Liebe Schachfreunde
Mein Liebling aller Schachspieler heisst Capablanca (die Leichtigkeit des Seins), gefolgt
vom tiefsinnigen Petrosian. Die Partien von Capablanca studiere ich immer wieder und suche
nach Kommentaren dazu, um diese Partien noch besser verstehen zu können. Dabei kommen
mir dann oftmals Zweifel
a) ob ich den Durchblick nicht habe
b) ob die Kommentare nicht zu oberflächlich sind/waren
und heute möchte ich so eine Partie vorstellen in der Hoffnung, es gelinge jemandem, meine
Zweifel auszuräumen. Zuerst die für mich kritischen Stellungen, dann die komplette kommentierte
Partie als PGN (nicht als Viewer, weil man diese PGN nicht brauchen kann).
Kupchik-Capablanca 1926
Weiss zog m.E. unnötigerweise 16.Lb5 statt sofort 16.f4
Kupchik-Capablanca 1926
Weiss zog 19.Tf3?! statt wie ich meine besser 19.La4 nebst Lc2
Kupchik-Capablanca 1926
Schwarz zog 19...h5 (vielfach gelobt), aber war nicht 19...Lc6 ebenso gut?
Kupchik-Capablanca 1926
Weiss zog den nicht kritisierten Zug 20.Tef1 (m.E. ist 20.Th3 besser)
Kupchik-Capablanca 1926
Weiss zog 21.Le1 (für mich ein ?, Weiss sollte an die Verteidigung denken)
Kupchik-Capablanca 1926 (Schluss-Stellung)
[Event "Lake Hopatkong"]
[Site "USA"]
[Date "1926.07.08"]
[Round "2"]
[White "Kupchik, Abraham"]
[Black "Capablanca, Jose"]
[Result "0-1"]
[ECO "A47"]
[EventDate "1926.07.08"]
[Annotator "Utzinger,K"]
1.d4 Nf6 2.Nf3 e6 3.e3 b6 4.Bd3 Bb7 5.O-O Ne4 6.Nbd2 f5 7.c3 Be7 8.Qc2 d5 9.Ne5 O-O 10.f3 Nxd2 11.Bxd2 Nd7 12.Nxd7 Qxd7 13.Rae1 c5 14.Qd1 Rf6 15.Qe2 Raf8 16.Bb5
{Ein unnoetiger Zug anstelle des sofortigen 16.f4}
16...Qc7 17.f4 c4 18.Kh1
{Raeumt das Feld g1 fuer einen weissen Turm und mit der deutlichen Absicht, spaeter einmal mit g2-g4 die g-Linie zu oeffnen in der Hoffnung auf einen Koenigsangriff}
18...Bd6 19.Rf3
{? Sieht logisch aus, ist aber inkonsequent. Wichtig war es, den weissen Laeufer mit 19.La4 zu erhalten und ueber c2 ins Spiel zu fuehren}
19...h5
{Ein fuer mich ueberraschender Bauernvorstoss, den John Watson in seinem Buch "Geheimnisse der modernen Schachstrategie" wie folgt kommentiert: "Viele wuerden in dieser Stellung die schwarzen Steine bevorzugen, da Schwarz Optionen wie ...a6, ...b5-b4 nebst Linienoeffnung am Damenfluegel hat. Dies ist sicher ein guter Plan, oder nicht? Aber Capablanca sieht tiefer in die Stellung hinein. Er erkannte, dass das einzige weisse Gegenspiel gegen diesen Plan im Spiel am Koenigsfluegel mittels g4 besteht, um die Tuerme ueber die g-Linie und den weissfeldrigen Laeufer via c2 zu aktivieren. Daher geht er nicht direkt zum Angriff am Damenfluegel ueber, sondern nutzt zuerst die Gelegenheit, das gegnerische Spiel am Koenigsfluegel zu verhindern." Utzinger,K: Noch habe ich etwas Muehe mit dieser Erklaerung, zumal Schwarz den gegnischen Lb5 mittels Lc6 nun sofort zum Abtausch zwingen konnte, wonach ein spaeter einmal moegliches g2-g4 viel von seiner Kraft verloere.}
