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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Grand Chess Tour Saint Louis Rapid&Blitz 2024[
- - By Rainer Neuhäusler Date 2024-08-15 15:03
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Saint Louis Rapid&Blitz 2024

Fünf US-Spieler gegen den Rest der Welt, könnte man das Turnier auch betiteln, drei davon zeigt das Foto. Dabei sind dieses Mal 7 der 9 Stammspieler der Grand Chess Tour 2024 und 3 Wildcards. Kein Magnus Carlsen, dafür aber die ob ihrer risikobereiten und dynamischen Spielweise fast ebenso häufig geladenen Amerikaner Hikaru Nakamura und Levon Aronian. Die dritte Wildcard ging an Dominguez Leinier, einem superstarken Amerikaner kubanischer Herkunft. Der GM ist derzeit die Nummer 13 im Fide-Ranking. Die restlichen Teilnehmer wurden ja schon oft genug vorgestellt.

Single Round Robin:  25'+10'', 10 Spieler, 9 Runden, insgesamt 45 Partien.

Schon in diesem Monat geht die Grand Chess Tour 2024 in der amerikanischen Schachmetropole St. Louis mit den beiden letzten Turnieren zu Ende. Die genauen Termine: Rapid/Blitz  August 10-17 und Sinquefield Cup (classic) August 17-31. Über die beiden ersten Turniere in Warschau und Bukarest habe ich ja berichtet. Wir befinden uns also mitten drin im 4. Turnier oder besser gesagt, das Rapid ist bereits beendet (siehe Tabelle), heute beginnen die Blitzrunden. Drei Spieler punktgleich. Das Rapid-Ranking wurde bedauerlicherweise nicht durch einen spannenden Tiebreak finalisiert, sondern per Sonneborn-Berger Feinwertung. Offensichtlich wird aber das Turnier als Ganzes gesehen und Sieger ist, wer im Rapid und Blitz die meisten Punkte macht.

Während die Saint Louis Rapid & Blitz, wie der Name sagt, im spannenden und mittlerweile favorisierten Schnellschachmodus ausgetragen werden, wird im anschließenden "Sinquefield Cup" nochmals die klassische Variante bevorzugt. Dieses Mal hoffentlich etwas risikobereiter bzw. weniger remislich als in Bukarest. Sinquefield Cup, da war doch was? Genau, 2022 der aufsehenerregende Fall 'Carlsen/Niemann mit dem weltweiten Cheatingpalaver im Schlepptau. Wir im Forum haben ja fleißig mitdiskutiert. Mittlerweile spielen Magnus und Hans Moke wieder miteinander, wenn auch noch nicht OTB sondern nur Online. Hier nochmals ein zusammenfassender Bericht der Affaire vom Dezember 23:https://de.chessbase.com/post/fide-ethik-kommission-verurteilt-carlsen-zu-10-000-euro-strafe#:~:text=Magnus%20Carlsen%20hatte%20beim%20Sinquefiled,es%20vor%2C%20nicht%20zu%20sprechen.
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Saint Louis Rapid& Blitz 2024, Endstand Rapid
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1.  Nepomniachtchi, Ian          RUS 2767 5½   2836    24.00
2.  Firouzja, Alireza                 FRA 2751  5½   2838    23.50
3.  Vachier-Lagrave,Maxime   FRA 2721  5½   2841    22.25
4.  Aronian, Levon                   USA 2729  5     2803
5.  So, Wesley                         USA 2751  4½  2758
6.  Nakamura, Hikaru              USA 2802  4½  2752
7.  Dominguez Perez, Leinier  USA 2748  4½  2758
8.  Abdusattorov, Nodirbek      UZB 2762   4    2713
9.  Caruana, Fabiano              USA 2793   4    2710
10. Praggnanandhaa, R          IND  2749   2    2538

Der Interessent wird wie üblich auf Chesss.com, ChessBase oder der Turnierseite mit Live-Reportagen, Nachspielbrettern, Partielisten, Computeranalyen und Downloads reichlich versorgt. Ich schätze mal, dass viele ihren Lieblings-Youtuber bereits gefunden haben und seine Analysen interessiert verfolgen. Ich habe jetzt auch m e i n e n Kommentator gefunden und werde ihm wahrscheinlich hier mal einen extra Beitrag gönnen.

