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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Capablanca-Vidmar (1-0) PGN kommentiert (02)
- - By Kurt Utzinger Date 2011-10-30 20:56
Liebe Schachfreunde

Da ich gerne Partien kommentiere für meine speziellen Datenbanken, werde
ich diese ins Forum stellen, in der Hoffnung, dass einige Spass daran haben
werden und im besten Fall gewisse Verbesserungsvorschläge eingebracht werden.

Im Turnier zu New York verliert MIlan Vidmar in der zwoelften Runde ohne Gegenspiel
seine Schwarzpartie gegen Capablance. Ein gutes Beispiel, das zeigt, dass sich die
heutigen Spitzenspieler wohl besser verteidigt haetten.

Gruss
Kurt

[Event "New York"]
[Site "?"]
[Date "1927.??.??"]
[Round "12"]
[White "Capablanca, Jose"]
[Black "Vidmar, Milan"]
[Result "1-0"]
[ECO "C98"]
[EventDate "1927.??.??"]
[PlyCount "73"]
[Annotator "Utzinger,K"]

1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bb5 a6 4.Ba4 Nf6 5.O-O Be7 6.Re1 b5 7.Bb3 d6 8.c3 Na5
    {Heutzutage eine rare Fortsetzung.}
9.Bc2 c5 10.d4 Qc7 11.Nbd2 O-O 12.h3 Nc6
    {Die Einschaltung von 12...cxd4 ist weit populaerer.}
13.d5 Nd8 14.a4
    {! Ein zeitgemaesser Zug, der zum mindesten eine fuer Weiss guenstige
    Schwebestellung am Damenfluegel herbeifuehren sollte, z.B. a) 14...Tb8
    15.axb5 axb5 16.c4! oder b) 14...Ta7 25.De2 usw. Schwarz waehlt aber
    ein groesseres Uebel (Alekhine)}
14...b4
    {?! Gibt dem Gegner den hochwichtigen Punkt c4 ohne Ersatz preis.
    Selbstverstaendlich laesst Capablanca die guenstige Gelegenheit nicht
    unbenutzt (Alekhine).}
15.Nc4
    {In Frage kommt die Alternative 15.c4, denn Schwarz hat am
    Damenfluegel kein Spiel mehr, waehrend umgekehrt Weiss am
    Koenigsfluegel freie Haende haette.}
15...a5
    {Sonst waere u.a. a4-a5 unangenehm. Der Textzug ist verhaeltnismaessig
    der Beste, da Schwarz die folgende taktische Diversion eigentlich
    nicht zu fuerchten brauchte (Alekhine).}
16.Nfxe5
    {Diese viel bewunderte Abtauschkombination fuehrt zu einem etwas
    guenstigeren, aber durchaus nicht gewonnenen Endspiel, welches Schwarz
    schliesslich nur durch ungenaues Spiel verdirbt. Nachhaltiger war
    16.Le3 Sd7 17.Sfd2, um zunaechst abzuwarten, bis die dominierende
    Springerstellung auf c4 den Gegner zu unguenstigen Transaktionen
    zwingt (Alekhine).}
16...Ba6
    {Der Zwischenzug ist nicht vom Uebel. Nur nuetzt Schwarz im folgenden
    seine taktischen Konsequenzen nicht gehoerig aus (Alekhine).}
17.Bb3 dxe5 18.d6 Bxd6 19.Qxd6 Qxd6 20.Nxd6 Nb7
    {? Wozu dem Gegner die Waffe des Laeuferpaars freiwillig ueberlassen?
    Naheliegend war 20...Tb8 und falls 21.Lc4 Lxc4 22.Sxc4 Se6 usw. mit
