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- - By Arno Nickel Date 2012-04-14 15:42
Ich möchte hiermit eine Diskussion zu einem Vorschlag anregen, mit dem ich schon seit längerem schwanger gehe: die Wiedereinführung des Pattsieges in modifizierter Form ("Wiedereinführung" bezieht sich im wesentlichen auf die Zeit vor der großen Spielreform im 16. Jahrhundert, wobei sich eine einheitliche Regelung für das Patt als remis aber erst nach und nach bis zum 19. Jahrhundert durchsetzte).

Ich plädiere dafür, dass patt nicht mehr als remis gilt, sondern dass die pattsetzende Partei einen 3/4 Punkt erhält und die unterliegende einen 1/4 Punkt.

Begründung: Es beruht auf einem Irrtum, wenngleich einem sehr naheliegenden und verständlichen, dass der Pattsieg mit Beginn des neuzeitlichen Schachs abgeschafft wurde. Nach der Spielreform im 16. Jahrhundert und der damit einhergehenden Beschleunigung des Schachspiels (Aufwertung von Dame und Läufer, Rochade u.a.) war die allgemeine Remisquote aufgrund der gering entwickelten Schachtheorie sehr niedrig, so dass die weit überwiegende Anzahl von Partien mit Matt bzw. durch Aufgabe entschieden wurde. Der Pattsieg war nebensächlich und verzichtbar geworden, er lenkte sogar unschön ab vom hehren Ziel des Matts.

In den 1920er Jahren haben sich große Schachspieler wie Lasker und Réti in der aufkommenden Debatte um den "Remistod" dafür ausgesprochen, den Pattsieg wiedereinzuführen*, um das Schachspiel neu zu beleben. Ein heutiger Fürsprecher für den Pattsieg ist der Großmeister und Schachprogrammierer Larry Kaufman (Kaufman, Larry (2009), "Middlegame Zugzwang and a Previously Unknown Bobby Fischer Game", Chess Life (September): 35).

Der Pattsieg beruht auf einem klaren positionellen Übergewicht, auf Initiative und auf Zugzwang. Warum sollen sich diese Vorteile, die jemand erspielt hat, nicht in einer leistungsgerechten Bewertung niederschlagen, sondern um allgemeinen Brei der Remisen (also z.B. zwei nackte Könige oder hoffungslos verrammelte Stellungen) untergehen? Es ist schlicht unlogisch und widerspricht nebenbei bemerkt auch dem vielbeschworenen modernen Sportgedanken, bei dem für Tie-breaks aberwitzige Kriterien herangezogen werden, um über Titel und Preise zu entscheiden.

Durch den Pattsieg erleidet das Schach keinerlei Qualitätseinbuße und auch die bisherige Schachtheorie wird nicht über den Haufen zu geworfen (wie bei vielen anderen Reformvorschlägen). Nur Neuinterpretationen und Neubewertungen sind nötig. Das Schach würde auch auf Spitzenniveau und nicht zuletzt im Fernschach wieder spannender! Auch das Computerschach erhielte neue zusätzliche Optionen und sähe sich vor neuen Herausforderungen.

Interessierte Engine-Programmierer sind eingeladen, um sich über praktische Möglichkeiten auszutauschen. Zuschriften bitte an edition-marco[at]t-online.de

* Lasker und Réti sprachen sich auch für die Wiedereinführung des "Beraubungssieges" aus, der mir jedoch überflüssig erscheint. Schon jedes einfache Bauernendspiel K+B gegen K wird durch Matt oder Patt entschieden. Der Beraubungssieg lässt sich nicht sinnvoll definieren, ohne das Material überzubetonen. Schließlich würde er als weitere Option neben dem Pattsieg die Sache nur unnötig komplizieren.

Arno Nickel (14. April 1012)
Parent - - By Lars B. Date 2012-04-14 16:48
Hi Arno,

bin ich dagegen, weil mir der Sportgedanke zu sehr im Vordergrund steht. Mit Abschaffung des Patts sind auf einmal sämtliche Bauernendspiele mit Mehrbauern gewonnen, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Das hat unüberschaubare Auswirkungen auf die Endspieltheorie. Es gehen raffinierte Remis- und Gewinnstrategien verloren, nicht nur in Bauern-, sondern in allen Endspielen. Meiner Ansicht nach würde Schach dadurch ärmer.

Herzliche Grüße von Endspiel-Fan
Lars B. (der seinen Awerbach vor über 25 Jahren gekauft hat und ihn ganz dolle liebhat)
Parent - - By Olaf Jenkner Date 2012-04-14 23:36
Aus Sicht des Problemschach wäre das eine Katastrophe. Man müßte die Aufgaben einteilen in die Zeit vor und nach der Reform. Und da meine ich noch nicht mal die Studien, die am meisten betroffen sein werden. Die Pattverteidigung ist auch in Mattaufgaben ein beliebtes Motiv, z.B. bei der Kombination Kling.
Vom Partieschach habe ich zwar wenig Ahnung, aber ich meine, wer in Übermacht nicht imstande ist mattzusetzen, der hat den Sieg nicht verdient. Und die überlegene Seite mit einer witzigen Pattverteidigung auszutricksen, hat auch seinen Reiz.
Generell gilt: Bei Spielen solcher kulturhistorischer Bedeutung sollte man nur alle paar Jahrhunderte an den Regeln schrauben.
Parent - - By Arno Nickel Date 2012-04-16 13:11
Der Vorschlag, den Pattsieg wieder einzuführen, ist nicht für das Problemschach bzw. Kunstschach gedacht, sondern ausschließlich fürs Partieschach. Danke dennoch für die Hinweise.
Parent - - By Joe Nettelbeck Date 2012-04-18 02:27
Der Vorschlag, den Pattsieg wieder einzuführen, ist nicht für das Problemschach bzw. Kunstschach gedacht, sondern ausschließlich fürs Partieschach. Danke dennoch für die Hinweise.

Für das Fernschach (wo die Remisquote allerdings gerade ein besonders ausgeprägtes Problem ist) wäre der Vorschlag aber auch ziemlich sinnlos. Patt spielt im Fernschach keine Rolle. Mir ist noch keine einzige FS-Partie untergekommen, die patt ausgegangen wäre.

Und, nach reiflicher Überlegung über einige Tage hinweg, denke ich, dass die Idee auch für das Nahschach nichts bewirken wird. Warum sollte jemand eine Remis-Stellung denn weiterspielen? Wenn ich den Eindruck habe, dass mein Gegner einen sehr soliden Stiefel spielt und ich schon ein nicht unbeträchtliches Risiko einginge, wenn ich die Partie selbst aus dem Gleichgewicht brächte, dann wird mich diese sehr reale Gefahr sicher weitaus mehr beeindrucken als ein eventuell theoretisch möglicher Patt-Patzer meines Gegners. Nein, dann werde ich eben ein Remis bieten oder annehmen und mein Glück anderswo suchen.

Da würde mich dann schon eher ein zusätzlicher Punkt für den Sieg interessieren - aber wenn wir die Sache mal ganz nüchtern betrachten: Für jede Sieg-Partie, die aus einer eigentlich remisigen Stellung doch noch entstehen mag, entsteht natürlich automatisch auch eine Verlust-Partie. Und wer sagt, dass ich auf die Siege abonniert sei? Wirklich interessant könnte der Anreiz des zusätzlichen Punktes also eigentlich nur sein, wenn ich den Eindruck habe, meinen Gegner besiegen zu können. Dann aber würde ich ohnehin weiterspielen, zusätzlicher Punkt oder nicht.

Man kann es also drehen und wenden, wie man will - der Nutzen des Pattsieges will sich mir einfach nicht erschließen. 
Parent - - By U. Haug Date 2012-04-18 09:24
Hallo Joe,

eines vorneweg: Auch ich bin klar gegen eine Veränderung der Schachregeln mit Einführung des "Pattsiegs". Ich denke und hoffe, das wird nirgendwo ein ernsthaftes Thema werden.
Trotzdem eine Anmerkung als recht aktiver Fernschachspieler:

[quote="Joe Nettelbeck"]
Für das Fernschach (wo die Remisquote allerdings gerade ein besonders ausgeprägtes Problem ist) wäre der Vorschlag aber auch ziemlich sinnlos. Patt spielt im Fernschach keine Rolle. Mir ist noch keine einzige FS-Partie untergekommen, die patt ausgegangen wäre.
[/quote]

Auch ich hatte bisher noch keine Fernpartie, die mit einem Patt endete. Trotzdem würde sich selbstverständlich auch im Fernschach mit dem Pattsieg-Vorschlag vieles ändern. Ich erkläre es dir an einem Beispiel.
Nimm doch einfach mal die Stellung
Weiß: Ke1, Be4
Schwarz: Ke7
Weiß am Zug

Diese Stellung ist remis, das ist jedem Fernschachspieler bekannt, also wird nicht weiter gespielt.
Mit der neuen Regel ergäbe es auf elementare Weise einen "Pattsieg", denn Weiß kann ja seinen Bauern - gedeckt vom König - bis nach e7 ziehen, der schwarze König steht dann auf e8 und es ist patt.
Also wäre die Stellung ein Pattsieg.
Doch doch, auch in unserem geliebten Fernschach ergäben sich gravierende Änderungen. Ich glaube, die Partien würden insgesamt langweiliger statt interessanter, weil noch weniger Spieler bereit wären, in der Eröffnung einen Bauern zu opfern.

