Kurt Utzinger schrieb:
Zitat:
Diese Annahmen sind definitiv falsch, denn viele Eröffnungen eignen sich nicht, um mit
umgekehrten Farben auf Vorteil zu spielen. Das hat damit zu tun, dass Weiss oftmals
gezwungen ist, einen Zug zu machen (eine Aufstellung zu wählen) ohne dass der Gegner
sich schon zu einer bestimmten Aufstellung hat entscheiden müssen. Gerade auch
Englisch mit 1.c4 e5 gehört zu diesen Eröffnungen, wo man schlicht und einfach nicht
behaupten kann, sie müsse besser sein für Weiss, da ja nach 1.e4 c5 Schwarz gar ein
Zug zurückliegt. Ich empfehle das Studium des auch in dieser Hinsicht sehr guten
Buches "GEHEIMNISSE DER MODERNEN SCHACHSTRATEGIE (John Watson) Seiten 304".
Fazit: nicht die Statistiken sind falsch, sondern Deine Schlussfolgerungen, die einen
Denkfehler enthalten, den viele menschliche Spieler machen. Ein anderes, vielleicht noch
gar besseres Beispiel ist, dass nach 1.d4 f5 eine mächtige, dynamische Waffe ist,
hingegen der Partiebeginn 1.f4 ein einigermassen harmloser Aufbau darstellt. Watson
beweist in seinem Buch eindrücklich, dass der so genannte Tempo-Vorteil in den
umgehrten Eröffnungen meistens überhaupt nicht zum Tragen kommen kann, ein
Grund, weshalb solche Eröffnungen überwiegend zu anderen Abspielen und
Stellungen führen. Als letztes Beispiel lässt sich die Königs-Indische-Verteidigung
anführen, mit Schwarz eine äusserst kämpferische Angelegenheit. Nun beginne
einfach mal den umgekehrten Aufbau mit Weiss nach dem Motto 1.Sf3, 2.g3,
3.Lg2, 4.d3 usw. und man wird bald sehen - vorausgesetzt Schwarz reagiert
richtig - dass diese Partien viel eher zu langatmigen bis langweiligen Positons-
kämpfen führen.
Ich stimme deinen Bemerkungen zu. Meine Schlussfolgerungen sind aber nicht falsch, sondern eben keine zwingenden Schlußfolgerungen sondern "mein Gefühl".
Ich kenne das Buch von Watson und speziell die erwähnten Bemerkungen sehr gut. Ich bin ein absoluter Fan von Watson in diesen Punkten.
Ich möchte deshalb konkreter werden. Also
Zitat:
nach 1.d4 ist f5 eine dynamische Waffe, aber 1.f4 ist ein einigermassen harmloser Aufbau.
Stimmt, aber trotzdem wird man mit 1.f4 statistisch > 50 % erreichen (wenn es dann auch nur vielleicht 50,2 % wären). Sicher, dies ist eine Behauptung, denn wie in Watson schon steht, könnte man ja andrerseits behaupten, daß 1.f4 die weiße Stellung schwächt, weil Weiß die Idealaufstellung seiner Bauern "aufbricht".
Trotzdem entstehen (abgesehen von 1.f4 e5) meist recht symmetrische Stellungen. Weiß kann oft einen Springer auf e5 platzieren. Ok, Schwarz stellt auch einen Springer auf e4, aber die Stellung bleibt remislich. 1.f4 ist harmlos aber als Schwarzer denk ich mir immer, wenn jemand so spielt, was für eine eklige Eröffnung. Wenn Weiß richtig spielt, kann man als Schwarzer absolut nichts erreichen - außer Remis freilich
. Im Holländer 1.d4 f5 spielt Schwarz sehr dynamisch aber auch hier gibt es Katastrophen, wo sich die Schwächung der Königsschrägen durch f5 fatal erweist. Nach 1.f4 kenne ich weit weniger Problemvarianten, die (im Vergleich zum Holländer) die Schwäche von g1-a7 aufdecken. Falls Du welche kennst, bitte verrate sie mir, damit ich 1.f4 endlich "vernichten" kann
Für Englisch sagt mir halt mein Gefühl, daß 1.c4 keine große Schwächung darstellt, und 1.c4 e5 gegenüber 1.e4 c5 ein Tempo mehr hat. Freilich muß dieses Tempo keinen riesigen Gewinn bringen. Es entstehen ganz andere Stellungen. Trotzdem behaupte ich - und kann es nicht beweisen - gilt auch für Englisch 50% plus X für Weiß.
Das Tempo überwiegt die Schwächung der Bauernstruktur.