
Glücklicherweise konnte ich oft meinen Einfluss geltend machen,
obwohl ich neu im Team war und mich am Anfang keiner kannte.

Das hat sich aber jetzt geändert.

1... c6 kann ja im Maschinenraum ausgedient haben, vielleicht ist
das auch wirklich nicht so gut, den den Verdacht habe ich auch,
aber nicht wegen der anstehenden Taktik, sondern mehr aus
positionellen Gründen. Trotzdem wird Caro-Kann in der menschlichen
Turnierpraxis noch fleißig weiter angewandt. Wie lange noch, bleibt
abzuwarten.

Unser Gegner hatte wahrscheinlich schon vor dem 20. Zug jede
Lust an der Pertie verloren, aber er mußte einen geeigneten
Zeitpunkt abwarten, bevor er aufgeben konnte, es sollte ja auch
nicht nur den Profis klar sein, warum. In dieser Partie ging es
ja mehr oder weniger nur um die Ehre, aber gerade deswegen.

Grüße,
Thomas
Parent - - By Kurt Utzinger Date 2013-02-03 10:00
[quote="Thomas Hall"]
[...]
1... c6 kann ja im Maschinenraum ausgedient haben, vielleicht ist
das auch wirklich nicht so gut, den den Verdacht habe ich auch,
aber nicht wegen der anstehenden Taktik, sondern mehr aus
positionellen Gründen. Trotzdem wird Caro-Kann in der menschlichen
Turnierpraxis noch fleißig weiter angewandt. Wie lange noch, bleibt
abzuwarten.
[...]
Grüße,
Thomas
[/quote]

Hallo Thomas

Als ehemaliger Caro-Kann-Spieler tut es etwas weh, mitansehen
zu müssen, dass die Vorstoss-Variante 3.e5 dieser ansonsten sehr
soliden Verteidigung den Todesstoss geben könnte. Ich bin mit
der Caro-Kann aufgewachsen, als die Eröffnungsbücher von Max
Euwe noch einigermassen aktuell waren. Und dort heisst es zu
3.e5 "Dieser alte Zug wird in letzter Zeit wieder etwas mehr
angewandt, ist aber nicht besonders empfehlenswert. Der
Bauernvorstoss hat hier weniger Kraft als in der Französischen
Verteidigung, weil Schwarz seinen Damenläufer frei entwickeln
kann.
" So schnell ändern also die Urteile und Gepflogenheiten
der "besten Theoriezüge". Während heute Französisch-Spieler, auch
ich gehöre dazu, die Vorstoss-Variante kaum mehr fürchten, verhält
es sich in der Caro-Kann gerade umgekehrt. In der Variante

[Event "?"]
[Site "?"]
[Date "????.??.??"]
[Round "?"]
[White "?"]
[Black "?"]
[Result "*"]

1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Bf5 4.Nf3 e6 5.Be2
    {ist }
5...Nd7
    {einfach zu passiv }
*

so dass vielleicht nur noch folgende Variante das
Überleben des Schwarzen sicher kann

[Event "?"]
    [Site "?"]
    [Date "????.??.??"]
    [Round "?"]
    [White "?"]
    [Black "?"]
    [Result "*"]
   
    1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Bf5
        ( 3...g6 {ist nach meinem auch noch spielbar, aber das fuehrt zu
        anderen Stellungsbildern  } )
    4.Nf3 e6 5.Be2 c5
        {oder ist hier 5...Sa6!? eine unterschaetzte Alternative? }
    6.Be3 cxd4 7.Nxd4 Ne7 8.Nd2 Nbc6
        {wenngleich meines Erachtens auch hier Weiss am Drücker ist }
    *
   
Zur Zeit bleibe ich trotz allem bei Französisch oder ausnahmsweise
auch Sizilianisch, wobei ich dort den Hauptabspielen ausweiche.

Gruss
Kurt
Parent - By Thomas Hall Date 2013-02-03 20:36
Hallo Kurt,

Tja, die Zeiten ändern sich, und gerade auch durch
die Engines nimmt das Schachwissen zu, auch wenn
man sagen muss, dass sie manchmal nur zufällig auf
etwas stossen, was sich am Ende als wirklich gut
erweist. So z.B. war der Vorstoss des a-Bauern auch
von Houdini ausgerechnet worden, allerdings mit dem
Folgezug 9. c4, und er passte uns ja nicht ins Geschäft.

Nun ja, dafür passte 9. c3 um so besser.

