Hallo Peter, hallo Olaf!
Euch beiden sei Dank, dass ihr mir noch einmal Anlass gebt, meine weitscheifigen Analysen zum Phänomen Fischer von weiter oben noch einmal zu relativieren.
Es ist wieder einmal wie so oft: hätte ich gleich geschwiegen, wäre ich zwar auch kein Philosoph geblieben, hätte aber wenigstens nicht immer noch weiteren Erklärungsbedarf durch das geschaffen, was ich lieber gleich gar nicht geschrieben hätte.
Zur Entschuldigung, zum Thema überhaupt noch weiteres, was auch samt und sonders ins Reich der reinen Spekulation gehört, beigetragen zu haben:
Die Person als solche polarisierte einfach immer schon und tut das auch jetzt noch.
Soviel kann man ihm jedenfalls nicht absprechen: er lässt keinen kalt.
Weder dass er praktisch ohne Vater aufgewachsen ist, noch dass er so gut schachspielen konnte, ist eine Rechtfertigung und sicher auch nicht einmal eine ausreichende Begründung für seine sozialen Entgleisungen.
Dennoch war es halt so, dass die Legenden, die sich immer schon um ihn gerankt haben, für viele Leute zur Zeit, als er erfolgreich war, sehr gut brauchbar waren für die verschiedendsten politischen und anderen Zwecke und nicht alles, was man aus der Figur, der Person, dem Schachspieler gemacht hat, war allein sein Verdienst oder allein seine Schuld.
Vieles wurde auch sicher einfach dazu gedichtet, überinterpretiert, aus dem Zusammenhang gerissen und bewusst oder unbewusst übersehen, nicht gewusst und nicht beachtet.
Über jemanden, von dem man über seine persönlichen Beziehungen, Motive und Verhaltensweisen so wenig erfahren hat, wie über Bobby Fischer, der aber so im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gestanden hat, musste diese Öffentlichkeit fast zwangsläufig ein Menge Zerrbilder, Schablonen und Unwahrheiten präsentiert bekommen.
Er war ein großer Schachspieler, das ist schachlich ziemlich unbestritten und der Begriff Genie ist in dieser Hinsicht ebensowenig in Elo messbar wie die Elo die Spielstärke von irgendjemandem, auch nicht von Computern, anders als im Vergleich zu denen, gegen die direkt gespielt wird, abbilden, daneben ist ebenso relativ, was genau für Eröffnungstheorie gespielt wird, was gewusst wird von welchem Spieler zu welcher Zeit.
Ob er gegen Karpov oder Kasparov zu seinen besten Zeiten gewonnen hätte, weiß man genau so wenig, wie ob er, schon psychisch gezeichnet, noch Chancen gehabt hätte.
All das interessiert mich persönlich aber eigentlich auch viel weniger, als die Frage, was gibt das Beispiel eines, wenn auch vielleicht einseitig, so doch jedenfalls besonders Begabten ab an offensichtlichen Fehlern, die er, und die man im Umgang mit ihm gemacht hat.
So wie er als Figur eines größeren Schachspiels eingesetzt wurde, und er hat daran sicher seinen Teil gehabt und aktiv mitgespielt, so wie er auch am Brett Fehler gemacht hat, so wurden in dem Spiel um das Schachbrett und um ihn herum, Fehler gemacht, die Partien gekostet haben, letzten Endes auch die Partie seines Lebens unnötig kurz und unnötig qualvoll gemacht haben.
Einer davon ist sicher, die Dinge zu einseitig, zu schwarz- weiß und zu one tracked zu sehen. Dass das Schachspielern leicht passiert, ist aber kein Wunder.
Schablonen, die irgendwie passen: der einsame Streiter, dem das Gewinnen in der bis zur Askese betriebenen Kunst ein Lebensinhalt war, der auch deshalb im übrigen Leben nicht erwachsen, nicht sozial kompetent und nicht verträglich wurde, weil er nicht verlieren konnte.
So lange das Erfolg hatte, wurde er dafür bewundert, als er der Last nicht mehr gewachsen war, die immer nächste Herausforderung auch am Schachbrett immer wieder neu annehmen zu können, weil vielleicht einfach die Angst zu verlieren zu groß wurde, ließ man ihn fallen.
So wie er nicht gelernt hat zu verlieren, so hat die Welt um ihn herum das auch nicht an ihm lernen können. Man wollte Bobby Fischer nicht verlieren sehen, dann lieber auch gar nicht spielen.
Ist doch immer wieder deutlich zu hören: er hätte ohnehin gegen den und jenen verloren, wozu das überhaupt sehen, wenn man's doch eh genau weiß.