Vielleicht hat auch jemand Lust zu eigene Analysen oder Kommentaren.    
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https://www.chess.com/de/events/2024-gct-saint-louis-rapid-blitz
https://de.chessbase.com/post/st-louis-rapid-and-blitz-2024-live
https://grandchesstour.org/
Parent - - By Kurt Utzinger Date 2024-08-15 18:05 Upvotes 3
Mir hängen die dauernden Turniere mit Blitz- und Rapidpartien
mit (fast) immer denselben Spielern, aber auch die Italiensiche
Eröffnung, langsam zum Hals heraus. Ganz zu schweigen von
den immer beliebter werdenden Freestyle Chess Turnieren.
Und dass selbst Blitzpartien in den CB-Datenbanken Eingang
finden und man diese immer zuerst herauslöschen muss, um
einigermassen verlässliche statistische Werte für die Eröffnungen
zu erhalten, macht mich echt sauer.
Mfg Kurt
Parent - By Stefan Pohl Date 2024-08-16 06:40 Edited 2024-08-16 07:18 Upvotes 2
Kurt Utzinger schrieb:

Mir hängen die dauernden Turniere mit Blitz- und Rapidpartien
mit (fast) immer denselben Spielern, aber auch die Italiensiche
Eröffnung, langsam zum Hals heraus. Ganz zu schweigen von
den immer beliebter werdenden Freestyle Chess Turnieren.


Schach wird nun mal gerade zum E-Sport. Daran wird wohl niemand etwas ändern. Und was das Freestyle Chess angeht: Das hat ja noch gar nicht richtig angefangen... Jetzt, wo Carlsen und J.Büttner einen weiteren Investor an Bord geholt haben, der mit einem 2-stelligen Millionebetrag einsteigt, wird das im Gegenteil erst richtig losgehen...
Ich für meinen Teil finde diese Entwicklung des Schachs Richtung E-Sport logisch und zwangsläufig: Schach kann nur wachsen und "gedeihen", wenn mehr Geld ins Schach kommt. Und das geht nur über Sponsoren. Und diese geben nur dort Geld aus, wo sie auch als Sponsoren wahrgenommen werden (verständlicherweise). Und das ist nur dort der Fall, wo viele (online-)Zuschauer sind.
Eine solch in sich logische und daher zwangsläufige Entwicklung zu beklagen, ist also letztlich reine Zeitverschwendung, denn das Jammern und Wehklagen wird mit Sicherheit nichts an der Situation und Entwicklung ändern. Letzlich hat Jammern und Wehklagen noch nie irgendwo irgendwas geändert...
Wenn man etwas ändern will, muß man etwas machen:
Beispiel 1: Als mir die bedenkliche Entwicklung des Computerschachs Richtung Remistod bewußt wurde, habe ich - anstatt das nur zu beklagen - eben angefangen Anti-Draw Eröffnungskonzepte zu erarbeiten und auszuarbeiten. Und heute haben wir mit meinen UHO-Eröffnungen das Remistod-Problem (zumindest für die nächsten Dekaden) im Computerschach nicht mehr.
Beispiel 2: Die zunehmende Sterilität des Spitzencomputerschachs (korrekt, saustark, aber eben auch unspektakulär) habe ich auch nicht nur beklagt, sondern mein EAS-Tool programmiert, welches das Messen der Aggressivität einer Engine ermöglicht und somit auch eine Engine-Entwicklung hin zu mehr Aggressivität & Spektakel möglich macht (ohne Zahlenwert zur Aggressivität ist das nämlich nicht machbar, genausowenig, wie man eine Engine ohne Elo-Spielstärke Messungen besser machen kann). Und heute habe wir schon Rebel EAS und Patricia, welche dank EAS-Tool gezielt in Richtung mehr Opfer und Spektakel hin konzipiert wurden. Und ich hoffe (und glaube), daß das erst der Anfang eines grundlegenden Kurswechsels im Computerschach ist.

Allerdings denke ich, es würde sehr schwer werden, die Richtung, die das (Spitzen-)Menschenschach eingeschlagen hat, zu verändern. Aber auch nicht unbedingt unmöglich. Carlsen z.B. hängt das Turnierschach mit elend langen Theorielinien, die sich die Top-Spieler um die Ohren hauen, zum Hals heraus. Und er hat dann mit J.Büttner das Freestyle Chess aus der Taufe gehoben, also eben Chess960 mit klassischer Bedenkzeit, was ja bisher quasi nicht stattfand.

