.
Die aktuelle Generation von Problem- und Studienkomponisten scheint - so sie sich denn nicht allein
mit Wenig-Steinern auf ihre drei traditionellen "Kerngeschäfte" Originalität, Ästhetik und Thematik beschränkt -
immer stärker auch auf technische Komplexität zu setzen. Diese wiederum ist "von Hand" kaum mehr
zu bewältigen, so dass das Computer-gestützte Komponieren längst einen grossen Stellenwert einnimmt.
Bei der enormen schachlichen Potenz der heutigen Programme verwundert das nicht - und sei ihre Verwendung nur,
um taktische Löcher oder Doppellösungen aufzuspüren.
Ein interessanter und sehr produktiver Vertreter dieser Komponisten-Generation ist der Österreicher Peter Krug
(er hat hier übrigens früher eine Zeitlang gepostet - das verdächtigste Indiz für eine Affinität zum Computerschach
http://www.arves.org/arves/index.php/en/halloffame/255-krug-peterEines seiner Werke fiel mir besonders auf wegen seiner exotischen Materialverteilung, wegen seines Einbezuges
des gesamten Brettes, und wegen der Vielfalt seiner Zug-Optionen, die zu überblicken für einen Menschen
unmöglich ist:
Weiss am Zuge gewinnt (Peter Krug / Mario Garcio 2015)
Denn zwar spielt der Zugzwang auch hier (natürlich) eine wichtige Rolle, doch daneben werden die Varianten-Hotspots
zusätzlich "vernebelt" durch die Fülle plausibler Züge vieler Bauern, deren einige sogar kurz vor der Umwandlung stehen,
so dass Weiss neben dem Mattsetzen noch weit entfernte Fronten bedienen muss.
Erwähnenswert ist, dass genau 16 Steine involviert sind, also die Hälfte aller möglichen; das dürfte bei einem
so erfahrenen Komponisten wie Krug kein Zufall sein. Ein weiteres ästhetisches Merkmal ist der weisse Springer,
der abgedrängt irgendwie als autistischer Don-Quichote nur zu
meinen scheint, dass er mehr als pure Staffage ist.
Dass er gleichzeitig zwar buchstäblich eine Randfigur ist, jedoch sogar die Hauptrolle des Dramas innehat, ist wirklich witzig.
Die "Idee" hinter dem ganzen Gebilde ist jedenfalls derart stark verschleiert, dass man heutzutage schon reflexartig
zu einer der starken Engines greift, um die Sache näher zu durchleuchten. Denn wenn der Computer bei der Generierung
des Problems mitgeholfen hat, müsste er eigentlich bei seiner Lösung erst recht gut Dienste leisten!?
Ein Irrtum! Kurze Stichproben mit ein paar der besten Engines legen den Verdacht nahe, dass auch die moderne
Schachprogrammierung vor solchen Stellungen hilflos in die Knie geht. (Vermutlich könnten allenfalls ein paar getunte
"Fachidioten" unter den Programmen, die im alltäglichen Turnier-Betrieb keine Chance hätten, auf den Lösungszug
verfallen, aber sogar diese dürften mit ein par Fingern abzuzählen sein *).
Wir haben uns also wohl noch ein paar Jährchen zu gedulden, bis sowas von durchschnittlicher Hard- und Software
"innert nützlicher Frist" gelöst bzw. als Gewinnstellung eindeutig deklariert werden kann.
Wer sich nach vergeblichen eigenen Lösungsversuchen für die Hintergründe der Stellung interessiert,
kann sie hier downloaden (Die Varianten habe ich mit Hilfe des "uralten" Deep-Rybka gebündelt, das mir noch am ehesten
eine Ahnung von der Stellung zu haben scheint):
http://www.glarean-verlag.ch/schach/CSS-Forum-Extrem-Schach2/extrem-schach%20%28peter%20krug%29.htmDank an Peter Krug für diese tolle Arbeit!
Gruss: Walter
PS: Die aktuelle Datenbank von Harold van der Heijden weist als Co-Autoren dieser Studie den Argentinier Mario Garcia aus.
Eine "gebündelte" Autorenschaft würde den extremen Schwierigkeitsgrad der Stellung ein bisschen plausibler machen...
*) Damit man mich nicht falsch versteht: Die Stellung ist
nicht unlösbar für Engines (das wäre hier ja witzlos).
Aber Lösungszeiten von mehr als ca. 2 Minuten sind heute nicht mehr tolerierbar. Sprich: Ein gesuchter Lösungszug
müsste IMO von einem Programm auch unter Turnierpartie-Bedingungen gefunden/ausgespielt werden.
Ein Glück für die Engines, dass sie mit einem solchen Gebilde wie hier niemals in einer "regulären" Schachpartie
konfrontiert werden...
.