Freundliche Grüße,

Ulrich
Parent - - By Joe Nettelbeck Date 2012-04-18 10:51
Mit der neuen Regel ergäbe es auf elementare Weise einen "Pattsieg", denn Weiß kann ja seinen Bauern - gedeckt vom König - bis nach e7 ziehen, der schwarze König steht dann auf e8 und es ist patt.

Gut, das ist schon richtig. Aber wenn das dann künftig ein Pattsieg wäre, würde die Stellung in FS-Partien eben einfach nicht mehr aufs Brett kommen. Sowas lässt sich ja im Vorfeld vermeiden. Ich denke nicht, dass der Pattsieg irgendwas an der Remisquote im FS ändern würde. Es gibt eben diese "Wer-sich-zuerst-bewegt-verliert-Stellungen", die man nicht ungestraft aus dem Gleichgewicht bringen kann. Und das wird man dann auch wegen der vagen Hoffnung auf einen Pattsieg nicht tun.
Parent - - By Arno Nickel Date 2012-04-18 12:04
Genau vorhersehen kann die Auswirkungen derzeit niemand. Deshalb setze ich auch in erster Linie auf praktische (experimentelle) Erprobung, was noch gewisser Vorbereitungen bedarf, aber ich bin da am Ball...
Nach meiner Schacherfahrung - und worauf sonst sollte man sich stützen! - erwarte ich, dass die Remisquote deutlich sinkt, denn Vermeidungsstrategien gegen Angreifer bergen immer die Gefahr in sich, in einer passiven und verlustträchtigen Stellung zu enden. Das ist im Fernschach vielleicht nicht ganz so krass wie im Nahschach, weil durch die Computerunterstützung die Verteidigungsressourcen besser ausgeschöpft werden (die Angriffchancen allerdings auch!), doch unter dem Strich werden sich ähnliche Tendenzen zeigen. Material ist immer nur so viel wert, wie ich damit angreifen und verteidigen kann. Nehmen wir mal Qualitätsopfer für Angriff (und oftmals Bildung starker Freibauern) - warum sollten die durch die Einführung des Pattsieges an Brisanz verlieren? Im Gegenteil, wenn Mehrbauern im Endspiel trotz Minusqualität des Angreifers es dem Verteidiger noch mehr als bisher schwer machen, remis zu halten, dann sehe ich hier eher bessere Chancen für dynamisches, druckvolles Spiel. Im übrigen zählt im Nahschach zu allererst die Spielstärke. Bei gravierenden Spielstärkeunterschieden von mehr als 300 Elo-Punkten wird die Zahl klarer Siege bzw. Niederlagen unverändert bleiben, aber auch hier wird die Remisquote durch Pattsiege sinken.  
Parent - By Joe Nettelbeck Date 2012-04-18 18:54
Nun, ich lasse mich durchaus überzeugen, wenn die Tatsachen dem widersprechen, was ich denke. Insofern warte ich gespannt auf deine Experimente und hoffe, dass sie eine halbwegs ausreichende Datenbasis zur Beurteilung liefern.
Parent - - By Arno Nickel Date 2012-04-15 02:00
Hi Lars,
ich danke Dir für Deinen engagierten Beitrag. Übrigens bin auch ich ein Endspielfan und entschiedener Gegner der Tendenz bei der FIDE (und auch sonst), das Endspiel durch Verkürzen der Bedenkzeit (bzw. der Restbedenkzeit nach 40 Zügen) zu kastrieren. Das vorweg...
Du wehrst Dich gegen eine "Abschaffung des Patts" - hm, die habe ich eigentlich nicht vorgeschlagen. Könntest Du da etwas verwechselt haben?
Oder interpretierst Du mein Plädoyer für die Wiedereinführung des Pattsieges als "Abschaffung des Patts"?
Nun, welche Auswirkungen hätte die Einführung des Pattsieges, quasi als ein Mindersieg, auf die Endspieltheorie? Zunächst einmal keine, was alle Gewinnführungen im bisherigen Sinne betrifft, denn das Ziel eines vollwertigen (Matt-)Sieges ist ja weiterhin oberstes Leitbild, um Turniere und Wettkämpfe zu gewinnen. Der Pattsieg kommt ja nur in Betracht, wenn dieses Ziel unerreichbar ist oder zumindest so erscheint und man andererseits aber mehr als ein Remis erreichen kann bzw. möchte.
Änderungen in der Endspieltheorie ergeben sich im technischen Sinne keine, sondern es bedarf lediglich einer Differenzierung: Welche der bisherigen Remisstrategien (bzw. -gefahren) greifen nicht mehr hunderprozentig, weil ein Pattsieg möglich wird?
Nehmen wir zum Beispiel die Philidor-Remisstellung: Turm und Bauer gegen Turm.
Hier ändert sich gar nichts, weil das Remisverfahren weiterhin greift.

In dieser Lehrbuch-Stellung hält Schwarz am Zuge wie folgt remis: 1... Tb6 Das Prinzip ist einfach: Schwarz zieht mit dem Turm auf der 6. Reihe hin und her (immer weit vom König weg). Weiß kann also nur weiterkommen, wenn er den Bauern vorzieht. 2. Th7 Ta6 3. e6 Sobald der weiße Bauer die 6. Reihe betritt, wechselt Schwarz die Fronten und gibt Dauerschach von hinten. 3...Ta1 4. Kf6 Tf1+ Der weiße König hat kein Schlupfloch. Und wenn er auf den schwarzen Turm zugeht, erobert der leicht den Bauern e6, z.B.: 5. Kg4 Tf6 6. Ta6 Ke7 nebst 7. ... Txe6.
Weiß könnte mit einem Pattsieg nur gewinnen, wenn es ihm gelingt, den Turm abzutauschen oder mit der Turmtauschdrohung einen entscheidenden Stellungsvorteil zu erzielen, was beides aber nicht zu erzwingen ist.
Nur durch einen groben Fehler von Schwarz wie z.B. nach 1...Tb6 2.Tg7 Ta6 3.Rg6 Rxg6?? (3...Ta1 =) könnte Weiß noch einen Pattsieg erzwingen. 4. Kxg6 Ke7 5. Kf5 Kf7 6. e6+ Ke7 7. Ke5 Ke8 8. Kf6 Kf8 9. e7+ Ke8 10. Ke6 patt. (Weiß kann zwar durch die Pattdrohung den schwarzen Turm von der 6.Reihe verbannen, aber es nützt ihm nichts, weil er in der Stellung nach 3...Ta1 nicht weiterkäme.

Die systematische Berechtigung und Relevanz des Pattsieges zeigt sich jedoch in folgendem Beispiel:


Schwarz kämpft hier bei einer ziemlich passiven Turmstellung mit dem Rücken zur Wand. Geht er mit dem König aus dem Schach, verliert er unweigerlich im Sinne eines Mattsieges, z.B.: 1... Kd8? 2. Kd6 Rh8 3. e6 Kc8 4. Rc7+ Kb8 5. e7 Rh6+ 6. Kd7 usw. oder 1...Kc8 2. e6 Rd8+ (2... Kb8 3. e7) 3. Kc6 Rh8 4. Rc7+ Kb8 5. e7 Rh6+ 6. Kd7 mit demselben Ergebnis. Durch die jetzige Regelung patt=remis steht ihm aber ein wundersamer Rettungsweg zur Verfügung, der einzige Zug ist das Turmtauschangebot: 1...Te7, und egal ob Weiß nun tauscht oder nicht, die Partie endet (unbefriedigenderweise) remis.
Bei Geltung der Pattsieg-Regel bliebe Schwarz auch nichts anderes als 1...Te7 übrig, aber Weiß hätte die berechtigte Genugtuung, dass ihm dies wenigstens durch Turmabtausch einen Pattsieg (= 3/4 Punkt) einbringt. Seine Bemühungen, die ihm offenbar zu einem Mehrbauern und starker Initiative verhalfen, waren also nicht ganz vergebens.

