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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / 1965 Computerschach dort noch „kybernetisch Maschinen“
- - By Roland Kanz Date 2013-12-29 23:55
Hallo Computerschachfreunde!
Eine Betrachtung aus dem Jahre 1965 zum zukünftigen Computerschach dort noch „kybernetische Maschinen“ oder „Schachautomaten“ genannt.

Auszugsweise hier wiedergeben.

Gesetzmäßigkeiten und Widersprüche im Schach

Die Gesetzmäßigkeit des Geschehens in der Schachpartie ist ein sehr interessantes und auch äußerst schwieriges philosophisches Problem, das eine eingehende Betrachtung verdient. Beschränkung auf eine Teilfrage:
Welchen Charakter tragen die Grundsätze Schachstrategie?
Die Beziehungen zwischen den Figuren auf dem Schachbrett kann man zweifellos mathematisch ausdrücken; denn im Grunde geht es um nichts anderes als um die Gangart
der einzelnen Figuren und um deren gegenseitiges Wirken auf ihren Bewegungslinien (Bedrohen, Decken, Schlagen, Schachbieten und Mattsetzen) Man könnte ohne Schwierigkeiten die Grundsätze der richtigen Spielführung in einem einfache Endspiel(z.B. K+L gegen oder K+Bauer u.ä.) mathematisch ausdrücken.;mit zunehmender Figurenanzahl würde sich aber diese Aufgabe immer mehr komplizieren und wäre in den meisten Stellungen trotz der großen Möglichkeit der modernen Mathematik völlig unlösbar. In diesem Zusammenhang wurde in letzter Zeit sehr oft über die Möglichkeit gesprochen, einen „Schachautomaten“ zu bauen oder genauer gesagt, für das spielen der Partie oder das lösen von Schachaufgaben moderne „kybernetische Maschinen“ (d.h. Elektronenapparate, die im Stande sind, äußerst schwierige mathematische und logische Aufgaben zu lösen) zu verwenden.
Die Frage ob eine solche Maschine die Fähigkeiten hätte, Schach zu spielen, ist deshalb sehr wichtig, weil eben durch sie der wahre Charakter der Schachgesetze offenbar wird.
Es ist sehr einfach, den „kybernetische Maschinen“ die Grundregeln über den Gang und das Schlagen der Figuren, das Schachbieten, Matt und Pattsetzen, sie Bauernumwandlung usw. „beizubringen“.
Das genügt aber selbstverständlich noch nicht zu spielen einer Partie. Überdies müsste man eine oder zwei möglichen Methoden anwenden.
1) Der Automat überprüft alle möglichen Varianten und bestimmt den besten Zug durch die Ausscheidungsmethode.diese Art kann bei der Lösung von Aufgaben mit einer ganz beschränkten Zahl von Zügen gewählt werden. Die nachstehende Aufgabe wurde in der Sowjetunion durch den Elektroautomaten gelöst.



Analysis by Houdini 4 Pro x64:

1.e8L Kxf6 2.g8T Ke6 3.Tg6#
+-  (#3)    Tiefe: 99/15   00:00:00  54kN, tb=73

Für die Lösung (1.e8L Kxd6 2,c8T oder1....Kxf6 2.g8T benötigte die Maschine 12 Minuten
Ich L. Pachmann habe er für die Aufgabe vom Diagramm knapp eine Minute gelöst.
Heute mit H4  oder beliebig andere Engine Lösung im Bruchteil einer Sekunde
rein gefühlte Lösungszeit ca. 1500 schneller als damals!

