Hallo Frank,
du beschreibst den Zustand des Computerschachs bereits sehr gut: Es ist auf dem absteigenden Ast. Die breite Öffentlichkeit interessiert sich dafür spätestens nicht mehr, seitdem die Computer besser als Menschen spielen. Die Zeiten, in denen es für Leute interessant war, die ein kommerzielles Interesse hatten, sind auch längst vorbei. Früher wurden Millionenumsätze mit Brettschachcomputern (Mephisto & Co) und später auch mit Schachsoftware (Chessmaster!) erzielt, heutzutage kann doch kaum noch jemand davon leben (verbliebene Vollprofis wie SMK, Mark Uniacke usw. werden sicherlich neben Schachsoftware noch andere Projekte am Laufen haben).
Die Community schrumpft, junge Leute rücken kaum noch nach (mir fällt kaum jemand ein, der jünger ist als ich - und ich werde nächstes Jahr auch schon 40!). Auch wenn es immer noch Teilaspekte und -projekte gibt, die den Spaß kurz- bis mittelfristig wieder aufflammen lassen (z.B. FEOBOS), so erscheint das ganze Thema Computerschach mittlerweile langsam "ausgelutscht". Ein paar Verrückte wie wir kommen halt nicht davon los - ich selbst hatte schon ein paar Mal eine längere Pause eingelegt, aber nach einer gewissen Zeit ergreift mich dann doch immer wieder das alte Fieber. Nur die Zeit habe ich einfach nicht mehr als Vater von zwei kleinen Kindern. Es reicht gerade noch so, mich immer über die neuesten Entwicklungen zu informieren - selbst bin ich momentan sehr unproduktiv, obwohl ich einige Sachen hier in der Pipe hätte.
Insofern begrüße ich es, dass DeepMind mit AlphaZero etwas vorgelegt hat, das die CS-Community "bei der Ehre gepackt" hat und es nun überall rumort. Das kann nur positiv sein. Ich hoffe wirklich, dass sich die A0-Verantwortlichen auf ein Match einlassen werden, wie es schon ein paar Mal an verschiedenen Stellen gefordert wurde. Das wäre doch mal ein echter Lichtblick für die Szene. Und vielleicht führen die in dem Paper erwähnten Methoden, die A0 so stark machen sollen, zu einem Umdenken der Entwickler "konventioneller Schachprogramme" in eine ganz andere Richtung. Vielleicht führt dies wieder zu einem weiteren Spielstärkesprung, wie er zuletzt nach dem Erscheinen von Rybka vor über 10 Jahren das letzte Mal stattfand.
Es bleibt (für uns wenige Verbliebene, die das Geschehen noch weiter verfolgen) weiter spannend!
Viele Grüße
Timo