Danke Thorsten, für die Anregung!
Dies ist kein überlanger Beitrag, sondern ein kleiner Artikel über Frederic Friedel, die Zeitschrift und das Forum CSS
Frederic Alois Friedel, in Bombay geboren, Mitbegründer von ChessBase und CSS-Redakteur, bei diesem Namen werden die goldenen Zeiten des Computerschach lebendig, jene Zeiten in denen dieser Aficionado, Entwickler, Botschafter und Businessman in Personalunion das internationale Flair der Schachwelt repräsentierte und uns Leser daran teilhaben ließ. Er schrieb über die Schach- und die Computerschach Prominenz, über die Weltmeisterschaften und die großen Schachturniere von Mensch und Computer. Sehr oft war er selbst vor Ort und wurde dafür belohnt mit zahlreichen Freundschaften und Bekanntschaften. Eigentlich kennt er sie alle und sie ihn und besonders gut Kasparow, Anand, Carlsen, Kramnik, Lékó, Short, Svidler, Topalow und den Polgár-Schwestern. 1997 war er Mitglied im Kasparows Team im Wettkampf gegen IBM's Deep Blue. Gary war des öfteren Gast in seinem Haus, wobei er dann dem Weltmeister die neuesten Features seiner Schachdatenbank vorführen und schmackhaft machen konnte.
Besonders gut gefiel mir sein CSS-Artikel "Bin ich nun Großmeister oder was? (CSS,1/91), in dem Frederic recht anschaulich schildert, wie er bei einer WM in New York plötzlich im erlauchten Kreis von renommierten Schachgrößen wie Tal, Seirawan, Dzindzichasvili und Byrne auch schachlich ernst genommen wurde, weil sie wussten, dass seine Analysen mittels Computer (damals noch auf IM-Niveau), Endspieltabellen und Schachdatenbank neue und wertvolle Erkenntnisse vermitteln konnten. "Sie nehmen es mir nicht übel, sondern sie freuen sich, einen Vertreter der Computerschach-Gemeinde, der nur noch selten Unsinn redet, als Gesprächspartner zu haben. "
Eine schöne, eine lebendige und inhaltsreiche Zeit, in der F.F. und Dieter Steinwender, der Herausgeber, noch in diesem Forum wandelten. Wie schade, dass das eigentlich versprochene Archiv für dieses erste Forum (vor 2008-08-20 10:33) nicht zustande kam .
Da gab es einen Programmierlehrgang (Steinwender, Donninger), Statistik-Kurs (F.Schubert), eine CSS-Sprechstunde mit führenden Programmierern, einen Hardware-Ticker, Engine-News, WM-Berichte, sowohl für Schach als auch für Computerschach.
Wie gerne las ich in dem viel zu selten erscheinenden und nur an die 50 Seiten umfassenden Magazin einen gewissen Thorsten Czub, der uns über die Rivalität mit seinem stolzen Mephisto-Roma-Nachbarn am laufenden hielt, dem er aber mit seinem Leonardo Maestro B, mit Turbo Kit und 18 MHz eine vernichtende Niederlage zuteil werden ließ. Kam eher schelmisch daher, damals, der Thorsten...
