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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Sollen und werden Engines "spekulativ spielen" können?
- - By Walter Eigenmann Date 2017-06-06 00:34
Werden/sollen Schachprogramme dereinst "spekulativ spielen" können?
In seinem umfangreichen Schach-Essay "Too clever is dumb - Kleine Philosophie des Schwindelns" macht sich der Frankfurter Computer-Linguistiker, Informatiker und Schachprogrammierer Roland Stuckardt ("Fischerle") visionäre Gedanken darüber, ob den Engines nicht zukünftig auch eine Art "Algorithmisches Schwindeln" beigebracht werden müsste:
"Die elementare Lektion ist die, dass wir mit formell optimalem Spiel, wie es in den Standardalgorithmen des Computerschachs angelegt ist, womöglich nicht das optimale Ergebnis erzielen"...

Und weiter:
"Spekulatives Spiel im engeren Sinne ist dadurch gekennzeichnet, dass man bewusst von der Linie optimalen Spiels abweicht (also einen Einsatz leistet), jedoch darauf hofft, dass der Gegner die widerlegende optimale Fortsetzung nicht findet und insgesamt draufzahlt. Wir unternehmen hierbei den Versuch, bekannte oder vermutete Schwächen des spezifischen Gegners zu bewirtschaften. Das entsprechende Wissen, auf das wir uns stützen, kann generischer (die gesamte Gegnerklasse betreffende) oder spezifischer (den einzelnen Opponenten betreffende) Natur sein. Eine Schachengine könnte etwa in Matches gegen Menschen dynamische, ausgeprägt taktische Stellungen mit vielen nicht stillen Zugmöglichkeiten anstreben; in umgekehrter Richtung entspricht dem die bekannte Strategie menschlichen Anti-Computer-Schachs, wo geschlossene, positionelle Systeme bevorzugt werden, in denen die Fähigkeit zur längerfristigen Planung erfolgskritisch ist."

Angesichts solcher Denkansätze äussert sich Stuckardt geradezu euphorisch über die Zukunft des Computerschachs:
"Das Computerschach steht im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts weiterhin vor faszinierenden Herausforderungen. Und vielleicht noch spannender stellen sich die unerwarteten Querbeziehungen dar, die vom spekulativen Spiel im Schach zu Themenfeldern weit jenseits der vierundsechzig Felder bestehen. Vermutlich haben also die Erkenntnisse, die sich aus der Erforschung entsprechender Modelle und Technologien im (Computer-)Schach ergeben, Implikationen auch für diese auf den ersten Blick entfernten Gebiete. In jedem Falle handelt es sich um dezidiert interdisziplinäre Fragestellungen, die den virtuosen Schachspieler (als Künstler), den Informatiker, den Spieltheoretiker und den Philosophen gleichermaßen betreffen."

Stuckardts ganze "Kleine Philosophie des Schwindelns" ist hier zu lesen:

https://glarean-magazin.ch/2017/06/06/schach-essay-to-clever-is-dumb-philosophie-des-schwindelns-roland-stuckardt/

Gruss: Walter

.
Parent - - By Peter Schneider Date 2017-06-06 01:07
Das Thema ist wirklich "groß".
Aber beim Thema Computerschach einfach "zu spät".
Es gibt keinen Schwindel mehr auf den Stockfish reinfällt.
Letztlich ist jedes Gambit eine Spekulation, oder auch jedes Baueropfer zugunsten Initiative.
Im Grunde spielt Fizbo 1.9 schon hochspekulativ indem es zB. Bauernzüge (nach vorne) hoch bewertet.
Spekulation funktioniert gegen Schachprogramme nicht mehr..., - gegen Menschen hingegen durchaus....
Parent - - By Frank Quisinsky Date 2017-06-06 06:13 Edited 2017-06-06 06:19
Hallo Peter,

Schach ist eigentlich pure Logik, nicht mehr und nicht weniger.
Alles andere wird von unser Spezies hinzuinterpretiert, weil wir es mit unserer kleinen Gehirnauslastung so empfinden oder besser nicht anders erfassen können.

