Nochmals besten Dank für die erhellenden Erklärungen und Hinweise von allen! Sie geben einen guten Einblick und Überblick zur Rolle der Netze. Als Anwender beschäftige ich mich zwar schon länger mit der Materie, aber hier und da tun sich doch Lücken im Verständnis auf, die zu falschen Urteilen führen können.
Im Fernschach, wo es auf die Analysequalität der Engines ankommt, zeigt sich deutlich, dass sich die Spitzenengines mit zunehmender Rechenzeit in ihren Ergebnissen und Bewertungen fast vollständig angleichen, was nicht nur einzelne Zugfavoriten betrifft, sondern oft lange Varianten, deren forcierter Charakter dem menschlichen Auge zunächst verborgen bleibt. Generell zeigt sich, dass leichte Stellungsvorteile einer Seite sich mit zunehmender Rechentiefe zu 0.00 verflüchtigen, ohne dass sich die Remismauer objektiv noch einmal durchbrechen lässt. (Ausnahmen sind sehr selten.)
Ganze Sets von Zugkandidaten und sich anschließenden Varianten gleichen sich in großen Rechentiefen an, und man sucht eigentlich oft schon
frühzeitig, d.h. etwa in den ersten zehn Zügen - je nach Ausgangslage - nach solchen Fortsetzungen, die eine Remisforcierung bzw. Stellungsverödung vermeiden und schaut, welche Risiken man dabei eingehen kann (=Gewinnversuch mit Weiß bei dem man versucht, dem Gegner Probleme zu stellen) oder im Gegenteil die Remiswahrscheinlichkeit erhöhen (=Verteidigung mit Schwarz, wobei auch hier manchmal trotzdem Verödungen/Vereinfachungen vermieden werden können).
Die Unterschiede zwischen Leela und Stockfish erscheinen dabei nur noch als feine Nuancen, und es stellt sich die Frage, welche Erfahrungen und Überlegungen der menschliche Spieler selbst einbringen kann, um eine intelligente Wahl im überwuchernden Variantendschungel einbringen kann, um seine Chancen zu optimieren oder die Sache wenigstens noch interessant zu gestalten.
Vermutlich ist das alles sattsam bekannt, aber vielleicht interessiert es doch den einen oder anderen, es mal aus dem Munde eines Fernschach-GM zu hören. Hier ein Link, wo man die Partien des gegenwärtigen Topturnieres (70 Jahre ICCF) live (mit 5 Zügen Verzögerung) verfolgen kann. Teilnehmer ist - neben fünf ehemaligen Fernschach-Weltmeistern - FIDE-GM Jan-Krzysztof Duda (2743), gegen den ich mit Weiß eine sehr interessante Caro-Kann-Partie habe.
Hier der Link. Man gelangt zu den Partien durch Anklicken in der Tabelle:
https://www.iccf.com/event?id=90496