Michael Scheidl (im CCC Mike Scheidl), CSS-Mitarbeiter und Poster der ersten Stunde, konnte sich ob des neuen Mediums 'Forum' vor Begeisterung nicht mehr einkriegen, hinterließ praktisch in jedem Thread seine Marke, benutzte sofort die Möglichkeit, Links in die Forumsbeiträge einzubinden und machte sich einen Spaß daraus, recht laute Clips zu verlinken, so dass man man vor Schreck fast vom Stuhl fiel, wenn man sie klickte. Das wurde ihm aber dann von Frederic öffentlich im Forum untersagt. Sah man Michaels Profilfoto in Krawatte, Anzug und weißem Hemd, hätte man ihm diese unterschwelligen Tendenzen gar nicht zugetraut. Der Scheidl übernahm auch des öfteren die Forums-Nachtwache. Während seiner solchen schmiss er mich einmal raus bzw. löschte meinen Beitrag. Zu Recht, denn meine Bemerkung "es lebe der Zentralfriedhof" angesichts eines honorigen Treffens altgedienter Computerschach-Veteranen, war schon nicht mehr zynisch, sondern einfach nur degoutant. Nun, Michael hat hier vor nicht allzu langer Zeit seinen etwas despektierlichen Abgang eingeleitet. Es kamen danach noch ein paar sporadische Wortmeldungen, aber das neue Computerschach, der Engine-Sport, das ganze Milieu, das war einfach nicht mehr das seine. Ich glaube seine provokative Metapher von "den Betonplatten des Schwachsinns" war mit auch eine Bewältigung des eigenen Trennungsschmerzes. Von langjährigen Weggefährten, die böse sind, trennt man sich leichter.
Ich erinnere mich an die wertvollen Infos der Redakteure und Artikel-/ Rubrikenschreiber Helmut Conrady, den TB-Spezialisten und Christian Liebert (cl), den pesonifizierten Hardware-, Engine- und Software-Ticker.
Die Liste der ständigen Mitarbeiter liest sich illuster (1999-2003): Christian Donninger (Nimzo, MiniMax, PC Schach) Feng-hsiung Hsu (Deep Blue), Enrique Irazoqui (Schachcomputer-Tester und unvergesslicher Darsteller des Christus in dem bahnbrechenden Pasolini-Film "Das 1. Evangelium"), Thoralf Karlsson (SSDF), H.-P. Ketterling (Elektro-Schach, einer der ersten), David Levy (zeitweise Präsident der ICGA, TV-Showkämpfe gegen Großcomputer) ), J.Nunn (der Großmeister und Engine-Tester), Ken Thompson (der TB-Pionier).
Die Rekrutierung dieser Elite des Computerschachs als CSS-Autoren trug eindeutig den Stempel des international renommierten Ansprechpartners und Mittelsmannes Frederic Friedel.
Schätze, dass die genannte Prominenz das nicht ganz umsonst gemacht hat und die Honorare der Zeitschrift einiges gekostet haben, wenn auch zu Friedel-Verhandlungspreisen, versteht sich. Bezahlung gehört so selbstverständlich zum Professionalismus wie der Opferstock in die Kirche. Das Nachsehen hatten dann wohl die eigenen Leute, denen die leere Kasse unter die Nase gehalten wurde und mehr oder weniger Pro Deo arbeiten durften.
'Vergoldet' mit protzigen Gewinnspannen waren diese Zeiten nur für die Hersteller und Verkäufer der wirklich schönen Luxus-Edelholz-Schachcomputer. Nach ein paar Jährchen war auch damit Schluss. Aus Edelholz wurde zunehmend Plastik und die Brettmodule allmählich ersetzt durch die PC-Schachprogramme und mit der nackten Engine-Software und den vielen kostenlosen Downloads genialer Hobby-Programmierer konnte man das Wort 'lukrativ" dann endgültig der Vergessenheit anheim fallen lassen.
"Bitte alles umsonst , das war der Wahlspruch im neuen Medium Internet. Zurück zu den CSS- Mitarbeitern.
Mit ' 3-Hirn' Prof. Dr. Ingo Althöfer, Glarean-Herausgeber Walter Eigenmann, Sefan Zipproth und dem mit dem Computerschach verwachsenen Frank Quisinsky haben wir damalige CSS-Mitarbeiter, die auch noch im NN-Zeitalter des Maschinenschachs dem gegenwärtigen Forum ihre Mitwirkung zuteil werden lassen. Sie und noch einige andere mit anschaulich-analogem Verstand verhindern, dass die Chose komplett in die Engine-Matrix abgleitet. Lars Bremer, der gegen Ende praktisch allein die CSS-Online repräsentierte, hat dem Computerschach wohl Ade gesagt. Schade! Andreas Mader vom ehemaligen Magazin PC Schach zählt natürlich auch noch zur altgedienten Forumsprominenz. Es würde jetzt allerdings im Rahmen dieser Reminiszenz zu weit gehen auch noch auf Marcus Kästner und Detlef Elvis Pordzik und ihr damaliges Konkurrenzblatt ChessBits einzugehen. Wert wäre es das allemal.
