Zufällig bin ich beim Surfen auf diesen Thread gestoßen und möchte dazu einige klärende Anmerkungen aus meiner Sicht als Turnierleiter machen.
Zunächst der Screenshot zur beendeten Partie, so wie sie sich mir dargeboten hat vor der Entscheidung auf Remis, d.h. der Leser möge sich bitte den Ergebnis-Eintrag wegdenken:
1.) Die Uhr zeigt für Weiß noch 2 Sekunden Restbedenkzeit an, für Schwarz 8 Sekunden nach dem letzten Zug.
2.) Mein Eindruck war, dass hier ein Enginecrash passiert und die Partie deshalb stehengeblieben war. Auf die Schnelle konnte ich den Sachverhalt nicht ermitteln, da XXAAXX nicht auf meinen Chat antwortete. Vermutlich war er nicht am PC.
3.) Der Versuch eines Restarts mit Setup scheiterte. Das deutete erneut auf ein Engineproblem bei XXAAXX hin, der aber nicht disconnected war.
4.) In Anbetracht der Partiestellung und der Vorgeschichte hielt ich in dieser Situation in der Tat das Remis für eine angemessene Entscheidung, denn
- Schwarz (Longin) hatte mehrfach remis geboten, auch wenige Züge vor der Unterbrechung;
- die Stellung selbst war mehr oder weniger "totremis", so dass ich die Partie schon vorher - wie viele andere Partien und völlig unwidersprochen von allen Turnierteilnehmern - hätte abbrechen können. (Auf den Mehrbauern von XXAAXX wollen wir mal nicht näher eingehen.)
5.) Ich habe Longin im privaten Chat darauf hingewiesen, dass es sich nicht um einen klaren Fall von Zeitüberschreitung handele, sondern ein technischer Defekt wahrscheinlich sei.
6.) Longin sah vermutlich nur, dass auf seinem Bildschirm die Uhr von Weiß abgelaufen war, und beharrte darauf, XXAAXX hätte die Zeit überschritten.
7.) Da ich sachlich mit ihm zu keiner Übereinstimmung kam, aber keine Zeit für weitere Diskssionen war (alle warteten auf die neue Runde), habe ich versucht, ihn bei seiner Ehre als Schachspieler zu packen und ihn gefragt, ob er wirklich "so" eine Partie gewinnen wolle.
8.) XXAAXX gehört nicht zu den Spielern, die schon einmal durch gewagte Zeiteinstellungen ihrer Engines aufgefallen sind. Es wäre hier also völlig verfehlt, ein solches Argument zu bemühen. Auch Longin hatte in dieser Partie gerade einmal 8 Sekunden Restzeit.
9.) Wäre Longin durch die Unterbrechung, die er für eine ZÜ hielt, eine reale Gewinnchance entgangen, hätte ich - mit Bedauern für seinen Gegner - auf einen Gewinn für Longin anerkannt, da der Gegner nichts unternommen hat (infolge seiner Abwesenheit) um die Wiederaufnahme der Partie zu ermöglichen. Solche - sehr seltenen - Entscheidungen habe ich in der Vergangenheit in analogen Fällen tatsächlich schon treffen müssen.
10.) Ein automatisches Nullen von Spielern, die momentan im Falle von Partieunterbrechungen nicht am Platz sind und daher zum Beispiel kein "Reboot" vornehmen können, nach dem die Fortführung der Partie in der Regel funktioniert, halte ich für unangemessen. Ich denke schon, dass der Turnierleiter alle Umstände abwägen soll, um eine angemessene Entscheidung zu fällen. Dieses Vorgehen ist bislang von der großen Mehrheit unserer Mitspieler nicht nur anerkannt, sondern begrüßt worden.
In Anbetracht der Zigtausenden von Turnierpartien, die bei Infinity Chess im Laufe der letzten Jahre gespielt wurden, sind problematische Turnierleiterentscheidungen, die es natürlich immer mal geben kann, eine ziemliche Seltenheit, womit ich jetzt alle unsere anderen Turnierleiter ebenfalls miteinbeziehe. Dafür spricht auch der große Zuspruch, den wir regelmäßig von der großen Zahl unserer Turnierteilnehmer erhalten.
Trotzdem bleiben wir offen für Kritik und Verbesserungsvorschläge, die wir gründlich prüfen, auch wenn gelegentlich manche Vorschläge wenig bzw. schlecht durchdacht sind.