Wie die Beispiele zeigen, ändert sich nicht unbedingt die Endspieltheorie an sich, sondern es erweitern sich für beide Seiten die Optionen jenseits des landläufigen Remis.
Was schließlich ist von Endspielstellungen K + 2 S gg. K oder K + falscher L + Rb. gg. K zu halten, die derzeit remis sind? Man hat sich daran gewöhnt, aber es ist eigentlich nicht sehr logisch. Eine Bewertung als Pattsieg hätten solche Materialverteilungen gewiss verdient, wobei man solche Stellungen nicht auszuspielen bräuchte, sondern - unter erfahrenen Spielern - der Unterliegende schlicht aufgeben würde im Sinne einer Pattniederlage und dafür wenigstens einen 1/4 Punkt erhielte, der bewiese, dass er nicht mattgesetzt wurde bzw. werden konnte.

Beste Grüße,
Arno

Parent - - By Lars B. Date 2012-04-15 15:00
Hallo Arno,

das ist lustig: Dein zweites Beispiel würde ich zum Beweis des Gegenteils anführen

Ist diese Stellung erst einmal erreicht, mag es einem ungerecht erscheinen, aber was war denn vorher? Schwarz hat eine riskante Eröffnung gespielt und unter Bauernopfer die Initiative übernommen. Irgendwann hat er gemerkt, ups, reicht nicht ganz, und angefangen, um das Remis zu kämpfen. Nach einer mehrstündigen harten Verteidigung mit vielen studienartigen Wendungen hat er es geschafft, obige Stellung zu erreichen. Hat er jetzt weniger verdient als der Weißspieler?

Ich verzichte jetzt mal darauf, solche studienartigen Endspiele auszugraben, sicher kennst Du eh viel mehr potentielle Beispiele als ich. Worauf ich hinauswill: solch ein Patt"sieg" würde vermutlich die Remisen reduzieren, aber seine Einführung birgt u.a. die große Gefahr, daß die Spieler weniger Risiken eingehen, eben weil man mehr riskiert, wenn man mal ein Bäuerlein opfert.

Von der Außenwirkung mal zu schweigen; Schach ist ohnehin kompliziert genug, und ein Resultat von 0,5:0,5 haben wir halbwegs in die Köpfe der Nichtschächer hineingekriegt. Daß das beim 0,75:0,25 auch noch gelänge, bezweifele ich eher.

Und ich frage mich, warum Du diese Sache zur Diskussion stellst. Es hat vielleicht damit zu tun, daß Du als Fernschachspieler angefressen bist von der großen Remisbreite, Dich ärgerst, wenn Du anderthalb Jahre gefühlt stärker als Dein Gegner an einer Partie spielst und am Ende trotz eines wohlverdientem und schwer erarbeiteten Mehrbauers nur ein halber Punkt rausfällt.

Für den Rest der Welt, Liga-Nahschach, Blitz, Spaß-Schach, besteht keinerlei Notwendigkeit und auch kein Bedarf, die Pattregel zu ändern, jedenfalls meiner Meinung nach.

Herzliche Grüße
Lars
Parent - - By Arno Nickel Date 2012-04-15 20:20
Hallo Lars,

es ist natürlich spekulativ, was vorher in einer Schachpartie passiert sein könnte, und ebenso die Vermutung, ob die Risikobereitschaft beeinträchtigt wird. Es hängt, glaube ich, eher vom Spielertyp und dem Eröffnungsrepertoire ab, welche Risiken man auf sich nimmt. Wer zu vorsichtig im Sinne von ängstlich spielt, verliert. Dem Kampf auszuweichen, um ein Remis abzuklammern, ist bekanntlich keine gute Idee und eher riskant.
Meine Intentionen gehen dahin, die Idee des Pattsieges in Turnieren verschiedener Art (auch Nahschach-GM-Turnieren) auszuprobieren, denn mir ist natürlich klar, dass der Praxistest entscheidend ist. Auf die Öffentlichkeit und die Medien hat es wohl eher einen positiven Einfluss, wenn Partien mehr ausgekämpft werden (wie Michael Huber richtig festgestellt hat), und so wahnsinnig kompliziert ist die Punktskala 0 - 1/4 - 1/2 - 3/4 - 1 nun nicht, da sind Dinge wie Sonneborn-Berger-Wertung, Buchholzwertung, Elozahlen, Schweizer System etc. viel komplexer und schwieriger zu vermitteln. Jeder, der mal einem anderen Schach beigebracht hat, kennt wohl die Erfahrung, dass der Schachschüler stutzt, wenn man ihm erklärt, dass ein König, der nicht mehr ziehen kann, aber auch nicht im Schach steht, trotzdem ein Unentschieden erreicht hat. Der Punkt dabei - und bei der Idee des Pattsieges - ist nicht allein die Pattsituation als solche, sondern dass das Patt durch Zugzwang von der offenbar stärkeren (oder gewitzteren) Seite herbeigeführt wird. Eben das verdient einen Leistungsbonus!
Es hat etwas mit Gewohnheit und - im Falle von großen Organisationen wie der FIDE - mit institutionellen Interessen zu tun, ob neue Ideen eine Chance erhalten oder nicht. Man braucht zuallererst prominente Fürsprecher, wie sich im Falle des Fischer-Schachs bzw. des chess960 gezeigt hat (das inzwischen im ICCF mit einem Weltpokal aufgenommen wurde!).
Mein Interesse am Thema ist nicht neu, ich habe dazu schon vor 22 Jahren erstmals einen Beitrag im Schach-Kalender 1991 veröffentlicht, nachdem ich Rétis und Laskers Argumente kennengelernt hatte. (Damals war ich allerdings auch noch für die Idee der Wiedereinführung des Beraubungssieges, die mir heute nicht mehr sinnvoll erscheint, wie bereits ausgeführt; hier hat es viel auch mit der Praktikabilität zu tun.)
Im WM-Kandidatenturnier 2010, in dem sich Gelfand qualifizierte, endeten fast alle Partien unentschieden, was ziemlichen Frust auslöste. Mit der Regel des Pattsieges würde so etwas nicht passieren. Natürlich ist die Regel weniger relevant, wenn es einen starken Spielstärkeunterschied gibt oder wenn sowieso munter rumgepatzt wird. Die Schachkultur sollte sich aber am Spitzenschach orientieren und nicht am Mittelmaß.
Mich interessiert, wie Programmierer und Computerfachleute die Herausforderung sehen und welche Ideen sie eventuell haben. darum habe ich dies hier eingebracht.
Herzliche Grüße,
Arno
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-04-15 22:59
Zitat:
Jeder, der mal einem anderen Schach beigebracht hat, kennt wohl die Erfahrung, dass der Schachschüler stutzt, wenn man ihm erklärt, dass ein König, der nicht mehr ziehen kann, aber auch nicht im Schach steht, trotzdem ein Unentschieden erreicht hat. Der Punkt dabei - und bei der Idee des Pattsieges - ist nicht allein die Pattsituation als solche, sondern dass das Patt durch Zugzwang von der offenbar stärkeren (oder gewitzteren) Seite herbeigeführt wird. Eben das verdient einen Leistungsbonus!

Das sehe ich so: Patt ist remis, weil das Spielziel des Mattsetzens irreversibel verfehlt wird. - Die Erfahrung daß man sich darüber wundert, habe ich weder bei mir selber noch bei anderen gemacht.

Zitat:
Die Schachkultur sollte sich aber am Spitzenschach orientieren und nicht am Mittelmaß.

Genau deswegen bin ich skeptisch gegenüber der Idee eines Pattsieges, auch wenn diese sehr engagiert vorgetragen wird, und irgendwann in grauer Vorzeit sogar in der Praxis existierte. Gerade durch die Pattregel werden einige Wenigsteiner erst anspruchsvoll und geistreich, die ansonsten banal und eher "kulturell wertlos" wären.

Wer will kann es auch so sehen: Patt stoppt die Partie und hindert den Gegner am Weiterspielen. Und wenn ein Patt aus einer theoretischen Remiskonstellation heraus geschieht, weist uns das oft indirekt darauf hin, daß dort eben kein Matt erzwingbar ist.

Über die praktischen Auswirkungen im Computerschach möchte ich erst gar nicht lang und breit jammern; Stichworte Pattbewertung in Engines, Endspieldatenbanken... Und so manche Feinheiten in historischen Partien, vielen Studien usw. wären auch entwertet.