Fühlt sich jemand vergessen? Bitte melden! Oh ja, die Ranglisten mitsamt ihren fleißigen Testern über all die Jahrzehnte hinweg. Man nimmt sie wahr als selbstverständliches Inventar und hat sie längst als Permanent-Links gebookmarkt. Sie gehören zum Computerschach wie die obligatorischen Tabellen jeder anderen Sportart auch. Hier die bekanntesten mit regelmäßigen Updates: CEGT (H.v.Kempen, Team), CCRL (G.Banks), SSDF (T. Karlsson, L.Sandin),TCEC (M.Thoresen, Chessdom), SPCC (S. Pohl), FGRL(A.Strangmüller) Ipman Chess (Ipman), ERET (W. Eigenmann).
Dass Herr Friedel als eine Respektsperson, als "graue Eminenz", oder wie auch immer, in der Szene wirkte, dessen wurde ich erstmals bei der Microcomputer-WM in Glasgow gewahr. Bei irgendeiner Gelegenheit, in der F.F. in Sichtweite war, kam die Schwester von Thomas Nitsche, dem damaligen Mephisto-Programmierer auf mich zu und murmelte mit vertraulicher Stimme, "bei dem musst du aufpassen, was du sagst". Nun, zu einer persönlichen Gesprächssituation kam es leider nicht, ich nehme an, dass sie damit bedeuten wollte, ich soll ja keine Interna ausplaudern. Das hätte sowieso einen ganz schönen Anschiss von Ossi Weiner nach sich gezogen oder sogar die sofortige, spesenlose Heimreise bedeuten können. Sowas konnte der Ossi, ohne mit der Wimper zu zucken. Andererseits war er ein begnadeter Witze-Erzähler und voll Wohlwollen und Verständnis, wenn man das machte, was er wollte : )
Ja, wo war ich stehen geblieben? Genau, bei der heilen Welt des Computerschachs und der anfänglich euphorischen Akzeptanz des Internet. Doch allmählich wurde sie dann sichtbar, die dunkle, die unkontrollierbare Seite der beginnenden Ära, die neue, schonungslose, distanzlose, insultante Welt der Social Media. Es gab keine schützende Barriere mehr zwischen Redakteur und Journalist auf der einen Seite und der Community auf der anderen. Ich schätze, markt- und forumserfahrene Leute wie Friedel und Steinwender sahen und (ver)spürten sehr schnell, worauf dieses gleichmacherische, aggressive, freche, Etikette verweigernde 'auf Augenhöhe' hinauslief und zogen umgehend die Konsequenzen. Diese Plattform war für sie beruflich gestorben. Internet, zum Geld verdienen und privat mit Facebook und Twitter ja, zum diskutieren mit dem Kunden und der Community, nein. Eine Maxime, an die sich Chessbase und Mitarbeiter bis heute konsequent halten.
Neue Informations- und Meinungsdistributoren gibt es heute, Influencer, Blogger, Youtuber, und wer es von ihnen schafft, dem verhelfen seine Follower zu Popularität und Einnahmen, von denen die klassischen Printmedien nur träumen konnten. Leider sind viele nicht vom Fach, keine Gelernten, keine Studierten, keine Ausgebildeten. Meinung, Tastatur, Flatrate, Webseite, mehr brauchen sie nicht. Aber ohne Ausnahmen gäbe es keine Regeln und warum sollte man sich nicht auch begabte Autodidakten gefallen lassen? Auch in Sachen Schach und Computerschach kann man nach längerem Suchen durchaus ein paar ernst zu nehmende Experten finden.