Letzlich ist es aber doch so, daß diese Entwicklung des Schach Richtung E-Sport eigentlich nur den (erweiterten) Top-Bereich des Menschenschachs betrifft. Der "normale" Schachspieler unter 2600 Elo ist doch von dieser Entwicklung gar ncht betroffen. Schönes Beispiel ist die Videoserie von Levy Rozman (Gothamchess), der ja versucht GM zu werden. Gerade spielte er ein Open-Turnier mit klassischer Bedenkzeit in Italien. Ergo: In diesen unteren Regionen hat sich beim Schach eigentlich nichts verändert. Warum auch? Daß aber die Top-Spieler, die ja als Profis auch vom Schach leben, es gerne sehen, wenn mehr (Preis-)Geld ins Schach kommt, ist doch völlig klar und nichts, was man ihnen vorwerfen kann. Und meiner Meinung nach auch nicht sollte. Man bedenke: Nicht jeder ist durchs Schach zum Multimillionär geworden wie Carlsen und Nakamura. Sondern im Gegenteil. Die meisten Top-Spieler nagen quasi am Hungertuch. Bestes Beispiel: Vincent Keymer: Man stelle sich das mal vor: Das größte deutsche Schachtalent seit Jahrzehnten mußte nach dem Abi erst auf Sponsorensuche gehen, sonst hätte er mit Schach nicht weitergemacht und das im einem der reichsten Länder der Erde. Und diese Sponsorensuche war äußerst mühsam. Und wer wurde dann der Haupt-Sponsor? Jan Büttner (Freestyle Chess Event Gründer). Tja. Kann man es unter diesem Gesichtspunkt wirklich schlecht finden, daß das Top-Schach zum E-Sport wird und endlich viel mehr Geld ins Schach gepumpt wird? Eigentlich müßten deutsche Firmen doch bei Vincent Keymer Schlange stehen, wenn es darum geht, seine Hemden mit ihren Firmenlogos zuzupflastern. Das wird aber eben nur passieren, wenn dieses Hemd (mit Keymer darin) auch oft in Übertragungen zu sehen ist und auch viele Leute diese Übertragung anschauen.

Kurt Utzinger schrieb:

Und dass selbst Blitzpartien in den CB-Datenbanken Eingang
finden und man diese immer zuerst herauslöschen muss, um
einigermassen verlässliche statistische Werte für die Eröffnungen
zu erhalten, macht mich echt sauer.


Tja, die Megabase... Ich bin ja dank meiner Eröffnungs- Bau-Projekten ja zwangsweise zum Megabase-Experten geworden... Daß sie auch Blitzpartien mit in die Megabase nehmen, verstehe ich schon, denn es werden einfach immer weniger Top-Turniere mit klassischer Bedenkzeit gespielt und wenn man den Leuten ein jährliches Update verkaufen will, braucht man einfach eine gewisse Menge an neuen Partien (auch von den Top-Spielern). Was aber eine Frechheit ist, ist wie schlecht die Megabase editiert ist. Bzw. gar nicht editiert ist. Es gibt Partien ganz ohne Züge, Partien mit falschen Results (Weiß setzt Matt und trotzdem steht als Result 0-1 drin oder ähnliches) etc. Und das tritt häufiger auf und auch in älteren Abschnitten der Megabase - ChessBase ist die Qualität offensichtlich Wurst. Denen geht es nur um Masse. Sie müßten nur pgn-extract 1x (in Worten: ein Mal !) drüberlaufen lassen (pgn-extract kann nämlich in einem Aufruf Ergebnisse korrigeren, Chess960 Partien aussortieren und Partien, die nur wenige plies lang sind oder gar keine Züge enthalten, aussortieren) und könnten diesen ganzen Schrott aussortieren bzw. korrigieren. Danach dann wieder zurückkonvertieren in ihr tolles ChessBase-Datenformat mit gefühlten 1000 verschiedenen Dateien und fertig wäre man. Könnte man locker an einem Tag bewältigen. Tja. Leider ist Chessbase dafür entweder zu faul oder zu blöd.
Leider ist die LiChess Datenbank auch nicht besser. Aber da diese gratis ist, darf man sich dort natürlich nicht beschweren. Bei der kommerziellen Megabase hingegen schon.
Parent - By Rainer Neuhäusler Date 2024-08-16 21:58 Edited 2024-08-16 22:07 Upvotes 2
Kurt Utzinger schrieb:

<code>Mir hängen die dauernden Turniere mit Blitz- und Rapidpartien
mit (fast) immer denselben Spielern, aber auch die Italiensiche
Eröffnung, langsam zum Hals heraus. Ganz zu schweigen von
den immer beliebter werdenden Freestyle Chess Turnieren.
Und dass selbst Blitzpartien in den CB-Datenbanken Eingang
finden und man diese immer zuerst herauslöschen muss, um
einigermassen verlässliche statistische Werte für die Eröffnungen
zu erhalten, macht mich echt sauer.
Mfg Kurt</code>


Bei diesem elementaren Frust macht es natürlich keine Freude, dieses Turnier zu verfolgen.