( 19...Bc6 20.Bxc6 Qxc6 21.Rh3 Qa4 22.a3 Qc2 23.Bc1 Qb1 {war m.E. eine beachtliche Alternative, denn Weiss bringt am Koenigsfluegel keinen Angriff zustande. Schwarz wird in der Folge am Damenfluegel ungehindert Aktivitaet entwickeln und seine Bauern in Marsch setzen koennen. Persoenlich glaube ich deshalb, dass die so hoch gelobten schwarzen Manoever etwas gekuenstelt sind und diese den schwarzen Vorteil auf ein MInimum reduzieren, was beim direkten 19...Lc6 nicht der Fall gewesen waere} )
20.Ref1
{?! Das ist m.E. zu langsam und nirgends kritisiert worden. Mit sofort 20.Th3 waere Schwarz zur Antwort 20...g6 gezwungen worden und haette das folgende prophylaktische Manoever nicht zur Verfuegung gehabt}
20...Rh6
{Und wiederum aus dem Buch von John Watson: Nimzowitsch gibt diesem Zug ein "!!" und kommentiert: "ein mysterioeser Turmzug, denn Schwarz sieht den weissen Plan h3 nebst g4 und bereitet fuer diesen Fall einen Gegenangriff auf der h-Linie vor." Sobald das weisse Spiel am Koenigsfluegel fehlschlaegt, ist die Partie schnell zu Ende.}
21.Be1
{?! Weiss traeumt faelschlicherweise noch immer vom Koenigsangriff, dabei hatte er hier und auch spaeter noch die Moeglichkeit, seinen Laeufer mit Lb5-a4-c2 auf bessere Felder zu bringen und sich am Damenfluegel auf eine erfolgreiche Verteidigung einzurichten}
21...g6 22.Bh4
{Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: ich finde 22.La4 besser}
22...Kf7
{! Capablanca hat seinen Plan konsequent verfolgt und prophylaktisch dafuer gesorgt, dass g2-g4 keine Drohung mehr darstellt. Von hier ab kann sich Schwarz wieder dem Damenfluegel zuwenden}
23.Qe1 a6
{Es wundert mich, dass Capablance die Moeglichkeit des Tausches seines schlechten gegen den gegnerischen besseren Laeufer mit 23...Lc6 wahrgenommen hat}
24.Ba4 b5 25.Bd1 Bc6 26.Rh3 a5 27.Bg5 Rhh8 28.Qh4
{?! Sucht noch immer verzweifelt nach Gegenspiel am Koenigsfluegel, dabei war es hoechste Zeit, sich der Verteidigung des bedrohten Damenfluegels zu widmen. Das war aber angesichts der unguenstigen Aufstellung der weissen Figuren schon nicht mehr einfach zu bewerkstelligen.}
28...b4 29.Qe1 Rb8
{erhoeht den Druck gewaltig und es ist schon fraglich, ob Weiss noch eine genuegende Verteidigung hat, um den Zusammenbruch am Damenfluegel zu verhindern }
30.Rhf3 a4
{Gegen den nachfolgenden Durchbruch a4-a3 ist Weiss machtlos }
31.R3f2 a3
{Auch der Zwischenzug 31...Da5 waere stark gewesen }
32.b3
( 32.bxa3 bxc3 33.Qxc3 Qa7 34.a4 Bxa4 {sieht auch wenig erfreulich aus fuer Weiss} )
32...cxb3 33.Bxb3 Bb5 34.Rg1 Qxc3 35.Qxc3
{zaeher war 35.Dd1 }
35...bxc3
{nun ist es aus ... fuer Weiss natuerlich }
36.Rc2 Rhc8 37.Bh4 Bd3 38.Rcc1 Rxb3
{mit diesem fundierten Qualitaetsopfer macht Schwarz die Sache am schnellsten klar }
39.axb3 a2 0-1