Hallo Klaus & Frank,
was ihr hier erarbeitet habt, ist wirklich beeindruckend, sowohl was Umfang, als auch was die Qualität betrifft. Vor dieser Leistung kann man wirklich nur den Hut ziehen.
Leider muß ich aber weiterhin meine Zweifel anbringen, ob der prinzipielle Ansatz, den ihr verfolgt, noch zeitgemäß ist.
Dazu zitiere ich mal Frank selbst:
"Mit Engine Spielstärke alleine kann mich heute persönlich niemand mehr begeistern und vielen anderen ergeht es nicht anders. Ich denke, dass wenn wir schon hingehen, messen wollen was weit über unseren Horizont liegt ... sollten wir zumindest versuchen die optimale Basis dafür zu finden. Was bringen Bücher die sich zu 70-85 eignen wenn wir bei Benutzung Ergebnisse zu 15-30% manipulieren. Schwächere Programme haben mehr Remischancen in 15-30% aller Partien. Der Mensch greift ein, eigentlich immer dann wenn der Mensch eingreift müssen wir bei der heutigen Spielstärke der Programme von einer negativen Beeinflussung ausgehen.
Wir simulieren also nur noch das was wir eh nicht verstehen oder besser ... immer weniger verstehen.
Was wir aber tun können ist für eine optimale Testbasis zu sorgen.
Sollen uns also die Schachprogramme selbst erzählen was sich zum Testen eignet und was nicht.
Nichts anders macht Feobos, selektiert aus was Schachprogramme nicht mögen.
Behält was Schachprogramme mögen.
Im Grunde machen wir uns nur gewollt zum Sklaven der Engines und führen aus was Sie möchten." (Zitatende)
Wenn man dazu durchaus passend, sich mal die Ergebnisse des gerade zuende gegangenen großen Online-Turniers auf Infinitychess anschaut, wo starke Engines(bzw. Zentauren) mit stark auf die Engine optimierten Büchern gegeneinander antraten, dann sehen wir dort Remisqouten um die 90%
http://talkchess.com/forum/viewtopic.php?t=64066. Bei einer solchen Remisquote stellt sich dann doch langsam aber sicher die Sinnfrage für Computerschach ganz allgemein. Warum kann sich denn Frank (und viele andere) nicht mehr für die Engine Spielstärke allein begeistern? Doch eben darum, weil das Schach immer perfekter, die Remisqouten immer höher, damit
das ganze Computerschach immer langweiliger wird. Dies ist das generelle, prinzipielle Problem, was meiner Meinung nach angegangen werden muß. Und FEOBOS tut genau das nicht. Schlimmer noch: FEOBOS macht das Gegenteil: Neben den immer besser spielenden Engines, verbessert FEOBOS nun noch die Eröffnungsvorgaben (im Sinne der Korrektheit nach Meinung der Engines), so daß das Computerschach noch besser/korrekter und damit noch remislicher und noch steriler und noch klinischer wird. Und
damit wird das Computerschach dann bald klinisch tot sein, um die Formulierung von eben mal scherzhaft aufzugreifen.
Vor 10-15 Jahren hätte man FEOBOS haben müssen und gut gebrauchen können. Damals wäre es ein großartiges Projekt gewesen. Heutzutage wird es leider nur dazu beitragen, das Computerschach noch schneller vor die (Remis-)Wand zu fahren. Aufgrund des immensen Aufwandes, den ihr beiden betreibt, tut es mir wirklich von Herzen leid, diese, meine kritische Meinung hier kundtun zu müssen, aber ich denke nun mal, so ist die momentane Situation. Und mir als Computerschachfreak macht diese Entwicklung Angst um mein geliebtes Hobby.
Deswegen, und nur deswegen, schlage ich mit meinen SALC-Büchern und Eröffnungssets ganz bewußt den entgegengesetzten Weg ein: Ich will beim Computerschach Spaß haben, spannenden Partien miterleben, möglichst wenige Remisen sehen. Und die Engines sollen mir das gefälligst liefern. Ich will nicht der Sklave der Engines sein (siehe Frank), sondern die Engines sollen (ganz im Gegenteil) mir Spaß, Spannung und Unterhaltung liefern. Darum der Ansatz mit SALC (also immer Rochade auf gegenüberliegende Flügel, immer Damen auf dem Brett). Dieser Ansatz begünstigt prinzipiell Königsangriffe und taktische Verwicklungen - und treibt das Computerschach also weg vom Remistod bzw. dem Tod durch sterile Perfektion. Ich kann das gar nicht genug betonen: Es geht mir ganz bestimmt nicht um mein Ego, oder darum, euer Projekt schlechtzureden, um Werbung für die SALC-Bücher zu machen. Es geht mir nur um die Zukunft des Computerschachs. Dazu braucht das Computerschach frisches Blut, mehr Lebendigkeit. Und das liefern die SALC-Bücher. Und zwar (fast?) ohne Stellungen zu enthalten, die einen zu großen Anfangsvorteil für eine Seite enthalten. FEOBOS liefert hingegen noch mehr Korrektheit und Sterilität. Und das ist das, was das Computerschach am allerwenigsten braucht.
Darum arbeite ich z.Zt. an neuen Versionen von SALC-Büchern/Stellungssets. Diesmal wird es ein tieferes Buch geben, welches (hoffentlich) über 25000 Endstellungen haben wird (hier wird Komodo in einem Intervall von [-0,6,+0.6] ausfiltern, wie bei alten SALC-Buch) und ein kürzeres und damit auch deutlich kleineres Buch/Stellungsset, das etwas weniger wild sein wird (hier wird Komodo in einem Intervall von [-0,5,+0.5] ausfiltern). Die Intervallwerte sind noch nicht in Stein gemeißelt, ich muß erst schauen, wie viele Stellungen/Linien jeweils herauskommen. Und ein neues 500-Stellungsset für einen 1000 Partien Zweikampf wird es auch geben, welches mit 7.5 Zügen Tiefe (15 Plies) sehr flach sein wird. Der Release wird bald erfolgen.
Ich hoffe, ich habe euch beiden nicht zu sehr auf den Schlips getreten. Ich kann nur nochmal betonen: Die Qualität eurer Arbeit ist herausragend. Und der Umfang bewundernswert. Ich habe nur große Bedenken, daß der Ansatz an sich, der mit FEOBOS verfolgt wird, für die Zukunft des Computerschachs nicht nur nicht förderlich, sondern sogar kontraproduktiv ist.
Grüße - Stefan