Hallo,
heutzutage bekomme ich sehr stark den Eindruck, dass Schachprogramme nur noch dazu entwickelt, verkauft und verwendet werden, Probleme zu lösen und Computer gegeneinander spielen zu lassen. Egal wohin man sieht, man findet fast nur noch Computer gegen Computer. Ich finde das extrem öde!!!
Für Computerschach interessiere ich mich bereits seit den frühen 80er Jahren. Ja sogar die CSS hatte ich von 1984 bis 2004 aboniert. Somit bin ich eigentlich ein alter Hase.

Aber mit dem Erscheinen der CSS-Online-Ausgabe war dann für mich schluss. Seit dieser Zeit bin ich auch nicht mehr wirklich up-to-date. Aber egal, wirklich viel neues hat sich in den letzten Jahren nicht getan. Außer, dass die Programme auf den schnelleren Rechnern immer stärker geworden sind, so dass immer weniger Spieler noch eine Chance gegen die Computer haben.
Ich persönlich wollte das nie akzeptieren und spiele seit Jahren fast auschließlich nur selbst gegen die Computer. Deshalb wollte ich mal von euch wissen, wer ebenfalls noch ehrliche Partien gegen die Computer spielt?
Bisher hatte ich die letzten Jahre nur gegen die älteren Programme wie Fritz 7 und Hiarcs 7.32 gespielt. Für Computerschach-Freaks mögen das vielleicht Uralt-Programme sein, aber auch gegen diese Methusalems ist selbst auf mittelschnellen Rechner kaum ein menschlicher Spieler gewachsen!
Da auch ich als ehemaliger Vereins- und Turnierspieler, mit meiner damaligen bescheidenen DWZ-Zahl von etwa 1915, kaum eine Chance gegen diese Programme und Rechner auf Blitz und Schnellschachstufen mehr hatte, entschloss ich mich schon vor Jahren auf "Fernschachstufen" umzusatteln. Zumindest liegen mir persönlich längere Bedenkzeiten, da ich mich als schlechter Blitzer einstufe, aber als sehr starker Spieler, wenn sich die Bedenkzeiten deutlich verlängern.
2007 hatte ich dazu einen älteres Labtop mit 846 MHz mit 128MB (ca. 64 MB Hash) ausgewählt. Als ideales Programm suchte ich mir Hiarcs 7.32 aus, da es für mich ein attraktives menschliches Schach spielt und ebenfalls von längeren Rechenzeiten profitiert. Mir habe ich solange Zeit gegönnt, bis ich einen Zug auf dem Brett durchanalysiert habe. Das kann von ein paar Sekunden beim Schlagabtausch, bis zu 2 Stunden/Zug bei komplizierten Stellungen dauern. Mehr aber nicht. Im Durchschnitt habe ich vielleicht 10 bis 20 Min./Zug gebraucht. Einblicke in den Rechenablauf des Computers bzw. in die gerechneten Varianten habe ich mir nicht erlaubt. Lediglich die Stellungsbewertung und die Suchtiefe habe ich eingesehen. Der Computer hat von mir eine feste Zeit von 30 Min/Zug bekommen. Nicht mehr und nicht weniger!
Am Anfang meines persönlichen Turniers hatte ich mir eine geringe Chance ausgerechnet. Denn wenn ich mir z. B. die Wertung von Hiarcs 7.32 in der Rangliste der SSDF ansehe, dürfte es auf meinem Labtop etwa eine ELO-Zahl von 2600 auf Turnierstufe haben. Vorsichtig gerechnet aber mindestens 2500 ELO, also eindeutig Großmeisterstärke!
Jetzt hat Hiarcs aber auf meinem Rechner 30 Min/Zug bekommen! Das bedeutet, es könnte bis zu 200 ELO-Punkte hinzu gewonnen haben, aber bei komplizierten Stellungen gibt es trotzdem nicht mehr Rechenzeit als 30 Min/ Zug! Das dürfte die Zahl wieder etwas reduziert haben. Vermutlich hat das Programm somit eine "Turnierstärke" von etwa 2600 bis 2700 ELO gehabt, wenn es einem menschlichen Spieler in einer Turnierpartie gegenüber gesessen hätte. Das ist natürlich nur grob geschätzt, aber es hatte mir schon Respekt eingeflößt.
Nunja, das Turnier von insgesamt 8 Partien ist 2,5 : 4,5 für Hiarcs ausgegangen. Ein Gewinn für mich, drei für Hiarcs und drei Remis. Trotzdem bin ich aber stolz, ganz gut dagegen gehalten zu haben.

Immerhin hatte ich keinen Computer zur Hilfe! Da muss man höllisch aufpassen, um nicht in irgendwelche taktische Fallen zu stolpern. Selbst auf Fernschachstufe! Insgesamt hat es viel Spaß gemacht und zeigt, dass wir menschlichen Spieler auch noch Chancen gegen die Programme haben, wenn wir mehr Bedenkzeit bekommen. Zudem muss man noch nicht einmal Großmeister sein, um dagegen halten zu können!
Letzte Woche hat mich der Ergeiz gepackt und ich habe für wenig Geld, Deep Junior 10 erstanden. Da mich das Programm auf den normalen Stufen locker abzieht, will ich mich rächen und habe ein neues "Fernschachturnier" auf einem Core Duo (2x2.0 GHz) begonnen. Das Programm bekommt aber diesmal nur 5 Min/Zug und 256 MB Hash zugewiesen! Ich denke, das dürfte für den Anfang reichen. Immerhin läuft es auf meinem neuen Labtop mit 3,5 bis 4 Mio. Knoten/Sekunde. Mein Respekt ist nochmal angewachsen, da dieses Programm eine grob geschätzte Spielstärke von bis zu 2800 ELO aufweisen dürfte, wenn es mit dieser Rechenkraft gegen einen menschlichen Spieler auf Turnierstufe begegnen würde.

Ich habe den Eindruck, dass das Programm seine Stärkern vornehmlich auf taktischer Basis hat. Positionell ist es nicht so gut.
Zu allem Wahnsinn, habe ich sogar die erste Partie mit Schwarz gewählt, obwohl ich das Programm kaum kenne. Wir sind mittlerweise in einer taktischen Königsinder-Stellung, in der ich möglicherweise das Programm schlagen kann. Die Wertung von Deep Junior liegt derzeit bei -3 BE. Um es anders auszudrücken, Junior steht schlecht. Das Programm findet aber ständig neue Abwehrstrategien, was es für mich nicht einfacher macht. Aber wie gesagt, es ist nur unter Druck geraten, weil es positionelle Fehler gemacht hat. Ich würde die aktuelle Partie gern per animiertem Diagramm hier einstellen. Vielleicht kann mir jemand helfen wie das funktioniert?
Auf jeden Fall wollte ich euch ermutigen, auch mal Partien gegen eure Computer zu spielen, als nur die Rechner gegeneinander spielen zu lassen. Was übrigens meiner Meinung nach mit Schach nicht mehr viel zu tun hat.
Wem nützen z. B. Ergebnisse aus 3 Min-Blitzpartien? Wer sucht sich ein Programm danach aus, wenn es Blitzmeister ist? Es kann sowieso niemand mehr unter solchen Bedingungen gegen ein solches Programm gewinnen! Somit sind die Resultate ohne praktischen Nutzen!
Grüße, Amin