Es gibt im Grunde keine Taktik, kein strategisches oder positionelles Spiel.
Wir empfinden es nur als Strategie oder als positionelle Pointe oder als eine taktische Feinheit.

Den Best-Move nicht zu spielen, zu sehen ist unlogisch.

Was es allerdings immer wieder geben wird sind Menschen, die mehr draus machen als es in Wirklichkeit ist.
Diese Betrachtungsweise erscheint mir persönlich angemessener und logischer zu sein, als andere Abhandlungen zum Thema.

Mit anderen Worten ...
Das beste Schachprogramm ist das, was nicht aus Menschenhand kommt.
Das beste Schachprogramm programmiert sich selbst, über kurz oder lang wird das kommen!

Gruß
Frank
Parent - - By Thorsten Czub Date 2017-06-06 06:53
Naja Menschen entwickeln beim Schach spielen einen Plan.
Maschinen nicht.
Und was der BEST MOVE Aust weiß nur Gott bzw. Der der das Spiel ausgerechnet hat.

Maschinen können innerhalb des Intervalls der rechentiefe einen best move finden.
Aber das ist nicht einen Plan zu entwickeln.
Parent - - By Frank Quisinsky Date 2017-06-06 08:20 Edited 2017-06-06 08:34
Siehst Du, was für uns etwas besonderes ist, ist es für die weit stärkere Maschine nicht.
Nun was ist dann logisch?

Der Zug eines Menschen oder der Zug eines Programms?
Zu sagen, der Mensch ist zwar deutlich schwächer als die Maschine aber was wir produzieren ist logischer wäre vermessen.
Gibt aber viele Kandidaten die ... Fernschachbereich ist voll davon.
Da wir aber vermessen sind, gar hier echte Weltmeister stellen ...

Insofern, es gibt im Grunde genommen kein strategisches Spiel.
Das ist lediglich etwas was wir in die Diskussionsrunde werfen und intelligenter rüber zu kommen ... um zu überspielen das wir es doch eigentlich gar nicht sind.

Finde das mit den Spielstilen immer ganz lustig.
Bin ein großer Fan von Spielstilbeschreibungen ... nur so verstehen wir einiges besser.
Für ein geringes Level an Intelligenz sind die Spielstilbeschreibungen gut.
Und da wir kein höheres Level haben für uns optimal.

So hart sich das anhört aber wir können aus 3% Gehirnauslastung nun mal keine 25% basteln.
Müssen uns mit dem zufrieden geben was maximal denkbar ist. Gewissen Hürden sind nicht zu überwinden ... es sei denn eine Maschine baut den perfekten Menschen! Der Mensch baut die perfekte Maschine ... das sollte so langsam zu den Akten gelegt werden.

Und ich glaube das ist auch die Zukunft.
Verschiedene Schachprogramme sind zusammen stärker.
Schachprogramme werden von mehreren Entwicklern mit Wissen versorgt.
Dieses Wissen werden dann Programme durch hinzulernen und entsprechenden Algorithmen aufbohren und das nicht nur anhand von Datenbanksystemen ... denn auch diese sind zu einem gewissen Zeitpunkt ausgereizt.

FEOBOS ist ein gutes Beispiel.
Es analysieren 13 Engines in einer Gemeinschaft und werten zusammen aus.

Wie schaut es um die FEOBOS Datenbank in 10 Jahren aus.
Werden dann mit höheren Spielstärken weitere Stellungen aus selektiert werden?
Ja, so sicher wie das Amen in der Kirche.

Und in 100 Jahren verbleiben noch 5.000 der 26.146 Stellungen und in 200 Jahren dann die restlichen 500 die wirklich immer bei optimaler Spielweise zum Remis führen.

Tja ...
Ich sage, zum jetzigen Zeitpunkt kann ich fürs Computerschach ein Buch entwickeln (nur mit Hilfe unserer Helfer, den Engines) welches zu 99% perfekt ist.
Dieses Buch wird in 10 Jahren vielleicht noch zu 90% perfekt sein.