Langer Rede kurzer Sinn: Ich finde, das klassische Schachspiel ist durch die derzeit geltenden Grundspielregeln ein für alle Mal definiert, und eine geänderte Version davon definiert ein anderes (obgleich mitunter sehr ähnliches, wie z.B. Chess960) Spiel.
Parent - By Arno Nickel Date 2012-04-16 14:34
Zitat:
Gerade durch die Pattregel werden einige Wenigsteiner erst anspruchsvoll und geistreich, die ansonsten banal und eher "kulturell wertlos" wären.


Ich zitiere das mal stellvertretend für viele ähnliche Beiträge im Netz und hier...
Irgendwie scheint mir ein unbegreifliches Missverständnis vorzuliegen - das Patt soll doch nicht abgeschafft, sondern lediglich anders bewertet werden.
Wo wird denn eine Pattrettung "banal" oder "kulturell wertlos", wenn sie für die pattsetzende Seite mit einem 3/4 Punkt und für die pattgesetzte Seite mit einem 1/4 Punkt gewertet wird?? Die Alternative wäre doch, dass - falls die Pattrettung nicht gegeben ist - der Spieler verliert bzw. wenn dass der Gegner, wenn er nicht patt setzen kann nur ein remis erlangt (da er ja nicht matt setzen kann).

Hier ein weiteres instruktives Stellungsbeispiel:


Weiß am Zuge

Der Weg zum Remis für Weiß am Zuge ist nach den geltenden Wertungsregeln banal:
1. Sb5
Nach der Pattsieg-Regel müsste man diesem Zug allerdings ein Fragezeichen geben. Nur Se6+ böte Aussichten auf remis: 1. Se6+ Ke7 2. Sf4 Lc6 3. Kxa7 Sxc4 Und unter der Annahme, dass es Schwarz schwerlich gelingen dürfte, ein Patt zu erzwingen (zumal nach der 50-Zügel-Regel), wäre bei korrektem Spiel ein Remis zu erwarten.
Nach den geltenden Wertungsregeln, wie gesagt, wäre die Sache simpel: 1... Sxb5 (1... Sxc4 2. Sxa7) 2. cxb5. Wie soll Schwarz hier noch etwas machen?
Nach der Pattsieg-Regel bekäme diese Stellung jedoch Pfiff....
2...a5! "Denkste!" sagt der schwarze a-Bauer, "wir können zwar nicht mehr gewinnen, aber jetzt wirst Du patt gesetzt...!"
3. bxa6 Lf3 4. a7 (4. Ka7 Kc7 patt) 4... La8! 5. Kxa8 Kc8 patt.

Zitat:
Langer Rede kurzer Sinn: Ich finde, das klassische Schachspiel ist durch die derzeit geltenden Grundspielregeln ein für alle Mal definiert, und eine geänderte Version davon definiert ein anderes (obgleich mitunter sehr ähnliches, wie z.B. Chess960) Spiel.

Lasker und Réti, die beide Studien komponiert haben, waren da offenbar weniger "konservativ"...
Parent - - By Chess Player Date 2012-04-16 10:35
[quote="Arno Nickel"]
Die Schachkultur sollte sich aber am Spitzenschach orientieren und nicht am Mittelmaß.
Arno
[/quote]
Das sollte umgekehrt erst recht für die Diskutanten gelten, die sich um die Spielregeln sorgen!
Parent - - By Arno Nickel Date 2012-04-16 15:48
Die Diskussion kommt nicht "out of the blue", sondern es beschäftigen sich seit Jahren etliche Großmeister mit Reformideen, die sowohl bei der wachsenden Zahl von Remisen im Spitzenschach als auch bei der Art, wie heute Schach gespielt wird, ansetzen.
Hier zum Beispiel der (ehemalige?!) Weltklassespieler Yasser Seirawan mit seiner Idee der Einführung einer neuen Schachfigur:
http://www.seirawanchess.com/
GM Larry Kaufman, Senioren-WM 2009 und Komodo-Programmierer, erwähnte ich schon - der ist für die Neubewertung des Patts.
Unglücklicherweise meinen viele, man könnte mit der 3-Punkte-Gewinn-Regel wie im Fußball der Remis-Problematik Herr werden. Sie wissen meistens nicht, dass diese Regel zwar im Mannschaftssport funktioniert, aber - je größer oder je anonymer eine Turniergruppe ist - auch zu Manipulationen missbraucht werden kann, indem sich Spieler verabreden, lieber einen gewinnen zu lassen, als durch Remisen Chancen einzubüßen (ganz simpel wäre es bei doppelrundigen Wettbewerben und bei organisierten Spielergruppen in Open-Turnieren). Es ist ein Versuch, die Risikobereitschaft anzuregen, der letztlich aber auch nicht viel bringt. Anand und Aronian haben zum Beispiel in London 2011, wo die Regel angewandt wurde nur je eine Partie gewonnen und verloren und sechs Partien remisiert.
Parent - - By Chess Player Date 2012-04-16 16:26
[quote="Arno Nickel"]

Hier zum Beispiel der (ehemalige?!) Weltklassespieler Yasser Seirawan mit seiner Idee der Einführung einer neuen Schachfigur:
Code:
Darf gelacht werden? Bis zur Weltspitze ist noch ein weiter Weg!http://ratings.fide.com/id.phtml?event=2000032


GM Larry Kaufman, Senioren-WM 2009 und Komodo-Programmierer, erwähnte ich schon - der ist für die Neubewertung des Patts.
Code:


[/quote]

Und der Mist mit der 3-Punkte-Regel... Kopfschüttel...; sie sollte schleunigst wieder abgeschafft werden!
Parent - By Michael Scheidl Date 2012-04-16 18:35
Die Argumentation mit aktuellen Eloratings zu führen, ist ein entsetzliches, animalisches Niveau.
Parent - - By Arno Nickel Date 2012-04-16 19:16 Edited 2012-04-16 19:27
Die Schachgeschichte beginnt vor 2000, informier Dich mal ein bisschen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Yasser_Seirawan
Parent - By Eduard Nemeth Date 2012-04-15 23:14
Ich sehe das genauso. Dann waeren zb. auch Endspiele mit zwei Springern gegen Koenig auf einmal gewonnen und etliches mehr. Damit kann ich mich nicht anfreunden.
Parent - By Michael Huber Date 2012-04-15 12:29
Hallo Arno,
daneben hätte die Wiedereinführung des Pattsieges zuf Folge, dass Partien ausgespielt werden müssen wenn man um einen Turniersieg mitspielen will - man vergibt ja ansonsten im Fall einens Kurzremis einen potentiellen viertel Punkt - d.h. als Konsequenz mehr Kampfschach - weniger  Remisgeschiebe.

LG, Michael
Parent - By Peter Krug Date 2012-04-15 18:16
Hallo Arno,

wie die Aufhebung der 50 Züge-Regel ist auch der Pattsieg im Fernschach eine Bereicherung.
Außerhalb des Fernschachs allerdings besteht diesbezüglich kein Bedarf, da das Nahschach und Studienschach eh schon so schwer ist.
Im Studienschach denke ich an die vielen schönen geistreichen Patts, beispielsweise die berühmte von Mattison : 1.Sa3! Sxa3 2.Kc8

Im Nahschach denke ich, dass Pattsituationen in Endspielstellungen einen besonderen Reiz zum Nachdenken (Scharfsinn) haben,
der durch diese Regelung doch deutlich abgeschwächt wäre, weil sich der Bevorteilte über Patt nicht mehr so nachdenken müsste,
wenn ohnehin der prozentuelle Gewinnanteil entscheidend ist...

Die vielen Remisserien, sowie der Remistod wird in (noch ferner) Zukunft für das Fernschach gelten...

petert
Parent - - By Timo Haupt Date 2012-04-16 16:31
Hallo Arno,

ich persönlich fände die von dir vorgeschlagene Regelung gut. Das ist bei mir allerdings mehr eine "Bauchentscheidung". Ich konnte schon als Kind nicht begreifen (kurz nachdem mir die Schachregeln erklärt wurden), warum es gleich bewertet wird, wenn ich meinen Gegner patt setze oder umgekehrt ich von meinem Gegner patt gesetzt werde. Es "fühlt" sich einfach nicht richtig an, dass man dafür gleich viele Punkte bekommt. Immerhin hat man beim Pattsetzen den Gegner in eine Situation gezwungen, in der er keinen legalen Zug mehr hat - das ist doch schon eine ganze Menge, fand ich damals als 8-jähriger (und bin heute immer noch dieser Meinung).

