[quote="Guido Belligoi"]
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Schach gegen Engines ist doch eher Training (wobei man da aber eher 'mit' als 'gegen' die Engine spielt/trainiert) oder Unterhaltung. Und für GM Schmaltz war der Unterhaltungswert möglicherweise nicht so groß, wie das für viele Computerschachfreunde der Fall ist. Durchaus möglich, daß das mal anders war, als er die Engines noch (ab und zu oder regelmäßig) schlagen konnte, und in meinen Augen sogar nachvollziehbar, wenn sich das geändert hat, auch wenn es sich dadurch geändert hätte, daß die Engines für ihn unbesiegbar geworden sind. Das einfach auf sein Ego zu schieben, halte ich für eine aus der Luft gegriffene Spekulation. Das hat für mich persönlich einen so negativen Beigeschmack, daß ich mich weigere, das zu glauben, solange es nicht irgendwelche Indizien gibt, die dafür sprechen.
Aber selbst wenn es so wäre ... na und?
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Na und das erhitzt die Gemüter hier wieder einmal weil:
Schach mit oder gegen engines ist eben als Training ganz etwas anderes als Unterhaltung. Training im sportlichen Sinn muss immer etwas weh tun, damit es Sinn hat, zumindest muss es einen (möglichst immer nur ganz ganz leicht ) aber fordern bis überfordern, selbst um einen Trainingszustand nur zu halten muss man an die Grenzen immer wieder etwas heran.
Blosse Unterhaltung ist etwas anderes und am Spiel mit engines oder auch nur beim Zusehen, wie sie spielen, unterhält die einen mehr, die anderen weniger, das (inter)aktiv bis passiv Züge mitrechnen, sich vorrechnen lassen, verstehen oder auch einfach gewinnen, gewinnen, gewinnen wollen, dürfen, müssen, nicht können und trotzdem danach lechzen.
Das alles unterhält irgendwie, irgendwen, mal mehr, mal weniger, mal furchtbar, mal gar nicht.
Leidenschaft, Überwertigkeit, Suchtverhalten, Vereinsamung, das alles kommt dabei vor, es geht aber auch ohne.
Drum gefällt mir deine Einteilung in Training oder Unterhaltung ganz gut, es sind keine psychologisch überladenen Fachbegriffe und gerade deshalb hier so gut verständlich für mich und passend gewählt, man muss sich nicht immer gleich zu den Melodramen und pseudowissenschaftlichen Diagnosen aufschwingen.
Zwischen den sportlichen Trainings- und den schlichten Unterhaltungswert würde ich noch etwas stellen, was etwas mit wissenschaftlichem Interesse und Forscherdrang zu tun hat, sowohl auf dem Gebiet der Schachtheorie, allgemeiner Spieltheorie als auch natürlich EDVologie ganz allgemein und Programmiertechnologie im Speziellen.
Es muss auch nicht gleich wieder als hehre Wissenschaft betrachtet werden, wenn ich aber seit Jahren und Jarhzehnten Partie um Partie sammle, die mir sammelnswert erscheint und zu einem Buch zusammenfüge, dann ist das allein auch schon ein Hobby, das dem Sammeln von Briefmarken oder anderen Dingen, denen man Sammlerwert zuschreibt, wohl voll ebenbürtig ist.
So etwas dann der Nachwelt zu hinterlassen mag durchaus mehr als nur sentimentalen und auch bleibenden Wert haben, es ist nicht ganz so kurzlebig wie die Zeitungen von gestern und auch die kann man sammeln.
Was gibt das Thema an Motivationsforschung noch her: je nachdem wie persönlich man es nimmt, Romane oder Anamnesen, schöne gemeinsame Erinnerungen, zerstörte Freundschaften oder einsame Stunden voller Frustration und Einengung auf wahnhafte Ausweglosigkeitserlebnisse, Abgründen von Depersonalisation einerseits und manischen Euphorien andererseits.
Was immer man jetzt bei einem Einzelschicksal an interessanten Details entdecken will, nach einem Interview mit jemandem, der es eine Zeit lang sicher ziemlich intensiv betrieben hat und dann angeblich gar nicht mehr, wenn es noch so lang ist (eh wurscht, ich hab's eh gar nicht gelesen, weil's mich eigentlich eh nicht wirklich interessiert
), man wird sich zuletzt doch immer auf schiere Vermutung, so reizvoll die auch sein mag, stützen bei der Frage, was hat den jetzt wirklich so oder so handeln lassen.
Eine wahnwitzige Theorie hätte ich, wie gesagt natürlich auch völlig unberufen und aus der Luft gegriffen, schon auch noch anzubieten:
vielleicht hat der in Rede stehende GM es einfach nicht mehr ausgehalten, sich so sehr mit Schach beschäftigen zu müssen, mit oder ohne Computer, mit dem aber natürlich erst recht weil omnipräsent, dass er keine andere Wahl mehr hatte, seinen gesunden Menschenverstand zu retten, als es sein zu lassen.
Bobby Fisher hat ja seinen eigenen Aussagen zufolge auch das Interesse an diesem Schach verloren, das ihm zu einem Lernsport verkommen war und ob er zuerst geisteskrank war und dann nicht mehr Schach spielen konnte oder seiner labilen psychischen Konstitution das Schach einfach zuviel geworden ist, wer wird das je sagen können?
Dazu lese ich als nächstes ein Buch von Fabio Stassi "Die letzte Partie" nach der historischen Tragödienvorlage, die sich zwischen Capablanca und Aljechin, was man dazu schon so gehört und gelesen hat, tatsächlich so ähnlich abgespielt haben soll.
Alles in Allem ein sehr interssantes Thema, warum spiele ich Schach und gerade so viel mit und so viel ohne Computer, was habe ich davon und sollte ich es nicht lieber lassen?
Wie würde sich dann wohl auf meine Einkommensverhältnisse und mein Sozialleben auswirken, wenn ich statt dessen pokerte, kann man das mit dem Computer so gut wie Schach spielen und wie wird das Wetter morgen?
Alle diese Fragen stellen sich für einen jeden einzelnen eigentlich viel mehr in Hinblick auf die eigenen Motive als die der anderen, wollte ich mit all dem eigentlich nur sagen.