    durchwegs verteidigungsfaehigem Spiel (Alekhine).}
21.Nxb7 Bxb7 22.cxb4 cxb4
    {? Eine weitere Unterlassung. Gut war 22...axb4 23.f3 La6! nebst
    eventuell c5-c4 mit genuegendem Gegenspiel (Alekhine). Hier irrt m.E.
    der grosse Meister, denn nach 22...axb4 23.Le3! Tfc8 24.Tac1 Sd7 25.f3
    La6 26.Ted1 ist Weiss klar am Druecker.}
23.f3
    {! Auch wenn der Be4 ausreichend gedeckt gewesen waere, haette Weiss
    diesen den Lb7 zaehmenden Zug wohl gemacht (Bronznik/Terekhin)}
23...Rfd8
    {Laut Alekhine sollte Schwarz hier besser 23...Sd7! , um den
    gegnerischen Laeufer das Feld b6 zu verwehren 24.Le3 Tfc8! 25.Tac1 Kf8
    spielen (Bronznik/Terekhin)}
24.Be3 h6
    {Bereits problematisch waere 24...Sd7 25.Ted1 Kf8 (...Tac8, Td2)
    26.Tac1 (Bronznik/Terekhin) Wozu? (Alekhine).}
25.Red1 Bc6 26.Rac1 Be8
    {Dieser Laeufer kann keinen passenden Platz finden und irrt umher wie
    in einem Kaefig; 26...Ld7? waere wegen 27.Lb6 Te8 28.Tc5 ganz schlimm
    gewesen (Bronznik/Terekhin)}
27.Kf2
    {?! Stattdessen haette Capablanca bereits hier einen Bauern kassieren
    koennen mit 27.Txd8 Txd8 28.Tc5}
27...Rxd1 28.Rxd1 Rc8 29.g4
    {! Weiss bedraengt den Gegner auch noch am Koenigsfluegel. Fuer 29.Lb6
    war es noch zu frueh 29...Sd7 30.Lxa5 Sc5 mit Gegenspiel
    (Bronznik/Terekhin)}
29...Bd7
    {? Der entscheidende Fehler. Vidmar ist mit der Position seines
    Laeufers natuerlich unzufrieden, deshalb beabsichtigt er das Manoever
    Ld7-e6, unterschaetzt dabei aber die gegnerische Antwort
    (Bronznik/Terekhin) Ein letzter Fehler, der unmittelbaren
    Materialverlust zur Folge hat. Nach 29...Kf8 z. B. haette die Agonie
    wohl laenger gedauert (Alekhine).}
30.Bb6 Be6 31.Bxe6 fxe6
    {Nun folgt auf 32.Lxa5 das einfache 32...Tc2 nebst ...Txb2, waehrend
    Schwarz nach 32.Td2 ueber 32...Tc4 33.Lxa5 b3 verfuegt. Schwarz
    stuende auch in diesen Faellen auf Verlust, weil sein Springer dem
    gegnerischen Laeufer deutlich unterlegen waere, aber Capablanca findet
    eine einfachere Loesung (Bronznik/Terekhin)}
32.Rd8+
    {! Wahrscheinlich hat Vidmar diesen Zug uebersehen. Nun werden die
    Tuerme getauscht, wonach Weiss den Bauern a5 ohne weitere Umstaende
    kassiert (Bronznik/Terekhin)}
32...Rxd8 33.Bxd8 Nd7 34.Bxa5 Nc5 35.b3
    {! In ausgesprochenen Gewinnstellungen spielt Capablanca immer das
    Genaueste. Natuerlich gewann auch 35.Lxb4 Sxa4 36.b3 Sb6 37.Ld6 Sbd7
    38.Kf2 leicht (Alekhine).}
35...Nxb3 36.Bxb4 Nd4 37.a5
    {Eine von Capablanca im allgemeinen klar und folgerichtig, von Dr.
    Vidmar dagegen schwach gespielte Partie (Alekhine).}
1-0