Mein Vorschlag bzgl. der Punkte wäre jedoch (um sich der Brüche zu entledigen, mit denen einige vielleicht Schwierigkeiten haben):
Sieg (man setzt den Gegner matt, Gegner gibt auf, gegnerische Zeit läuft ab) - 4 Punkte
Pattsieg (man setzt den Gegner patt) - 3 Punkte
Remis (Vereinbarung, 50-Züge-Regel, ewiges Schach, kein ausreichendes Material mehr für ein Patt oder Matt) - 2 Punkte
Pattniederlage (man wird patt gesetzt) - 1 Punkt
Verlust (man wird matt gesetzt, man gibt auf, die eigene Zeit läuft ab) - 0 Punkte

Ich würde für eine Einführung dieser Regel plädieren, da dies sicherlich dazu führen würde, kein vorschnelles Remis schon im Mittelspiel zu vereinbaren. Außerdem werden die Endspiele sicher weiter ausgekämpft als bisher. Schließlich könnte man einen Punkt liegen lassen, der eventuell durch ein Patt zustande kommen könnte.

Viele Grüße
Timo
Parent - By Frank Rahde Date 2012-04-16 16:40
Die Idee gefällt mir sehr!

Gruß, Frank
Parent - By chessman Date 2012-04-16 17:31
5 Pkt. für einen Sieg!
Dann passt es. Ein Sieg sollte mehr zählen als 2 remis.
die 5 zu 2 Regel wäre sogar noch etwas schwächer als die 3 zu 1 Regel (3Pkt für einen Sieg, 1 für remis)
Parent - - By Stefan Brettschneider Date 2012-04-16 18:14 Edited 2012-04-16 18:16
[quote="Timo Haupt"]
Hallo Arno,

ich persönlich fände die von dir vorgeschlagene Regelung gut. Das ist bei mir allerdings mehr eine "Bauchentscheidung". Ich konnte schon als Kind nicht begreifen (kurz nachdem mir die Schachregeln erklärt wurden), warum es gleich bewertet wird, wenn ich meinen Gegner patt setze oder umgekehrt ich von meinem Gegner patt gesetzt werde. Es "fühlt" sich einfach nicht richtig an, dass man dafür gleich viele Punkte bekommt. Immerhin hat man beim Pattsetzen den Gegner in eine Situation gezwungen, in der er keinen legalen Zug mehr hat - das ist doch schon eine ganze Menge, fand ich damals als 8-jähriger (und bin heute immer noch dieser Meinung).
[/quote]

Einer ähnlichen Auffassung ist (oder war) übrigens auch GM V. Kortschnoj: In seinem alten Buch Antischach über den WM-Kampf gegen Karpov 1978 kommentierte er in Zusammenhang mit der Frage, wie dem Gegner Remis anzubieten war (über den Schiedsrichter), dass es ihm in der 5. Partie eine Genugtuung war, Karpov im 124. Zug (!) pattzusetzen. Wenn ich mich richtig erinnere, nennt er dies eine gewisse Demütigung für den Gegner, der pattgesetzt wird, sich also nicht mehr rühren kann.

Aus purer Gewohnheit kann ich mich allerdings nicht damit anfreunden, ein Patt als 0,75-0,25 zu werten. Wenigstens wäre über die Frage nachzudenken, ob man tatsächlich der Seite mit dem bloßen König, etwa gegen König und Randbauer, mehr als 0,5 Punkte zubilligen sollte. Auch Zeitüberschreitungen ohne Mattpotential müssten dann ja ggf. 0,75-0,25 entschieden werden, sofern theoretisch noch Patt möglich wäre. Auf die Erzwingbarkeit kommt es zumindest derzeit nicht an.

Heute etwa gewinnt Weiß mit König und Randbauer gegen König bei schwarzer ZÜ auch wenn das Bauernendspiel klar unentschieden ist, da Weiß theoretisch mattsetzen könnte. Überschreitet Weiß die Zeit, ist unentschieden. Mit der 0,75-0,25-Regel wäre die Frage, ob Schwarz nicht 0,75 Punkte erhalten müsste, da er - wiederum theoretisch (!) - noch die Chance auf einen "Pattsieg" hätte.
Parent - - By Arno Nickel Date 2012-04-16 20:03
[quote="Stefan Brettschneider"]
Aus purer Gewohnheit kann ich mich allerdings nicht damit anfreunden, ein Patt als 0,75-0,25 zu werten. Wenigstens wäre über die Frage nachzudenken, ob man tatsächlich der Seite mit dem bloßen König, etwa gegen König und Randbauer, mehr als 0,5 Punkte zubilligen sollte. Auch Zeitüberschreitungen ohne Mattpotential müssten dann ja ggf. 0,75-0,25 entschieden werden, sofern theoretisch noch Patt möglich wäre. Auf die Erzwingbarkeit kommt es zumindest derzeit nicht an.

Heute etwa gewinnt Weiß mit König und Randbauer gegen König bei schwarzer ZÜ auch wenn das Bauernendspiel klar unentschieden ist, da Weiß theoretisch mattsetzen könnte. Überschreitet Weiß die Zeit, ist unentschieden. Mit der 0,75-0,25-Regel wäre die Frage, ob Schwarz nicht 0,75 Punkte erhalten müsste, da er - wiederum theoretisch (!) - noch die Chance auf einen "Pattsieg" hätte.[/quote]

Das Beispiel, das ich weiter oben gebracht habe, in der Schwarz durch eine Kombination am Ende mit dem blanken König mattsetzt, zeigt, wie Material in Angriffspotential (Kraft) umgesetzt wird. Man Schachkommentatoren schwärmen in analogen Fällen von einem "Triumph der Idee über die Materie". Ich habe dieses Beispiel gewählt um zu zeigen, dass das Schachspiel mit der Einführung des Pattsieges keineswegs "materialistisch" verflachen würde. Aber ist natürlich ein seltener Fall, der in der Regel wohl auf fehlerhaftem Spiel der pattgesetzten Seite beruht, die es demnach aber auch nicht anders verdient hat.

Das Thema Zeitüberschreitung in Schachpartien (und auch schon: unerlaubtes Zeitspiel als Vorstufe für Gewinnversuche...) ist ein kompliziertes Thema für sich, wo es leider immer wieder zu Fehlentscheidungen von überforderten Schiedsrichtern kommt. Ohne da jetzt ins Detail gehen zu wollen, scheint es mir einfach und angemessen zu sein, die Sonderregel zu formulieren, dass ein Spieler, der ein Remis gegen den blanken König reklamieren will, dies jederzeit tun kann, bevor seine "Klappe" fällt - der Schiedsrichter muss entscheiden -, und zwar auch für den Fall, dass die Zeit überschritten wurde. Ein Schiedsrichter, der dies nicht mit einem Blick aufs Brett beurteilen kann, ob der blanke König noch ein Patt erzwingen kann, sollte lieber sein Amt aufgeben.

Vielen Dank für den interessanten Beitrag und speziell auch für den Hinweis zu Kortschnoi.
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-04-16 20:16
Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen:

Das Spielziel im Schach ist den Gegner Matt zu setzen.
Parent - By Arno Nickel Date 2012-04-16 23:27
Jetzt wird's aber grotesk 
Niemand empfiehlt hier, von diesem Ziel abzurücken.
Realität ist aber, dass etliche Spieler aller Spielklassen dieses Ziel gar nicht verfolgen, sondern auf remis spielen, und das mit Erfolg...
Woran mag das liegen?
Parent - By Werner Mueller Date 2012-04-19 10:33
[quote="Michael Scheidl"]
Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen:

Das Spielziel im Schach ist den Gegner Matt zu setzen.
[/quote]
Wiederholung ist die Grundlage des Lernens.

Ja, Ziel des Schachspiels ist das Mattsetzen und wer das in einer Partie nicht hinbekommt, muss nicht über einen nutzlosen Mehrbauern jammern.

Ähnliche Diskussionen im Fußball, bei Toregleichstand das Eckenverhältnis als Wertung heranzuziehen, verschwinden regelmäßig in der Versenkung aus einem einfachen Grund.

Vom Ende her betrachtet - also wenn man sieht, dass eine Mannschaft bei 18:0 Ecken trotzdem nicht mehr als ein 1:1 hinbekommt - erscheint ein 'Eckensieg' ja zunächst mal gar nicht so abwegig und vertretbar.
Vom Anfang her betrachtet - wenn also im Wissen um dieses Hilfsziel gespielt wird - verändert es natürlich den Charakter des Fußballs. Da schießt man dann schon mal lieber den Gegner an, um eine Ecke zu erzielen, als eine vernünftige Flanke zu versuchen. Vor allem in der Schlußphase bei Toregleichstand und annähernd gleichem Eckenverhältnis droht das Ganze ins Groteske abzugleiten.