Was nun Deine Varianten angeht, Du hast schon recht,

6.Be3 cxd4 7.Nxd4 Ne7 8.Nd2 Nbc6

überlässt auch Weiß die Initiative.

Und mit 5...Sa6!? habe ich mich noch nicht näher befasst,
aber rein positionell kommt der Springer von da aus auch
nicht gut ins Spiel, denn Weiß kann z.B. das Zugangsfeld b5,
das dieser Springer von c7 aus erreichen könnte, leicht
kontrollieren.

Mal sehen, wie lange es dauert, bis die Leute anfangen,
9. c3 zu spielen, nachdem der a-Bauer auf a5 angekommen
ist. Dem Herrn Wunderlich, der in der schon oben zitierten
Fernschachpartie die weißen Steine hat, gefiel wohl der
Bauernvorstoß 7. a4! nicht so besonders, wahrscheinlich
kannte er unsere Partie noch nicht. Man muss ja sagen, dass
dieser Zug relativ gesehen recht neu ist, er widerlegt meines
Erachtens 6... Lg6.

Grüße,
Thomas
Parent - - By Peter Krug Date 2013-02-03 12:03
eine echte Meisterpartie.
Instruktiv, sehr lehrreich. Das wäre sicherlich etwas für ein Buch!

bin begeistert
Peter
Parent - By Thomas Hall Date 2013-02-03 21:01
Danke für die Blumen, Peter, aber am Ende hat die Welt doch
etwas geschludert, man wollte einfach im letzten Jahr noch fertig
werden und hatte auf eine Aufgabe gehofft, nachdem der Springer
auf d6 stand, und so ist es ja auch gekommen.

Besser, d. h. noch schneller zum Matt hätte allerdings der Zug
31. Th5 geführt, der von den Engines nicht gefunden wird, siehe zum
Beispiel:

[Event "Chessgames Challenge, variant with 31. Rh5"]
[Site "chessgames.com"]
[Date "2012.08.01"]
[Round "2"]
[White "The World"]
[Black "Varuzhan Akobian"]
[Result "1-0"]
[ECO "B12"]
[PlyCount "107"]
[EventDate "2012.08.01"]

1. e4 c6 2. d4 d5 3. e5 Bf5 4. Nf3 e6 5. Be2 Nd7 6. O-O Bg6 7. a4
Ne7 8. a5 Nf5 9. c3 h6 10. Nbd2 Be7 11. g4 Nh4 12. Nxh4 Bxh4 13.
f4 f5 14. Bd3 O-O 15. Kh1 Qe8 16. Qc2 Kh7 17. Rg1 Be7 18. Nf1 Qf7
19. h3 b5 20. Ne3 fxg4 21. hxg4 Bxd3 22. Qxd3+ Kg8 23. b4 Bd8 24.
Rf1 a6 25. Ra2 Bh4 26. Rf3 Qe8 27. Rh2 Bd8 28. Nf1 Rf7 29. Rfh3
Nf8 30. f5 Raa7 31. Rh5 Nh7 32. Qh3 Nf8 33. Nd2 Nh7 34. Nf3 Rfd7
35. g5 Rf7 36. f6 Rf8 37. Rg2 Rb7 38. gxh6 g6 39. Qg3 Kh8 40. Rh4
Rg8 41. Rg4 g5 42. Nxg5 Nxg5 43. Rxg5 Rxg5 44. Bxg5 Rh7 45. Qh4
Rf7 46. h7 Rxh7 47. Bh6 Qf7 48. Rg7 Qxg7 49. fxg7+ Rxg7 50. Bxg7+
Kg8 51. Qh8+ Kf7 52. Qh7 Ke8 53. Bf6 Bxf6 54. exf6 Kd8 55. Qe7+
Kc8 56. f7 e5 57. f8=R# 1-0

Ich bin davon überzeugt, dass das Ende der Partie, so wie sie
jetzt gelaufen ist, etwas länger gedauert hätte, bei bester
Gegenwehr von Schwarz.

Wenn jemand aus dem Forum mit einer schnellen Kiste einmal
obige Variante überprüfen würde, um in Rückwärtsanalyse
ein Matt zu finden, wäre ich froh, denn meine Kiste ist immer
noch nicht die schnellste.

Und was nun das Buch angeht, das man schreiben könnte,
das stimmt schon, Material ist genug vorhanden, aber
momentan fehlt mir die Zeit.

Grüße,
Thiomas
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