Stellung bevor 16.Sfxe5
Parent - - By L.Richter Date 2011-10-30 22:33
Hallo Kurt

ich schätze Ihre kommentierten Partien sehr (und ich denke ich bin nicht der einzige), sie sind für mich sehr lehreich vielen Dank und weiter so.

L.Richter
Parent - By Kurt Utzinger Date 2011-10-31 12:51
[quote="L.Richter"]
Hallo Kurt

ich schätze Ihre kommentierten Partien sehr (und ich denke ich bin nicht der einzige), sie sind für mich sehr lehreich vielen Dank und weiter so.

L.Richter
[/quote]

Danke für die "Blumen".
Freundliche Grüsse
Kurt Utzinger
Parent - - By Peter Krug Date 2011-10-31 10:40
Fürs Analyieren habe ich jetzt und das ganze Jahr, oder länger über keine (Null) Zeit mehr.
Trotzdem hat mir das Nachspielen der beiden Capablancapartien Freude gemacht.
Die Eleganz, das harmonische Zusammenspiel, die überlegene Endspielführung bei C. hat etwas magisches, zeitlos schönes.
So leicht das aussieht, so schwer ist es, so zu spielen.

In der heutigen Zeit käme Capablanca bei den Spitzenspielern mit der Tendenz, die Damen zu tauschen nicht erfolgreich durch,
vielmehr versucht man möglichst alles zu verkomplizieren (Fischer, Tal, Kasparov, Topalov...).
Das Computerschach hat deutlich gezeigt, wie komplex und taktisch das Schach ist
- und das Unberechenbare als Gewinnwaffe hat sich bei den heutigen Spitzenspielern etabliert.

Danke Peter
Parent - - By Kurt Utzinger Date 2011-10-31 12:55
[quote="Peter Krug"]
[...]

In der heutigen Zeit käme Capablanca bei den Spitzenspielern mit der Tendenz, die Damen zu tauschen
nicht erfolgreich durch, vielmehr versucht man möglichst alles zu verkomplizieren (Fischer, Tal, Kasparov, Topalov...).
Das Computerschach hat deutlich gezeigt, wie komplex und taktisch das Schach ist - und das Unberechenbare
als Gewinnwaffe hat sich bei den heutigen Spitzenspielern etabliert.

[...] [/quote]

Das ist sicher richtig. Niemand kann sagen, wie sich im heutigen Spitzenschach die grossen Alten wie Lasker
und Capablanca schlagen würden.

Gruss
Kurt
Parent - - By Romano Reschop Date 2011-11-02 23:26
Zunächst einmal: vielen Dank, Kurt für diese und die vielen anderen kommentierten Partien, die Du von Zeit zu Zeit hier veröffentlichst! Ich lese seit längerer Zeit diesem Forum nur noch mit, aber finde es großrtig, dass Du Dir immer noch die Mühe machst, mit solchen Analysen das Forum (in dem leider fast nur noch Computer-ELO neuer Engineneversionen aus einigen hundert/tausend schnell gepielten Blitzpartien zu zählen scheinen) zu bereichern und auch ab und zu selber gegen die "Blechbüchsen" spielst und die Ergebnisse veröffentlichst.

Zur Frage, was heutzutage Lasker, Capablanca und andere Größen von Anno dazumal erreichen würden (da ist mein Nerv getroffen und deshalb kann ich mir einfach nicht verkneifen auch mal wieder etwas hier zu schreiben  ):
Bzgl. Eröffnungstheorie und Erkentnissen bzgl. Eröffnungs- aber auch Mittelspiellehre wären sie heutigen Meistern sicherlich stark unterlegen. Da muss man nicht mal einen der Top-GMs nehmen. In den letzten 80 Jahren hat sich zu vieles weiterentwickelt bzw. es wurden viele neuen Erkenntnisse gewonen. Würde man sie in die Gegenwart zerren und sofort ein GM-Turnier spielen lassen, hätten sie sicherlich Probleme. Anders sähe es aber m. E. aus, wenn man ihnen nach ihrer Zeitreise ein paar Monate gäbe, sich das aktuelle Wissen anzueignen, ihnen vielleicht sogar den Umgang mit Computerdatenbanken und -Programmen beibrächte. Ich bin fest überzeugt, dass dann sowohl Lasker als auch Capablanca, Aljechin, Rubinstein usw. mit der heutigen Weltelite sehr gut mithalten könnten. Sicher würden sie nicht unbedingt den Ultradynamischen Spielstil anwenden, der heute so beliebt ist (bei Aljechin wäre ich mir da allerdings nicht so sicher  ); aber speziell Lasker traue ich zu, dass er auf (materielle oder positionelle) Opfer, die eine starke Initiative sichern, eiskalt verteidigen und oft genug recht behalten würde (Carl Schlechter traue ich das übrigens auch zu). Capablanca würde frühzeitig Wege zur Vereinfachung finden, um seine Stärken ausspielen und gar nicht in wilde taktische Stellungen zu kommen, der Kombinationsküstler Aljechin auf der anderen Seite, wäre gradezu in seinem Element, wenn es wilde taktische Verwicklungen gäbe. 

Beim Schach ist m. E. das Talent und die Fähigkeit, dieses in (Turnier-)Partien umzusetzen, entscheidend. Das nötige Wissen kann sich jeder, der dazu bereit ist und die Möglichkeit hat, aneignen. Daher steht für mich außer Frage, dass auch Topspieler vergangener Zeiten im heutigen Schach erfolgreich wären, stellte man ihnen das heutige Wissen zur Verfügung.
Parent - By Kurt Utzinger Date 2011-11-03 10:21
Hallo Roman

Interessante Stellungnahme bzw. Meinung von Dir, der ich weder widersprechen noch
einfach zustimmen kann, ohne mich vertiefter mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Gruss
Kurt
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