Ganz genauso verhält es sich natürlich auch im Schach (über die Problematiken wurde hier schon genug geschrieben).

Und ... auch wenn man sich am Ende mit einem Klötzchen mehr für den besseren Spieler hält - man muss auch mal gönnen können und nicht immer aus allem und jedem das Letzte herausquetschen wollen.
Parent - - By Stefan Brettschneider Date 2012-04-17 18:40
[quote="Arno Nickel"]
Vielen Dank für den interessanten Beitrag und speziell auch für den Hinweis zu Kortschnoi.
[/quote]
Gern, da liefere ich noch das Zitat nach, da das Buch ja nicht mehr so leicht einzusehen (vergriffen...) ist:

"Wir spielten bis zum 124. Zug, doch war mein Vorteil nicht zum Siege ausreichend. Es hat mir dann Vergnügen bereitet, den Weltmeister patt zu setzen. Zum ersten brauchte ich ihm dabei nicht das Remis anzubieten, zum zweiten - so regelkonform ein Patt auch das Unentschieden herbeiführt - es ist doch irgendwie erniedrigend. Dies mag zwar lächerlich erscheinen, ist aber doch eine Tatsache. Und deshalb fühlte sich Anatoli Karpow nach dieser Partie irgendwie beleidigt."

Kortschnoi, Antischach - Weltmeisterschaftskampf 1978 in Baguio City, Seite 64
Parent - By Chess Player Date 2012-04-19 10:56
[quote="Stefan Brettschneider"]
[quote="Arno Nickel"]
Vielen Dank für den interessanten Beitrag und speziell auch für den Hinweis zu Kortschnoi.
[/quote]
... Es hat mir dann Vergnügen bereitet, den Weltmeister patt zu setzen. Zum ersten brauchte ich ihm dabei nicht das Remis anzubieten, zum zweiten - so regelkonform ein Patt auch das Unentschieden herbeiführt - es ist doch irgendwie erniedrigend. ... Und deshalb fühlte sich Anatoli Karpow nach dieser Partie irgendwie beleidigt."

Kortschnoi, Antischach - Weltmeisterschaftskampf 1978 in Baguio City, Seite 64
[/quote]
Und der Turnierleiter hat die Beleidigung ungestraft gelassen? Nach den Turnierregeln ist so etwas unzulässig! Wäre ich Turnierleiter, dann hätte ich zumindest den Herrn Kortschnoi verwarnt.
Parent - - By Ingo Bauer Date 2012-04-16 19:05
Moin Timo,

Schöner Vorschlag. Wenn wir schon dabei sind würde ich aber Weiß, sofern er seinen Anzugsvorteil nicht ausnutzen konnte einen Punkt abziehen, und Schwarz, sofern er Patt setzt, einen Extra-Punkt geben weil er ohne Anzugsvorteil spielte ... Auch die 50 Züge Regel ist nicht mehr Zeitgemäß und die Dame sollte alle möglichen Züge vereinen, auch die des Springers ...

Ok, ist alles überspitzt aber auch wenn ich den 8-jährigen verstehen kann, denke ich doch, dass auch der Pattsetzende versagt hat (und denk da an die vielen Male Blitzschach in der meine Gegner plötzlich einen halben Punkt bekam weil ich mir die Stellung mal wieder nicht genau angesehen habe! EIGENTLICH ist der halbe Punkt den ICH dann bekam noch geschmeichelt!

Gruß
Ingo
Parent - - By Timo Haupt Date 2012-04-16 19:39
Hi Ingo,

du solltest bedenken, dass bei dem von Arno gemachten Vorschlag lediglich in die Wertung des Partieausgangs eingegriffen wird, nicht jedoch in die Regeln als solche! Deshalb halte ich den ersten Teil deines Postings sogar für SEHR überspitzt.

Und was das Versagen des Pattsetzenden angeht: Da lässt du außer Acht, dass dies nicht nur "aus Versehen" passieren kann, sondern eben auch in manchen Situationen noch möglich ist, wenn eben kein Matt mehr drin ist. Wer Patt setzt, wo ein Matt möglich gewesen wäre, hat eben einen Viertelpunkt (oder nach meiner Rechnung einen ganzen Punkt) liegen lassen. Das kann auch mal turnierentscheidend sein. Aber in der überwiegenden Anzahl von Partien zwischen guten Schachspielern (sagen wir 2000 Elo und aufwärts) wird so ein "aus Versehen" Pattsetzen höchtens mal in einer Blitzpartie vorkommen. Was aber sicher häufiger vorkommt, ist eine Endspielsituation, in der vielleicht kein erzwungenes Matt mehr möglich ist, aber noch um das Patt gekämpft werden kann.

Ich persönlich glaube nicht, dass Arnos Initiative Erfolg haben wird, dafür sind Schachspieler viel zu konservativ. Chess960 ist das einzige mir bekannte Beispiel, welches inzwischen schon relativ etabliert ist als neue Schachvariante (hat aber auch lange gedauert wenn man FRC als Ausgangspunkt betrachtet) - ob es jemals dazu kommen wird, dass es das Schach mit der klassischen Ausgangsstellung ersetzen wird, darf arg bezweifelt werden. Insofern darf angenommen werden, dass sich neue Vorschläge, wie interessant sie für das Spiel als solches auch immer sein mögen, auf Dauer nicht durchsetzen werden. Vielleicht erst, wenn Schach irgendwann genau wie Checkers ausrechenbar ist.*

Viele Grüße
Timo

* Ich weiß, jetzt rufe ich wieder diejenigen auf den Plan, die behaupten, dass Schach niemals ausrechenbar sein wird. Dazu habe ich halt eine andere Meinung. Mir sind sehr wohl die Zahlen aller möglichen Zugfolgen und Schachstellungen bis Zug 60 o.ä. bekannt. Aber eines habe ich in meinem Leben auch schon lernen müssen: Sag niemals nie! Als die ersten Computer Schach spielen "lernten", hat man auch noch gedacht, diese Dinger würden niemals einen Großmeister schlagen können. Wie die Realität heute aussieht, weiß hier jeder: Durch äußerst clevere Algorithmen und wesentlich stärkere Hardware hat man den Schach-Weltmeister inzwischen überflügelt. Im Go gibt es z.Zt. ja eine ähnliche Entwicklung, vielleicht wird es noch 8-10 Jahre dauern, aber dann spielen im 19x19 die Computer mit 9. Dan Meistern auf Augenhöhe.
Parent - By Michael Scheidl Date 2012-04-16 19:53
Zitat:
Sag niemals nie!

Das ist korrekt.
Parent - By Deepakreddy Date 2012-05-01 18:18
Meiner Meinung nach braucht ein Schiedsrichter keine grodfe Ahnung vom Schach zu haben; er stolle in erster und zweiter Linie ffcr einen ordnungsgeme4dfen Ablauf der Veranstaltung sorgen und auf die Einhaltung der Regeln achten! Wie: keine Ahnung vom Schach und gleichzeitig aber auf die Einhaltung der Regeln achten? Ein Widerspruch? Nein, ist es in meinen Augen nicht; nur leider hakt es simpel bei der Einhaltung der Regeln (bzw. auch der beim Deutschen Schachbund existierenden Turnierordnungen) Ich he4tte damals in Berlin am 28.01.2006 bei der grodfen BuliRunde das Match in den unteren Re4umen zwischen, glaube ich, Kreuzberg-Tegernsee, abgebrochen: Zu laut, zu kalt usw. das hatte was von einer Kirmesveranstaltung und nicht unbedingt Bundesligaschach. Auch wenn ich an das letztje4hrige Saisonfinale in der 2. Bundesliga zwischen SF Berlin und Kreuzberg II denke (ist so oft zitiert bei so vielen unterschiedlichen Blogs ); auch da mangelte es eher an den Regelkenntnissen des Schiedsrichters (Thema Hilfsschiedsrichter ) als das der nun grodfe Ahnung von dem Geschehen auf den 64 Feldern haben mfcsste! Schaut man sich die DWZ-Zahlen der Schiris allein nur aus der 1.Bundesliag an, sind das alles keine  grodfen Helden 
Parent - By Arno Nickel Date 2012-04-16 19:32
Besten Dank, Timo. Ich habe während meiner Studentenzeit viele Schachkurse an Volkshochschulen gegeben und weiß daher auch, wovon ich rede...
Dein Ansatz, auf Bruchzahlen zu verzichten, ist längerfristig bestimmt empfehlenswert und die Umsetzung fraglos richtig. Ich habe verschiedene Leute gefragt, weil ich es auch so angedacht hatte, und stellte fest, dass wir doch ein wenig genormt sind auf die "1" und die "0". Wenn man nach 6 Runden eine Turniertabelle betrachtet, dann sind Zahlen wie 4,5 für den Ersten, 4 für den Nächsten usw. leicht verständlich und überschaubar. Wenn dort jedoch steht 18 (aus 24) für den Ersten, 16 für den Zweiten usw., dann muss man sich daran erstmal gewöhnen. (Das gleiche Phänomen tritt natürlich auch bei der 3-Punkte-Regel, siehe London Classics, auf). -
Wahrscheinlich ist das aber nur bei den ersten Turnieren so und bald weiß man, dass ein Unterschied von 2 Punkten eben einem Remis (bzw. einem halben Zähler) mehr entspricht usw.
Viele Grüße
Arno
Parent - By Adam Ewa Date 2012-04-16 16:56
Pattverlust!