Alles fließt, ändert sich, passt sich der Zeit an, Kurt, natürlich auch Unterhaltung, Spiel und Sport. Nur so kann sich eine professionelle Sportart etablieren und überleben. Die  Fédération Internationale des Échecs sieht das auch und versucht im Rahmen ihrer Struktur und Möglichkeiten, dem Zeitfaktor gerecht zu werden. Grundsätzlich gesehen, - (berechtigte) Kritik im einzelnen erfährt dieser Weltschachverband ja schon mehr als genug.

Rapid und Blitz sind etabliert und Freestyleschach ist im Kommen. Diese Turniermodi haben mittlerweile einen höheren Unterhaltungscharakter, höhere Quoten, und somit auch besseren Businessfaktor, wie die Duelle zweier Kontrahenten, die stundenlang vor sich hin brüten und deren Kopfstützen, Kopfkratzen, Vorbeugen und Anlehnen dem Auge nur wenig Spannungsmomente beschert. Das einzige Momentum ist die Stellung auf dem Brett. Das ist zwar bei Blitz und Rapid auch nicht viel anders, aber eben kürzer und für die Mehrheit erträglicher. Klassisches Schach ist, mediengerecht gesehen, was für Spezialisten. Das wussten bereits die Pioniere der Fernsehduelle (z.B. ab 77 mit Helmut Pfleger und Vlastimil Hort), dass die Zeit ein wesentlicher Faktor ist und reduzierten zumindest auf 60'/Partie. Große Ausnahme, so ein herausragendes Ereignis wie die Weltmeisterschaften, da spielt dann die Zeit tatsächlich eine untergeordnete Rolle.

https://www.youtube.com/watch?v=MpjF0Z6E_Vo

"Langschach" wird nach wie vor eine Rolle im Profischach spielen, ganz klar,  aber der Nachfrage entsprechend und neue Varianten werden gesucht. Was beklagst du dich überhaupt, in ein paar Tagen geht doch der Sinquefield Cup los ! 
Mit Rapid habe ich persönlich sowieso keine Probleme. Speedschach amüsiert eher, wegen der Hetze. Außerdem gucke ich selten live, sondern post-Event, die Medien bieten einem ja alle Möglichkeiten dazu.

"Immer dieselben Spieler " wirst du in der Profielite bei fast allen Sportarten finden. Selbst das offene Turniersystem im Tennis spiegelt bei den grösseren Turnieren in schöner Regelmäßigkeit die ATP- und WTA Ranglisten wieder. Suchst du da Abwechslung, halte dich an Olympiaden, offene Turniere nach dem Schweizer System und regionale Veranstaltungen.
Da ich mich für die Spielerpersönlichkeiten selbst interessiere, deren Herkunft und Biografie, macht die Sache bei den Schachturnieren umso spannender. In welcher Form ist er, wie schnitt er im letzten Turnier ab, welchen Spielstil praktiziert er, hat er Angstgegener und und….

Italienisch, sogar Giuoco Piano bis Pianissimo, hat in der Tat eine Renaissance erfahren, das ist aber des öfteren sehr turnierspezifisch. Auch die Spitzenspieler präsentieren sich gerne in der "Modefarbe" bzw. Modeeröffnung. Du kannst dich aber nach wie vor zu Hauf an Indisch, Sizilianisch, Damengambit und Spanisch erfreuen.

Blitzpartien aus Datenbanken filtern, halte ich jetzt für eine relativ leichte Übung, da bin ich komplexeres gewöhnt.

Halt die Ohren steif
Rainer
Parent - - By Lars B. Date 2024-08-18 18:41 Upvotes 1
Kurt Utzinger schrieb:

Mir hängen die dauernden Turniere mit Blitz- und Rapidpartien
mit (fast) immer denselben Spielern [...] langsam zum Hals heraus. Ganz zu schweigen von
den immer beliebter werdenden Freestyle Chess Turnieren.