Klar, schaue ich die Bücher die vor 10 Jahren entwickelt wurden ...
Da sind so viele Varianten enthalten die eher einer mittleren Katastrophe gleichen.
Und warum weiß ich das ... weil es mir die Engines von heute sagen.

Das ist Logik oder einfach nur 1+1 = 2
Parent - By Thorsten Czub Date 2017-06-06 19:20
Wenn ich einen Schlüssel nach dem anderen ins Schloss stecke um zu schauen welcher passt,
Ist das taktisch.

Wenn ich mir die Schlüssel anschaue, dann das Schloss, wenn ich die Schlüssel sortiere nach Art und Größe,
Dann ist das strategisch.

Du sagst es gibt gar keine Unterscheidung und es wäre alles Taktik.
Sorry aber in beiden Fällen bekommt man die Tür auf.
Nur in dem Fall a hat man x Schlüssel ausprobiert.
Und in Fall b hat man y Schlüssel ausprobiert.
X kann größer oder kleiner sein als y. Das ist egal.
Aber die Methodik wie ich die Tür aufbekomme ist anders.

Klar. Wenn ich Gott bin weiß ich immer welcher Schlüssel passen muss.
Parent - By Peter Martan Date 2017-06-06 07:39 Edited 2017-06-06 07:46
Hallo Walter!

Walter Eigenmann schrieb:

Stuckardts ganze "Kleine Philosophie des Schwindelns" ist hier zu lesen:

<a class='urs' href='https://glarean-magazin.ch/2017/06/06/schach-essay-to-clever-is-dumb-philosophie-des-schwindelns-roland-stuckardt/'>https://glarean-magazin.ch/2017/06/06/schach-essay-to-clever-is-dumb-philosophie-des-schwindelns-roland-stuckardt/</a>


Sehr lesenswert!

Was das spekulative Spiel angeht, in der Eröffnung sind sowohl Menschen als auch Maschinen, denen man ja doch in der Regel immer noch zumindest die ersten paar Züge vorgibt, eigentlich mehr denn je darauf angewiesen.

Je größer die Datenbanken werden und je mehr man hochklassige Partien zu immer mehr Eröffnungszügen kennt, beim Fernschach auch schon lange mit großem Engine- Einsatz gespielt, desto mehr wird die Eröffnung zu einer Frage, wie viel will man riskieren, um die Remiswahrscheinlichkeit nicht gegen 100% gehen zu lassen und trotzdem nicht schon nach ein paar Zügen auf verlorenem Posten zu stehen.

Insbesondere mit Schwarz wird diese Frage immer schwerer, wenn du weißt, dein Gegner hat dasselbe Wissen wie du abrufbar, seine Soft- und Hardware ist im Wesentlichen auch dieselbe, was bleibt, sind einfach nur verschieden bekannte und schon damit verschieden riskante Wege.

Und was will auch Weiß im Extrembeispiel Fernschach schon viel machen, wenn Schwarz nur möglichst sicher auf Punkteteilung spielt?
Auf Fehler spekulieren, und seien's die eigenen.

Erst wenn man wirklich schon in der Eröffnung wüsste, wie's nach den ersten Zügen beweisbar ausgeht, hätte das Spekulieren und das Spielen ein Ende.

Und ob die "echte" selbstlernende AI im Schach dem Menschen überhaupt noch viel Erkenntnis in dem Sinn brächte, das Spiel selbst besser zu verstehen, darf ebenfalls angezweifelt werden.
Ein Posting aus einem langen Thread im CCC dazu:
http://www.talkchess.com/forum/viewtopic.php?topic_view=threads&p=717540&t=64158
- By Guenter Stertenbrink Date 2017-06-07 13:40
Ich frage mich schon lange ...

wo bleibt das Eroeffnungsbuch, welches gezielt nach Fallen sucht,
(bzgl. der erwarteten Bedenkzeit) und diese auf hoeherer Stufe analysiert ?

Stellungen, die auf hoher Stufe wesentlich bessere Bewertung haben
als auf Turnierstufe , und wie man diese Stellungen erreicht.
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