Sorry aber wir sollten solche schlechten 1 April Scherze lassen.
Patt war und wird immer ein Remis bleiben, Basta, Ende der Diskussion. Wenn ihr zuhause mit euren Freunden Schach spielt, dann könnt ihr nach welchen auch immer Regeln spielen, die euch gefallen. Lasst aber ernsthafte Schachspieler mit solchen Vorschlägen in Ruhe.

Ich hab schon mal in einem Nahschachturnier gesehen, dass ein Schachspieler mit totaler materieller Überlegenheit seinen Gegner zufällig Patt setzte, weil er die Pattstellung nicht gesehen hat, das war lustig für Zuschauer:) Es gehört also etwas Intelligenz dazu Patt frühzeitig zu erkennen.
Nee nee, eine Schachpartie wird spätestens erst gewonnen, wenn ein Spieler mit seinem letzten Zug seinen Mitspieler matt gesetzt hat, oder vorher eine Aufgabe, Zeitverlust folgt. Es gibt keine extrapunkte für was anderes.
Parent - - By Chess Player2 Date 2012-04-16 18:06
Ich weiss ja nicht was ihr gegen ausgekämpfte Remis habt? Schach ist ein Remisspiel. Man kann nur gewinnen, wenn der Gegner einen Fehler, schlechten Zug, gemacht hat.
Sich gerne Gewinnpartien anzusehen, bedeutet auch, sich gerne fehlerhafte Schachpartien anzusehen...
Parent - By Chess Player Date 2012-04-16 18:25
Sehr wahr, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Sehr abstrus diese Debatte.
Parent - By Peter Schneider Date 2012-04-17 01:16
Hi zusammen,

sicherlich wäre ein Pattsieg eine Möglichkeit den Remistod des Fernschachs hinauszuzögern.
Aber ist es wirklich zielführend, dass für Fernschach andere Regeln gelten sollen als für Turnierschach?
Über den Remistod des Fernschachs habe ich mich hier schon 2009 ausgelassen.
Einfach mal die Suche bemühen.
Lieben Gruss
Peter
Parent - - By Bernhard Traven Date 2012-04-17 11:41
[quote="Arno Nickel"]


Der Pattsieg beruht auf einem klaren positionellen Übergewicht, auf Initiative und auf Zugzwang. Warum sollen sich diese Vorteile, die jemand erspielt hat...

Arno Nickel (14. April 1012)
[/quote]

also mich überzeugt dass...!
Parent - - By Jörg Oster Date 2012-04-17 15:51
Mich nicht!

Ferner gebe ich zu bedenken: wie oft kommt denn eine Pattsituation gemessen an den Remisen vor? Intuitiv würde ich meinen, der Großteil an Remisen wird durch 3-fache Stellungswiederholung erreicht, gefolgt von der 50-Züge-Regel. Ein Patt dürfte doch eher selten sein, oder? Hat wer Zahlen?
Wenn es anteilsmäßig unter 10% liegt, ist es eh müßig, sich darüber Gedanken zu machen...
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-04-17 16:38
10% wären kein allzu geringer Anteil, aber es geht ja nicht um Patts die tatsächlich eingetreten sind, sondern um späte Endspiele wo zwar kein Matt, aber Patt erzwingbar ist. Starke Spieler spielen ja "elementare" Konstellationen fast nie aus.

Der größte Anteil an Remisen wird sicherlich durch Vereinbarung erreicht, was aber zum (kleineren) Teil auch Fälle sind wo eine der drei obgenannten Möglichkeiten sich schon abzeichnet.
Parent - - By Arno Nickel Date 2012-04-17 19:06
Das ist richtig, es geht um die Perspektive von Endspielen.
Ich habe vor einiger Zeit mal per Zufallsauswahl aus einer Datenbank 100 Remispartien von Schachspielern ab FIDE-Elo 2500, gespielt 2011, durchgesehen und anhand der Endstellungen einen Schätzwert von 20-30% ermittelt. Ausgangspunkt war eine private Wette, wo ein Freund ebenfalls meinte, in der Praxis kämen nicht soviele Remisen vor (er schätzte 5%), bei denen im Falle eines Weiterspiels ein Pattsieg sicher oder wahrscheinlich wäre. (Der Unterschied von 20% zu 30% beschreibt die Grauzone, in der sich viele Endspiele bewegen, in denen die stärkere Seite ihren Mehrbauern eventuell auch bei Einführung des Pattsieges nicht verwerten kann, weil ein Figurentausch mit Übergang ins Bauernendspiel nicht erzwingbar ist.)
Die spannende Frage ist, wie wären viele dieser Partien vorher verlaufen, wenn sie eben schon von vornherein unter den erweiterten Bedingungen (mit der zusätzlichen Option des Pattsieges) gespielt worden wären?

Eine weitere Zahl, die interessant ist: Nimmt man alle gewerteten Partien zwischen Spielern ab Elo 2700 und höher seit Anfang 2007 bis April 2012, so beträgt die Remisquote 63,8%. Diesen Wert habe ich nach Herausfiltern aller Blitz- und Schnellpartien auf der Basis von 2667 Partien erhalten, von denen eben 1700 remis endeten.

Ich war nie ein Anhänger der Formel "Schach ist Sport", aber all denjenigen, die Schach so sehen und betreiben bzw. organisieren, möchte ich ein Zitat Rétis empfehlen, der 1922 eingangs in seinen "Die neuen Ideen im Schachspiel" schrieb:
"...man muß nämlich, um das Matt zu erzwingen am Schlusse mindestens das Übergewicht eines Turmes haben. Man kann viel besser gespielt haben als der Gegner, ein materielles oder positionelles Übergewicht errungen haben, ohne in der Lage zu sein, der Forderung, den Gegner mattzusetzen, entsprechen zu können. Die Partie wird remis. Es ist so, wie wenn bei einem Wettkampf vereinbart würde, daß eine kleine Differenz, sagen wir eine Sekunde, nicht als entscheidend, der Wettkampf unentschieden gelten solle. Das Resultat wäre, daß die besten Läufer einander nicht besiegen könnten." (Hv. v. mir)
Parent - By Stefan Brettschneider Date 2012-04-18 12:56
Das ist in der Tat eine erstaunliche Auswertung, d.h. die Wette hätte ich auch verloren (zumal - kleine humoristische Anmerkung - meine eigene Remisquote für die abgeschlossene Saison in der Oberliga Nord, Staffel Nord-Ost gerade 0% beträgt! ). Also könnte der "Hebel" durch einen Pattsieg 1/5 betragen und die Remisquote absenken, womit zumindest für den betrachteten Spielstärkebereich und Zeitraum ein Indiz vorliegt, dass die Regeleinführung "Pattsieg" eine geeignete Intervention gegen steigende (reine) Remisparteien sein könnte.