Dem, lieber Kurt, möchte ich einfach mal so richtig herzlich zustimmen, mir geht's ebenso. Die Ver-e-sportisierung des Schachs finde ich häßlich, unnötig und blöde. Andererseits hat Stefan schon auch recht, zum Teil wenigstens, wenn er schreibt, es beträfe ja bloß die Spitzenleute, nicht uns. Andererseits: Wovon lebt denn das Spitzenschach, wenn nicht von den Zuschauern? Ohne Zuschauer keine Sponsoren. Müssen sie mit Mäzenen arbeiten, und die sind noch dünner gesät als Sponsoren. Schnellschach ist eine nette Sache als gelegentliche Show. So bin ich immer gern nach Frankfurt/Bad Soden/Mainz gefahren, als die Chess-Classics noch ausgerichtet wurden, weil da auch ganz ganz viel für die Zuschauer gemacht wurde. Als reines Internetspektakel hingegen interessieren solche Schnellschach-Ereignise mich gar nicht; ich würde lieber bei Turnieren mit langer Bedenkzeit zusehen. Wie es scheint, komme ich langsam ins Waldorf-und-Statler-Alter

Grüße
Lars
Parent - - By Stefan Pohl Date 2024-08-19 06:33 Edited 2024-08-19 06:41 Upvotes 1
Lars B. schrieb:

Kurt Utzinger schrieb:

Mir hängen die dauernden Turniere mit Blitz- und Rapidpartien
mit (fast) immer denselben Spielern [...] langsam zum Hals heraus. Ganz zu schweigen von
den immer beliebter werdenden Freestyle Chess Turnieren.


Dem, lieber Kurt, möchte ich einfach mal so richtig herzlich zustimmen, mir geht's ebenso. Die Ver-e-sportisierung des Schachs finde ich häßlich, unnötig und blöde. Andererseits hat Stefan schon auch recht, zum Teil wenigstens, wenn er schreibt, es beträfe ja bloß die Spitzenleute, nicht uns. Andererseits: Wovon lebt denn das Spitzenschach, wenn nicht von den Zuschauern? Ohne Zuschauer keine Sponsoren.


Darum - also um die Zuschauer - geht es doch aber gerade ("Wovon lebt denn das Spitzenschach, wenn nicht von den Zuschauern? Ohne Zuschauer keine Sponsoren."). Die Zahlen auf youtube etc. zeigen doch ganz klar, daß die Zuschauer Schach als E-Sport mit kürzeren Bedenkzeiten sehen wollen. Und beim (bisher) einzigen Freestyle-Turnier letzten Februar gingen die Zuschauerzahlen weltweit durch die Decke und waren 10x höher, als selbst Jan Büttner (Veranstalter) vorher erwartet hatte.

Ergo: Die Zuschauer wollen Schach als E-Sport mit kürzeren Bedenkzeiten bzw. Freestyle-Chess bei langen Bedenkzeiten. Und die Spitzenspieler wollen das auch.
Also läuft alles so, wie die Spieler und die überwältigende Masse an Zuschauern es wollen. So what? Läuft doch alles super! Daß eine kleine Minderheit den vermeintlich guten alten Zeiten nachtrauert, ist klar (das hat man überall, wo sich Dinge deutlich verändern), aber das wird diese Entwicklung natürlich nicht aufhalten (zum Glück, das wäre ja noch schöner, denn mit so einer Geisteshaltung würden wir sonst alle noch in der Höhle vorm Lagerfeuer sitzen). Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Eine Platitüde, aber eine wahre.
Parent - By Kurt Utzinger Date 2024-08-19 11:37
Stefan Pohl schrieb:

Ergo: Die Zuschauer wollen Schach als E-Sport mit kürzeren Bedenkzeiten bzw. Freestyle-Chess bei langen Bedenkzeiten. Und die Spitzenspieler wollen das auch.


Wenn man E-Sport als sportlichen Wettkampf mit Computerspielen
bezeichnet, dann fällt wohl das (Online-)Schachspiel nicht darunter.
Gruss
Kurt
Parent - By Lars B. Date 2024-08-19 19:59
Stefan Pohl schrieb:

Darum - also um die Zuschauer - geht es doch aber gerade. Die Zahlen auf youtube etc. zeigen doch ganz klar, daß die Zuschauer Schach als E-Sport mit kürzeren Bedenkzeiten sehen wollen. Und beim (bisher) einzigen Freestyle-Turnier letzten Februar gingen die Zuschauerzahlen weltweit durch die Decke und waren 10x höher, als selbst Jan Büttner (Veranstalter) vorher erwartet hatte.

Ergo: Die Zuschauer wollen Schach als E-Sport mit kürzeren Bedenkzeiten bzw. Freestyle-Chess bei langen Bedenkzeiten. Und die Spitzenspieler wollen das auch.
Also läuft alles so, wie die Spieler und die überwältigende Masse an Zuschauern es wollen. So what? Läuft doch alles super! Daß eine kleine Minderheit den vermeintlich guten alten Zeiten nachtrauert, ist klar (das hat man überall, wo sich Dinge deutlich verändern), aber das wird diese Entwicklung natürlich nicht aufhalten (zum Glück, das wäre ja noch schöner, denn mit so einer Geisteshaltung würden wir sonst alle noch in der Höhle vorm Lagerfeuer sitzen). Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Eine Platitüde, aber eine wahre.


