Bei der Durchsicht von CEGT-Partien fiel mir kürzlich eine Partie
Komodo vs Protector auf,
wo die folgende Stellung entstanden war (gespielt bei Tester Werner Schüle im Dez. 2015):
Weiss am Zuge
Die Stellung scheint ziemlich ausgeglichen (und die Programme bewerten sie auch durchwegs so).
Dementsprechend wollen sie hier alle rumddümpeln mit f3 oder h3 oder Td3 oder b3. Und liesse man sie
die Position in einem grösseren Engine-Turnier ausspielen, gäb's wohl eine Remis-Orgie.
Nicht so aber, wenn der aktuelle Co-Leader
Komodo mitspielte! Dieser "sah" nämlich in der Partie richtig,
dass seine Bauernmehrheit am Königsflügel einen Durchbruch gestattet, und dass diese Option sogar den Verzicht
auf die einzige freie Linie erlaubt. Die Engine fand den in dieser Stellung wohl vielversprechendsten Zug,
um einen Freibauern zu protegieren:
23. Tf1! Td8 24. f4 Td2+ 25. Tf2 Td1 26. Kf3 Kd8 27. f5 Lc5 28. Tg2 Td4 29. f6 Ke8 30. h4 Td1
31. hxg5 hxg5 32. Th2 +- Die Partie ist jetzt (mit dem weissen Freibauern auf f6 und dem schwarzen Schwächling auf g5)
"technisch" gewonnen für Weiss (und Komodo gewann sie auch: siehe untenstehende Original-Notation).
In obiger Stellung ist meines Erachtens das weisse Tf1 der objektiv beste Zug (und ich denke man könnte das auch
in langwieriger Analyse nachweisen), auch wenn es
nicht ein
zwingend gewinnender (ausserdem alles andere
als ein spektakulärer) Zug ist, und auch wenn andere Züge nicht sooo gravierend schlechter sind, weil sie die remisliche Stellung
halt nur zementieren, aber nicht verlieren.
Jedenfalls aber: Das möglichst häufige (Nicht-)Finden solcher Züge in möglichst vielen Partien entscheidet darüber, wo eine Engine
in Ranking-Listen wie dem CEGT schliesslich landet - wie
stark sie also ist. Und
darum spielt Komodo ein derart starkes
und attraktives Schach (und dominiert mit Stockfish so klar die Szene). Das hört sich trivial an, ist es aber nicht.
Ein gut designter Stellungstest macht nun aber gar nix anderes als
in komprimierter Form nach vielen eben solcher Züge
suchen zu lassen. (Wobei Mittel- und Endspiel einigermassen ausgewogen berücksichtigt werden müssen. Die Eröffnungsphase
kann man hingegen in diesem Zusammenhang ignorieren: Kein gut konzipiertes Engine-Turnier wird in den Books oder
in seinen Stellungs-Vorgaben Eröffnungsvarianten zu klaren Un-/Gunsten einer Farbe gestatten, sondern die Programme
in ausgewogene Mittelspiele entlassen).
Kurzum: Ein Stellungstest mit drei- bis vierhundert ausgesuchten Positionen kann - entgegen der hier immer wieder
geäusserten Meinung - sehr wohl recht präzis die Stärke eines Programms eruieren.
Ein wesentlicher Unterschied
zum "traditionellen" Engine-Turnier ist halt:
Der Stellungstest hat ein aussagekräftiges Ranking nicht nach einigen Wochen zusammen, sondern schon nach ein, zwei Tagen...
Gruss: Walter
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Event:
Ort:
Datum:
Weiss:
Schwarz:
Ergebnis
Board
Stellungs-Analyse Komodo:
23.a3 a6
= (0.13 --) Tiefe: 9 00:00:00 21kN
23.f3 Kb7 24.Lf2 c5 25.Le3 c4 26.h4 Kc6 27.hxg5 hxg5 28.Kg3 a6 29.b3 cxb3 30.cxb3 Tf7 31.Tc1+ Kb7 32.Th1 Kc6 33.Th5 Tg7 34.Th8 Lb4 35.Td8
= (0.22) Tiefe: 9 00:00:00 27kN
+/= (0.32) Tiefe: 21 00:00:02 9678kN
23.Tf1 Lc5
+/= (0.43 ++) Tiefe: 21 00:00:02 11485kN
= (0.28 --) Tiefe: 21 00:00:04 22435kN
23.f3 Lc5 24.Td3 Le7 25.Lf2 c5 26.c4 a6 27.Td1 Th8 28.Le3 Kb7 29.h3 Kc6 30.b3 Kb7 31.Td7 Th7 32.Kg3 Kc6 33.Td3 Tf7
+/= (0.33) Tiefe: 21 00:00:04 26218kN
+/= (0.32) Tiefe: 22 00:00:06 35387kN
23.Tf1 Td8 24.f4 Td2+ 25.Tf2 Td1 26.f5 Kd7 27.c3 Ke8 28.Kf3 Lc5 29.Te2 Kf7 30.b4 Lf8 31.Tc2 c5 32.Lf2 a6 33.Ke4 Td5 34.Le3 Lg7 35.f6 Lf8 36.a3 Td1 37.h3 Td5 38.Tc1 c4 39.Tc2 a5 40.Td2 Txd2 41.Lxd2 axb4 42.axb4 c6
+/= (0.40 ++) Tiefe: 22 00:00:06 35561kN
+/= (0.58) Tiefe: 34 00:03:29 1418MN, tb=10696
.