Eine Remisquote unter Spitzenspielern zwischen 60% und 65% erscheint mir wiederum einigermaßen vorhersehbar. Man denke auch an die vielen Remispartien in Weltmeisterschaftskämpfen. Aus meiner Sicht ist da sogar noch etwas "Luft", bis ich die Attraktivität des Schachs als gefährdet ansehe, aber das lässt sich kaum objektivieren. Gefühlt wäre mir erst eine Remisquote um 80% "unheimlich". Das wäre für mich ein klares Signal, über eine Aufwertung des Gewinnes ernsthaft nachzudenken, um den Anreiz, Risiken einzugehen, zu erhöhen. Mir erschiene die Aufwertung des Gewinns für sich betrachtet als der kleinere Regeleingriff gegenüber dem Pattsieg, da sich daraus keine Änderungen für die Stellungsbeurteilung (nur für die Chancenabwägung, z.B. bei der Entscheidungsfindung, ob man ein zweischneidige Opfer spielen sollte) ergeben würden.
Parent - By Joe Nettelbeck Date 2012-04-20 13:17
Der Punkt ist doch aber der, dass diese 63% Remisen unter vorheriger völliger Einigkeit über die Regeln erreicht wurden. Man kann nicht einfach hergehen und nachträglich die Regeln ändern und dann sagen: "Seht ihr, diese Regeländerung würde die Remisquote um soundsoviel Prozent senken." Das funktioniert einfach nicht. Denn nach Einführung des Pattsieges würde die Remisquote noch einer gewissen Gewöhnungsphase rasch wieder bei genau diesen 63% ankommen. Sind die Regeln bekannt und internalisiert/automatisiert im Kopf, wird man nach denselben Strategien spielen wie vorher, nur vielleicht einige der alten Wege meiden.
Parent - By omi ban Date 2012-04-18 17:45
das geht nicht, die ganzen Schachengines, Endspieltabellen sind auf Patt=gleich Remis programmiert. Nicht zu vergessen die ganze Weltliteratur und Spielfilme die Thema Patt benutzten. Ihr wollt also lieber verlieren beim Schach als patt=remis gesetzt zu werden? seltsam.
Parent - - By Roland del Rio Date 2012-04-18 20:16
Hallo Arno.
Finde den Thread hier sehr interessant und auch ich habe mir schon Gedanken in diese Richtung gemacht. Ich muss gestehen, das meine Sympathie für die Regeländerung anfangs euphorischer war und ich,
je länger ich darüber Nachdenke, immer skeptischer werde. Meine eignen Ideen wie zur Bekämpfung des vermeindlichen drohenden "Remistot" werde ich ggf. zu späterer Zeit auch mal hier posten, zuerst
bin ich gespannt auf die weiteren Beiträge und Meinungen zur der Idee des "Pattsieges".
Bevor ich beginne will ich anmerken, dass mir der Begriff "Pattsieg" nicht gefällt, denn das Wort "Sieg" wird oft mit 1-0 gleichgesetzt und somit sind Falschinterpretationen Tür und Tor geöffnet.
Das Ganze bei einem Thema in dem sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein wird, bringt von vornherein mehr Ablehung auf den Plan als nötig. Gute Beispiele findet man auch hier schon im Thread.
Nun zum Thema.
Aus meiner Sicht, und die Diskussion hier im Forum bestärkt mich in dieser Meinung, ist es von essenzieller Notwendigkeit festzulegen, auf welche Bereiche der Schachspiels eine solche Regeländerung Anwendung finden soll.
Und hier gehen unsere Meinungen vermutlich etwas auseinander, denn m.E. rechtfertigt sich eine Regeländerung diesen Ausmaßes nur dann, wenn absoluter Handlungsbedarf besteht.
Vorneweg will ich schonmal sagen: Falls dieser Handlungsbedarf zum heutigen Zeitpunkt überhaupt schon existiert, sehe ich ihn einzig in Fernschachturnieren auf höchstem Niveau.
Sollten "Nah"-Schach-SuperGMs ebenfalls einen solchen Handlungs für sich sehen, sollten sie sich eigens ihres Themas annehmen. Dort liegen die Dinge sicherlich ein wenig anders.
Eine grundsätzlich Regeländerung für Partieschach im Allgemeinen halte ich für nicht notwendig, hier ist die Remisquote völlig ok, und 99% der Spieler kämpfen mit anderen Problemen, als sich nach einer (vermeintlich) fehlerfreien Partie
im Turmendspiel mit Mehrbauern über den nur erzielten halben Punkt zu aufzuregen. Weiterhin hätten wir hier ein Generationenproblem, denn die Schachtheorie müsste sehr wohl umgeschrieben werden, auch wenn man "nur" an der Bewertung
des Resultats eingreift. Natürlich wäre kein gewonnenes Endspiel dadurch nicht mehr gewonnen, aber die nicht zu gewinnenden Endspiele würden sich nun in zwei Klassen aufteilen, eben die 0.5-0.5-Klasse und die 0.75-0.25 Klasse des "Pattsieges".
Somit müssten die Awerbachs dieser Welt de facto sehr wohl neu geschrieben werden, denn jede Variante die z.Z. in "Remis" endet, wäre zu überprüfen. Folge wäre ein erheblicher Komplexitätszuwachs der Endspieltheorie. Nicht, dass das ein
grundsätzliches Problem darstellt, aber hier entsteht eben ein Gernerationenproblem derart, dass die jetzige Generation in großen Teilen wohl kaum dazu bereit wäre ihre erworbenen Kenntnisse zwar nicht
komplett über den Haufen zu werfen, sich aber der Herausforderung stellen müsste, diese unter erheblichem Zeit und Kraftaufwand auf den neuen Stand zu bringen. Beispiel: In Turmendspielen mit Minusbauern denke ich mich ganz gut auszukennen wenn es das normalesweise optimale Ergebnis von 0.5 Punkten zu erreichen.
Nach der Regeländerung stände ich aber ziemlich am Anfang, wenn es um die Frage geht, wie ich das Optimum von 0.5 Punkte erziele und nicht nur 0.25. Man würde die Spieler der heutigen Generation vor die Wahl stellen sich entweder das neue Wissen anzueignen
oder aber plötzlich als Endspieldiletant dazustehen. Auf das Erscheinen des Awerbachs 2.0 in nun stark erweiterter Ausgabe wartet sicherlich keine Mehrheit der Schachspieler weltweit.
Für eine neue Generation, die mit diesen Regeln groß wird, wäre all das sicherlich kein Problem in den meisten Pattsituationen mit mehr als einem halben Punkt belohnt zu werden (was übrigens auch nach meinem Empfinden "gerechter" erscheint).
Nun aber zum Fernschach. Hier gilt natürlich erstmal das Gleiche. Also denke ich, dass eben der Leidensdruck so hoch sein muss, dass man mehrheitlich bereit ist diesen Weg zu gehen. Die Frage wird sein, ob der Leidensdruck überhaupt so hoch sein kann.
Ich für meinen Teil denke, dass es sehr wohl in Naher Zukunft so weit kommen könnte. Es gab, gibt und wird immer mehr Fernschachspieler geben, denen das Spiel in seiner jetzigen Form keinen Spaß mehr macht und die die Fernschachgemeinde verliert.
Zentrale Frage: Würde man mit der neuen Regel daran etwas Ändern? Hieße niedrigere Remisquote wieder mehr Spaß? Oder ist es die grundsätzliche Art in der sich Fernschach im 21.Jahrhundert darstellt das Problem? Oder ist es Beides?
Das Bedauerliche ist aus meiner Sicht, dass das Fernschach, wenn wir nicht ändern, an Qualität einbüßt. Warum? Weil hauptsächlich die Guten gehen. Wenn es einem trotz besserem schachlichen Verständnis nicht mehr gelingt einen schachlich unterlegenen
Spieler dank seiner elektronischen Hilfe aus der Remisbandbreite zu drücken, dann ist oftmals demotiverend. Kleine,mittlere, ja vielleicht sogar große Spielstärkeunterschied der Menschen, finden keine Repräsentanz in Ergbnistabellen.
Vielleicht können viele Fernschachspieler aber auch gut dauerhaft damit Leben, eben sehr oft nur "fast" gewonnen zu haben. Aber sicherlich geibt es auch viele, für die das nicht in Frage kommt und die  eine Änderung herbeisehnen.
Vielleicht könnte man provokant postulieren: Wer Schach als Kunst versteht, der fühlt sich in einer Schachpartie aus ganz anderer Quelle befriedigt, als durch das Spielergebnis. Für diejenigen jedoch, die es als Sport sehen,
gilt aber sicherlich oft die Devise: Motivation nährt sich aus Erfolgen und Erfolge basieren auf Zahlen.
Weiterhin halte ich es für problematisch nach FRC/Chess960, mit "Pattsieg"-Schach einen weitern Zweig des königlichen Spiels auf den Plan zu rufen. Solche Diversifizierungen bergen stets die Gefahr innerhalb eines Zweiges
unter eine für den Spielbetrieb notwendigen kritischen Masse zu enden. Auch deshalb denke ich sollte der Wirkungskreis der Regeländerung, falls sie überhaupt eine Chance bekommen soll,
immer klar abgegrenzt sein auf die Gebiete, wo eben die Beibehaltung des Regel-Status-Quo noch verheerende Folgen hätte.
Auch ein Beitrag hier im Thread halte ich für sehr relevant, nämlich die Auswirkung der Regeländerung auf Opfer/Gambits etc. In der Tat könnte sich hier einiges Ändern, nur läßt es sich vermutlich schlecht vorhersagen, insofern wäre hierfür, wie natürlich auch im Allgemeinen ein Test angesagt.

Viele Grüße
Roland



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