Huhu Stefan,

Die Leute wollen das also. Was denn für Leute? Ich möchte dieses Argument statistisch angreifen. Schach ist ja ein Nischensport und wird es auch bleiben, einfach, weil es schwierig ist, die Kompetenz zu erwerben, eine Meisterpartie selbst mit guter Erklärung zu verstehen, und noch schwieriger, selbst gut oder auch nur annehmbar zu spielen.

Da, verglichen mit der guten alten Zeit, kaum signifikant mehr Leute diese Kompetenz erwerben, eher weniger, weil es heute so viele Möglichkeiten mehr gibt, seine Zeit zu verdödeln (oder ist die Mitgliederzahl des DSB in den letzten Jahren signifikant gestiegen?), nehme ich (unbewiesen, aber begründet) an, es handelt sich bei diesen "die Leute wollen das"-Zuschauern hauptsächlich um oberflächliche Konsumenten, denen es um schnelle Bespaßung geht. Versteh mich nicht falsch, Ich finde es gut, daß es auf Youtube solche Leute wie Souleidis gibt, der das ja auch fantastisch macht. Auf einen Souleidis kommen aber zehn Dullis, die Videos a la "so setzt du jeden Gegner in zehn Zügen matt" machen.

Alles in allem finde ich, daß Schach durch diese "die wollen das aber so"-Leute vermacdonaldst wird. Das sind (überwiegend) keine Schachspieler, und was sie sehen wollen, das ist bloß McSchach. Bei sowas bin ich halt raus; für mich ist da eben gerade nicht alles gut, für mich geht da durchaus Kultur flöten.
Die Spitzenspieler wollen das natürlich, weil es leichtverdiente Kohle ist. Die wären ja blöd, täten sie es nicht.

LG
Lars
Parent - - By Rainer Neuhäusler Date 2024-08-19 10:09
Lars B. schrieb:

Kurt Utzinger schrieb:

Mir hängen die dauernden Turniere mit Blitz- und Rapidpartien
mit (fast) immer denselben Spielern [...] langsam zum Hals heraus. Ganz zu schweigen von
den immer beliebter werdenden Freestyle Chess Turnieren.

Dem, lieber Kurt, möchte ich einfach mal so richtig herzlich zustimmen, mir geht's ebenso. Die Ver-e-sportisierung des Schachs finde ich häßlich, unnötig und blöde. Andererseits hat Stefan schon auch recht, zum Teil wenigstens, wenn er schreibt, es beträfe ja bloß die Spitzenleute, nicht uns.

              

Deine Solidaritätsbekundung tut dem gebeutelten Kurt sicher gut. Mit dem Begriff "E-Sport" kann auch ich mich, nach wie vor, nicht so recht anfreunden und diesbezüglich gehe ich mit Stefan auch nur teilweise konform. Ich weiß nicht, warum er das so demonstrativ in den Vordergrund rückt. Unter welchem Oberbegriff die neuen Formen des Schach letztlich zusammengefasst werden, ist für mich eher von akademischen Interesse. Ich halte es auch für diplomatischer, diese Klassifizierung aus dem traditionellen Schachmilieu herauszuhalten. Das provoziert eher Aversion und Ängste, statt Akzeptanz. Da hat man gleich Bilder wie das oben zitierte vor Augen. So sieht nämlich E-Sport in der Praxis aus und da nimmt so mancher zwei sich gegenüber sitzende, denkende Menschen, vielleicht doch positiver wahr, als aufgereihte Ego-Shooter an der Spielkonsole. Klar, die Akteure, Berichterstatter und Akteure dieser Events erleben das ganz anders und fühlen sich quick munter dabei. Kurt kommentiert sonst solche Diskrepanzen gerne mit , "die Geschmäcker sind eben verschieden".  In einem Computerschachforum ist man zwar mitten drin in der elektronischen Spielwelt, aber bei dieser Diskussion geht es eben um Menschenschach:  CSS=Computer, Schach und Spiele.

