Hallo Frank
Frank Qy. schrieb:
ich denke auch das durch einen wirklich guten Stellungstest ein vergleichbares Ergebnis zu einer Ratingliste generiert werden kann.
Aber natürlich - und dieser Test muss keineswegs nur "Lucky Punches" und "Best Shots" aufweisen,
denn daraus bestehen ja die Compi-Partien heutzutage nur zum winzigsten Teil.
Aber gutes Compi-Schachspiel ist und bleibt die Aneinanderreihung von guten Schachzügen -
und genau diese fragt ein guter Stellungstest ab.
Denn Programme gehen ja nicht planvoll vor, sondern sie haben bei praktisch jedem gegnerischen Zug
"neu" zu reagieren (gross-gefüllte Hashtabellen hin oder her). Anders gesagt: Für die Maschine
ist eine 40-zügige Partie einfach ein 40-teiliger Stellungstest. (Ok, da werden noch Books voran- und
Tablebases nachgestellt, aber im Prinzip...)
Menschliches Schachspiel ist da ja grundlegend anders, da schwirrt z.B. schon mal im Kopf rum:
"Mir egal, was der andere macht, ich komme jetzt am Damenflügel!" (Ob's dann nicht besser
am Königsflügel gewesen wäre, oder ob bei aller Strategie plötzlich ein Springer auf der Strecke bleibt,
ist wieder eine andere Frage
Frank Qy. schrieb:
Ein Stellungstest muss logisch aufgebaut werden. Der Aufbau selbst kann mehrere Jahre dauern weil einfach zu komplex. Wir benötigen gute Stellungen zu allen erdenklichen Schwerpunkten, die spielentscheidend sein könnten. z. B. Zusammenspiel von Läufern, Springermanöver. Türme auf 2 und 7 Reihe. Bauerntausch und hieraus resultierende bzw. verbleibende Bauernstrukturen die zum Sieg führen könnten. Wird die Dame zu früh ins Spiel gebracht, wird der König nicht ausreichend bedacht nach den Eröffnungszügen, etc..
Diese Themen müssen zunächst mal gesammelt und katalogisiert werden.
Einverstanden. Beim sog. "Barometer-Test" habe ich dieses Problem damals - wie erwähnt - mit Hilfe
systematischer Schachliteratur gelöst, u.a. mit Euwes umfangreichem "Mittelspiel", v.a. aber auch mit
Polgars "Chess Middlegames". Beide Bände enthalten aberhunderte von quasi Schach-archetypischen Motiven,
Plänen, situativen Vorgaben, alles sehr schön katalogisiert und systematisiert.
Anders gesagt: Man muss keinen Stellungstest mit 10'000 Positionen kreieren - aber mit 400, welche diese
10'000 repräsentieren.
Natürlich kann ein einzelnes winziges Bäuerlein auf einem unvorhergesehen Feld alle diese Typisierung
über den Haufen schmeissen - aber in 98% der Fälle läuft erfolgreiches Schachspielen aufs
adäquate Anwenden von Mustern hinaus, die sich in der Geschichte als erfolgreich herausgestellt haben.
Warum sind denn Grossmeister so viel besser als wir? Bestimmt nicht, weil sie intelligenter sind -
da gibt's genügend Gegenbeispiele
Sondern weil sie eben jede Mittelspiel-Position situativ
mit diesem ihrem enormen Stellungsmuster-Schatz abzugleichen vermögen. (Wie man zu diesem "Schatz" kommt,
ist ebenfalls wieder eine ganz andere Frage: 6-stündiges Schach-Tagespensum, gutes Gedächtnis,
monomanische Fixierung auf das Spiel, Turnierpraxis rund ums Jahr, spielpsychologisches Flair,
frühkindliche Konditionierung, jugendliches Coaching, u.v.a.
Mehr zur kognitiven Leistung beim Schachspielen z.B. hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/SchachpsychologieDu meinst so ähnlich wie bei CEGT&CCRL, nur eben auf dem Gebiet des Stellungstests?
Sollte so ein kleines Netzwerk von Test-Designern und Testern mal konkret organisiert werden, wäre ich
grundsätzlich dabei. Allerdings ist das Thema sehr viel komplexer als beim üblichen Partien-Spielen lassen,
wo man sich simpel auf ein paar Hard-/Software-Kleinigkeiten einigen muss, und schon flutscht die Statistik
Demgegenüber würden sich mehrere Test-Designer wohl bereits bei der Frage auf den Monitoren rumtrampeln,
welche der 100 Schach-Themen genau, die du weiter oben angesprochen hast, unbedingt in den Katalog gehören.
Von den eigentlichen 1'000 Stellungen dann noch ganz abgesehen....
In der Praxis also eine echte Herausforderung - aber diese deine Netzwerk-Anregung finde ich interessant!
Und solange man die ganze Stellungstesterei nicht als Konkurrenz, sondern Ergänzung zum traditionellen
Partien-Ausspielen versteht, wäre das sicher ein interessantes Projekt, das unserer Hobby-Community
nur Nutzen brächte.
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