Bin ich endlich halbwegs verständlich: mir tut es um den Schachspieler leid, den Menschen habe ich leider nicht gekannt und werde ihn auch nicht mehr kennenlernen, das ist zu spät, vorbei, keine Geschichte, die noch so lückenlos über ihn berichtet, macht ihn wieder lebendig, so werden wir alle nie erfahern, ob einer von uns ihn überhaupt hätte kennenleren wollen, gar so angenehm dürfte das ja für einige, die Gelegenheit dazu hatten, gar nicht immer gewesen sein.
Seine Partien leben aber noch, sie sind schön und gut und nachspielenswert, lehrreich und vieles daran war einfach neu zu ihrer Zeit, das hat Wert, auch wenn es mittlerweile relativiert, bekannt, abgespeichert und hie und da widerlegt ist. Mir tut es leid um das Können, das Wissen und die Arbeit, die der Mann am Schachbrett geleistet hat, weil sein eigener asozialer Siegeswille ihm das vermiest hat und das Go Bobby Go der "Fans", die Möglichkeit für ihn, weiterzuspielen und dadurch vielleicht zwar öfter und öfter zu verlieren, aber weiter beizutragen, zum Spiel und zum Leben, ein für allemal vorbei ist.
Viel zu früh, vielleicht schon nach dem einen "großen" Sieg gegen Spasski, den "kleinen" dann später hat man ihm ja wirklich von außen schon absolut nicht mehr gegönnt, das sei das Geld nicht wert gewesen, auch wenn es die USA dennoch für sich vereinnamt haben, man hätte das so dort nicht abhalten dürfen, mag ja alles stimmen aber:
Er hat wenigstens noch einmal spielen dürfen und gewinnen, tragischer Weise hat das weder dem Schach noch Fischer noch der Welt mehr so genützt, dass davon mehr als das Geld übrig blieb. Im Gegenteil, es war das Ende des Restes an Achtung, die die Welt Fischer entgegenbrachte und damit auch das Ende der Achtung von Fischer der Welt gegenüber, wie er sie kannte.
Er durfte zu schlechter Letzt nicht nur nicht mehr verlieren, er durfte auch nicht mehr gewinnen, nicht so, nicht gegen diesen Gegner, nicht dort und vor Allem nicht mit der Haltung, die der dabei der "Heimat" entgegenbrachte und eigentlich der ganzen Welt, repästentiert durch die Medien, die darüber berichtet haben.
Krank von Anfang an oder nicht, wie sehr, wie endogen oder exogen auch immer, wird man nie beurteilen können im Nachhinein, wie selbstverschuldet oder wie schicksalshaft.
Aber allein die Vorstellung, er hätte für das alles allein und für sich selbst vielleicht wirklich nicht ganz soviel gekonnt, als dass es natürlich auch einfach vorwiegend selbstgewählte asoziale Haltung gewesen sein kann, allein die Vorstellung, er sei vielleicht einfach von Natur und Schicksal aus eine ganz ganz arme Sau gewesen, diese Vorstellung lässt mich nicht ruhen.
Was, wenn Schachspielen vielleicht einfach wirklich das Einzige war, was er lernen konnte, weil er dafür allein so begabt war, dass daneben nichts mehr Platz hatte, hätte er dann wirklich darauf und darin gewinnen zu wollen und zu müssen, um zu zeigen, wie gut er es konnte, verzichten sollen und können, um ein besserer und vielleicht glücklicherer Mensch zu werden?
Und hätte dann nicht vielleicht doch der eine oder andere von uns, die wir nur sein Schachspiel sehen wollten, wir, sein Publikum, nicht vielleicht doch auch etwas sorgfältiger damit umgehen sollen, dass dieser große Winner schon zu seinen Glanzzeiten sich als ziemliches Arschloch benommen hat?
Vielleicht war's ja aber, als er so richtig zu gewinnen angefangen hatte, schon zu spät dazu für eine Welt, in der das Gewinnen halt mehr zählt als das Spielen.
Wen interessiert das aber überhaupt außer mir, das ist jetzt nicht das Problem von Fischer, der hat's ohnehin hinter sich, das ist nur mein Problem allein und eigentlich will ich es auch gar nicht zu dem von irgendjemand anderem machen.
Daher auch gleich noch eine kleine Entschuldigung denen gegenüber, die das alles etwas einfacher und pragmatischer sehen wollen:
Dass es jemand, der sich derart außerhalb der Gesellschaft stellt, nicht verdient, von ihr bewundert zu werden, und dass das Schach, das er gespielt hat, einfach nichts ist an Relevanz im Vergleich zu dem Eindruck, dass er ansonsten eine ziemliche Krätze war, so kann man das sicher auch sehen.
Ich nehme es niemandem persönlich übel, das lieber so sehen zu wollen und es damit gut sein zu lassen, irgendwie ist es sicher auch die angenehmere Haltung und schadet vermutlich auch im Nachhinein kaum mehr, merke ich gerade beruhigt.