E-Sport hin, E-Sport her. Warum nicht einfach das benennen, um was es geht, nämlich um Online-Schach. Reicht denn dieser Begriff nicht? Er nimmt dem "leibhaftigen", echten  OTB-Schach nichts weg und beschreibt nur eine alternative Form, sich schachlich zu begegnen. Online-Schach und kürzere Bedenkzeiten machen aber aus Schach noch keinen E-Sport. Die Perspektive, dass das traditionelle Schach nach und nach verschwindet, ist für mich eher dystopisch als realistisch. Der Wunsch nach persönlicher Begegnung, das Treffen vor Ort, - von Angesicht zu Angesicht -,  wird bleiben, auch bei den Profis. Wie ich schon schrieb, der Mensch hat seine gute alte analoge Welt viel zu lieb. Ich habe dieses Thema mit Stefan schon diskutiert :  https://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=159902#pid159902

Über Privatschach und Vereinsschach braucht man in diesem Zusammenhang gar nich zu reden. Die Atmosphäre im Club will geschnuppert sein und die Partie Schach bei einem Gläschen Cognac vor dem Kaminfeuer ist ein Archetyp.

Lars B. schrieb:
Andererseits: Wovon lebt denn das Spitzenschach, wenn nicht von den Zuschauern? Ohne Zuschauer keine Sponsoren. Müssen sie mit Mäzenen arbeiten, und die sind noch dünner gesät als Sponsoren.

Verstehe ich nicht, andrerseits von was? Das spricht doch genau für die neuen Formen und Turniermodi. Das wird mit millionenfacher Einschaltquote kalkuliert und nicht mit ein paar 'Hanserln' im Turniersaal. Wie ich sehe, kommt auch Stefan mit dieser Argumentation nicht ganz klar.

Wahrscheinlich wäre es auch klarer, bei der ganzen Diskussion zwischen Online-Schach und Online-Zuschauen zu unterscheiden. Die Auswahlmenüs auf Chesscom oder Lichess können das ja auch. Stefan, die Online-Zuschauer eines OTB-Turniers, nicht eines E-Sport-Ereignisses, sind es, die beim Berliner Freestyle-Turnier im WEISSENHAUS Private Nature Luxury Resort  die Sponsoren mobil machen. Die Spieler, Veranstalter und das Publikum vermitteln nur die fröhliche und optimistische Life-Stimmung dabei. 


Lars B. schrieb:
Schnellschach ist eine nette Sache als gelegentliche Show. So bin ich immer gern nach Frankfurt/Bad Soden/Mainz gefahren, als die Chess-Classics noch ausgerichtet wurden, weil da auch ganz ganz viel für die Zuschauer gemacht wurde. Als reines Internetspektakel hingegen interessieren solche Schnellschach-Ereignise mich gar nicht; ich würde lieber bei Turnieren mit langer Bedenkzeit zusehen. Wie es scheint, komme ich langsam ins Waldorf-und-Statler-Alter
Grüße
Lars

Rapid ist mein bevorzugter Live-Modus. Das Niveau ist dem der klassischen Bedenkzeit schon sehr nahe. Blitz, ein nervöses Gewurstel, überhaupt nicht mein Fall. Wozu Analysen, wenn der betreffende Spieler es bei 'gesundem' Nachdenken besser kann. Unterhaltsames Straßenschach, aber offensichtlich eben eine Fide -Rangliste und Preisgelder wert.

Ich habe Kurt schon darauf hingewiesent, der Sinquefield Cup, ausgesprochen klassisch, findet gerade statt. Klassisches Turnierschach auf höchster Ebene ist gut übers ganze Jahr verteilt: Tata Steel, Norway Chess, Superbet Chess Classic, Grenke, TePe Sigeman & Co Chess, Kandidatenturnier, WM. Da kannst du doch "Turnieren mit langer Bedenkzeit zusehen" oder wie?

Waldorf und Statler, wer bist du ? Ich mach dann den anderen. Oder Kienzle und Hauser oder Delling und Netzer. Dann musst du aber dem Forum öfter deine Aufwartung machen ! 

BTW: CSS Online, Stand 11. April 2016. In der Zwischenzeit hat sich doch einiges getan. Wann komt ein Update 

Grüßle
Rainer

p.s. Sollen sich halt auch andere zum Thema melden. Die Zukunft des Schachsports steht zur Diskussion.
Parent - By Max Siegfried Date 2024-08-19 13:37
Je kürzer die Bedenkzeit der Partien, desto niedriger die Qualität der einzelnen Züge und der Partien insgesamt.
Das die Zuschauer kürzere Bedenkzeiten wollen, sollte niemanden wundern, denn die gigantische Masse ist schwach im Schach.

Mit anderen Worten:
Während die Spieler zig Möglichkeiten sehen und zig Varianten berechnen, sieht die gigantische Masse nur "Bauer schlägt Bauer" und das wars und im Kopf spielt sich bei denen nichts weiter ab und sie wundern sich warum die Partie nicht weiter geht.
Das Problem liegt hier also ganz eindeutig auf Seiten der Zuschauer.
Parent - - By Lars B. Date 2024-08-19 20:40
Rainer Neuhäusler schrieb:

Deine Solidaritätsbekundung tut dem gebeutelten Kurt sicher gut.