Diese überwiegend nostalgische Rückschau in Sachen Computerschach, Frederic Friedel und CSS ist für mich jetzt Anregung genug, nun endlich den Power-Fritz zu kaufen. Es wird Zeit, dank dem UCI-Protokoll von Stefan Meyer-Kahlen(SMK) die einschlägigen und neuen Engines zu installieren und dank Yu Nasu's NNUE auch ohne sündteure RTX mal wieder ein schönes Gambit-Turnier aufzulegen.
Load the engines and enjoy
Rainer Neuhäusler
Rainer Neuhäusler schrieb:
Danke Thorsten, für die Anregung!
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Zurück zu den CSS- Mitarbeitern.
Mit ' 3-Hirn' Prof. Dr. Ingo Althöfer, Glarean-Herausgeber Walter Eigenmann, Sefan Zipproth und dem mit dem Computerschach verwachsenen Frank Quisinsky haben wir damalige CSS-Mitarbeiter, die auch noch im NN-Zeitalter des Maschinenschachs dem gegenwärtigen Forum ihre Mitwirkung zuteil werden lassen.
NACHTRAGDie CSS-DVD "Chronik des Computerschachs" (Hefte 1983-2000) weist noch zwei weitere CSS-Autoren aus, die heute noch im Forum schreiben:
KURT UTZINGER, mit seinen gefragten Partie-Analysen.
6/1986: "Trau keinem über 2000";
2/1989: "Super Forte ganz super
CPW:
https://www.chessprogramming.org/Kurt_UtzingerSTEFAN POHL, damals wie heute mit neuen Ideen unterwegs.
3/1995: " 140 Elo-Punkte zugelegt. Wie man mit selbstdefinierten Figuren-Felder-Tabellen Fritz 3 tunt"
Derzeit wirkt Stefan auch als Berater in Sachen Computerschach für den recht rührigen und erfolgreichen Youtuber THE BIG GREEK, IM Georgios Souleidis
https://perlenvombodensee.de/2021/05/09/griechisch-preussisches-phil-collins-double/ _____________________
Bei der Gelegenheit mein Dank an DIE PERLEN VOM BODENSEE und an das GLAREAN-MAGAZIN, ein wahrlich reicher Fundus für essentielle und aktuelle Themen in Sachen Schach und Computerschach!
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Die letzte Print-Ausgabe von CSS war Heft 6/ 2004.
So schön die goldenen Jahre waren, so deprimierend war es mit anzusehen, wie in der mit hohen Erwartungen verknüpften Online-Version die Artikel und Autoren innerhalb von 4 Jahren immer weniger wurden. Auch wenn die Seite noch besteht, was übrig blieb ist ein Archiv. Vielleicht sind da heute ein paar Insider schlauer, welche Faktoren da ungünstig zusammenwirkten ?
Was die Handvoll über die späteren Jahre verstreuten Einzel-Artikel für ein Medium repräsentieren sollten, weiß ich nicht. Vielleicht als Nachweis für ungekündigte Rest-Abos
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Von FREDERIC FRIEDEL gibt es natürlich auch eine Stellungnahme zum Fall Carlsen/Niemann. Ich verstehe gar nicht, warum das Interview hier noch keine Erwähnung fand, oder habe ich das übersehen?
Er beschäftigt sich seit 25 Jahren mit Betrug im Schach und berichtet aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz als Turnierbeobachter. Sehr aufschlussreich seine Bewertung der Beweislage mittels Chessbase-Software. Mit 1 Euro ist man dabei, soviel kostet das einmonatige Probe-Abo beim SPIEGEL.
https://www.spiegel.de/sport/magnus-carlsen-vs-hans-niemann-schach-experte-geht-nicht-von-betrug-aus-a-aab77052-b2d4-4fb1-a133-b44d4baa03b2