Das würde mich freuen

Rainer Neuhäusler schrieb:

Lars B. schrieb:
Andererseits: Wovon lebt denn das Spitzenschach, wenn nicht von den Zuschauern? Ohne Zuschauer keine Sponsoren. Müssen sie mit Mäzenen arbeiten, und die sind noch dünner gesät als Sponsoren.

Verstehe ich nicht, andrerseits von was? Das spricht doch genau für die neuen Formen und Turniermodi. Das wird mit millionenfacher Einschaltquote kalkuliert und nicht mit ein paar 'Hanserln' im Turniersaal. Wie ich sehe, kommt auch Stefan mit dieser Argumentation nicht ganz klar.

Da habe ich mich leider extrem unpräzise ausgedrückt; ich habe versucht, meine Gedanken in der Antwort an Stefan zu präzisieren. Denn die McZuschauer, nach denen diese Events gieren, generieren zwar schnelles Werbegeld, sind aber beim nächsten Spektakel eben auch wieder ganz schnell weg. Ich halte das für potentiell gefährlich für das Spitzenschach. Uns kann's, na klar, egal sein.

Rainer Neuhäusler schrieb:

Ich habe Kurt schon darauf hingewiesent, der Sinquefield Cup, ausgesprochen klassisch, findet gerade statt. Klassisches Turnierschach auf höchster Ebene ist gut übers ganze Jahr verteilt: Tata Steel, Norway Chess, Superbet Chess Classic, Grenke, TePe Sigeman & Co Chess, Kandidatenturnier, WM. Da kannst du doch "Turnieren mit langer Bedenkzeit zusehen" oder wie?

Ja, schön, daß die Schachkultur noch nicht ganz ausgestorben ist. Aber daß es solche Turniere jetzt noch gibt, heißt ja nicht, daß die Mcdonaldisierung des Schachs nicht weiter fortschreitet und diese auch noch frißt. Die WM wird, bei Gleichstand, schon seit längerem durch Schnellpartien entschieden.

Rainer Neuhäusler schrieb:

Waldorf und Statler, wer bist du ? Ich mach dann den anderen.

Egal! Hauptsache meckern und mosern. Irgendworan muß man sich doch erfreuen, wenn man in die Jahre kommt

LG
Lars
Parent - By Rainer Neuhäusler Date 2024-08-19 23:21
Lars B. schrieb:

Rainer Neuhäusler schrieb:

Waldorf und Statler, wer bist du ? Ich mach dann den anderen.

Egal! Hauptsache meckern und mosern. Irgendworan muß man sich doch erfreuen, wenn man in die Jahre kommt

Da bist du hier genau richtig! Ich habe zwar kein Ranking vorliegen, aber ich vermute, der Moser- bzw. Grantlerfaktor erreicht hier durchaus die rentnertypischen Prozentwerte 
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Parent - By Kurt Utzinger Date 2024-08-19 22:03
Lars B. schrieb:

Kurt Utzinger schrieb:

Mir hängen die dauernden Turniere mit Blitz- und Rapidpartien
mit (fast) immer denselben Spielern [...] langsam zum Hals heraus. Ganz zu schweigen von
den immer beliebter werdenden Freestyle Chess Turnieren.


Dem, lieber Kurt, möchte ich einfach mal so richtig herzlich zustimmen, mir geht's ebenso. Die Ver-e-sportisierung des Schachs finde ich häßlich, unnötig und blöde. Andererseits hat Stefan schon auch recht, zum Teil wenigstens, wenn er schreibt, es beträfe ja bloß die Spitzenleute, nicht uns. Andererseits: Wovon lebt denn das Spitzenschach, wenn nicht von den Zuschauern? Ohne Zuschauer keine Sponsoren. Müssen sie mit Mäzenen arbeiten, und die sind noch dünner gesät als Sponsoren. Schnellschach ist eine nette Sache als gelegentliche Show. So bin ich immer gern nach Frankfurt/Bad Soden/Mainz gefahren, als die Chess-Classics noch ausgerichtet wurden, weil da auch ganz ganz viel für die Zuschauer gemacht wurde. Als reines Internetspektakel hingegen interessieren solche Schnellschach-Ereignise mich gar nicht; ich würde lieber bei Turnieren mit langer Bedenkzeit zusehen. Wie es scheint, komme ich langsam ins Waldorf-und-Statler-Alter

Grüße
Lars


Hallo Lars
Danke für deine Unterstützung.
Gruss
Kurt
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