Worin besteht der Unterschied dem Denken des Schachspielers und der Arbeit der Maschine?
Der Schachspieler prüft bei weitem nicht alle Möglichkeiten der Stellung; ohne nachzudenken und gewissermaßen im Unterbewusstsein verwirft er alle augenscheinlich schlechten Züge, so dass er die Aufgabe in sehr kurzer Zeit lösen kann, die Maschine muss aber eine gewaltige Anzahl von Varianten prüfen, war trotz der außerordentliche Geschwindigkeit, mit der sich die Elektronen bewegen, eine geraume Zeit benötigen!
Für das spielen einer Schachpartie kann diese Methode überhaupt nicht angewandt werden.
Wenn die Maschine in einer Stellung mit 30 möglichen Zügen sämtliche Möglichkeiten für nur 7 Zügen vorausberechnen sollte, würden für sie Bestimmung des richtigen Zuges
10 000 (zehntausend) Jahre benötigen!
2) Dem „Elekronenautomaten“ können die wichtigsten Grundsätze für das Führen einer Schachpartie, die Grundbegriffe der Strategie und Taktik beigebracht werden; die „kybernetischen Maschinen“ lösen nicht nur mathematische, sondern auch äußerst komplizierte logische Operationen, und die Gliedsätze der Strategie und Taktik haben die Form logischer Regeln. Auch dieses wurde in der Sowjetunion bereits versucht. Der Elektronenapparat war tatsächlich in der Lage, eine Schachpartie zu spielen. Er spielte aber sehr schwach und wurde von einem durchschnittliche Gegner besiegt.

Dem „Elektronenautomaten“ können die wichtigsten Grundsätze für das Führen einer Schachpartie, die Grundbegriffe der Strategie und Taktik beigebracht werden; die „kybernetischen Maschinen“ lösen nicht nur mathematische, sondern auch äußerst komplizierte logische Operationen, und die Grundsätze der Strategie und Taktik haben die Form logischer Regeln. Auch dieses wurde in der Sowjetunion bereits versucht. Der Elektronenapparat war tatsächlich in der Lage, eine Schachpartie zu spielen. Er spielte aber sehr schwach und wurde von einem durchschnittliche Gegner besiegt.

Wie ist das möglich, da sich doch das Elektronennhirn auf vielen Gebieten der Wissenschaft glänzend bewährt?
Der Grund liegt darin, dass das Geschehen auf den Schachbrett die Grenzen der Logik überschreitet und in das Gebiet der Dialektik eingreift. Das ist ein Gebiet, das von keiner noch so vollendeter Maschine erfasst werden kann, ein Tätigkeitsfeld das den menschlichen Gehirn ist und es auch ewig bleiben wird.

Das soll an einem jeden Schachspieler verständlichen Beispiel erklärt werden. Der Maschine kann man die Grundregeln „einprägen“ , dass der Läufer stärker ist als der Springer oder umgekehrt. Man kann ihr aber nicht beibringen, dass der Läufer oder Springer stärker oder schwächer sein kann (im Zusammenhang mir einer Reihe anderer Faktoren). Wir Schachspieler brauchen keinesfalls befürchten, dass moderne Elektronenapparate die Entwicklung des Schachspiels beenden und dessen Ausübung  praktisch unmöglich machen werden. Das Schachspiel ist gerade deshalb so schön, weil es einen persönlichen Charakter trägt und die  Vieleinseitigkeit des menschlichen Denkens zum Ausdruck bringt.
Die Behauptung, dass das Geschehen auf dem Schachbrett in das Gebiet der Dialektik eingreift muss selbstverständlich noch bewiesen werden.Es wurde bereits gesagt, dass die Grundlehren der Strategie, die auf hundertjährigen Erfahrungen der hervorragendsten Spieler aller Zeiten beruhen, mit den Grundlehren der Logik verglichen werden können.
Wenn man sagt die materielle Überlegenheit ist ein Vorteil(wobei man weiß, dass dieser Vorteil z.B. durch die bessere Stellung der gegnerischen Figuren kompensiert werden kann) so drückt man damit einen ganz selbstverständlichen Grundsatz aus. Die materielle Überlegenheit ist eines der Spielelemente, durch den der Gewinn erzwungen werden kann.

Sehen wir uns einmal das Diagramm 306 an.
Die Stellung ergab sich kurz vor Abbruch der Partie (Pachmann-Hramadka 1944 Prager Meisterschaft 1944)

Weiß am Zuge


Analysis by Houdini 4 Pro x64:

1.Sxc5 Kf6 2.Kf3 Ke7 3.Sd3 Ld4 4.Ke2 Kd6 5.Kd2 Kc7 6.Kc1 Kc6 7.Kb1 Lb6 8.Kc2 Lc7 9.Kc3 Ld6 10.Kb3 Kb6 11.Ka2 Kc6 12.Kb2 Kb6 13.Kb3 Kc6 14.Kc3 Kb6 15.Kd2 Kc6 16.Ke2 Lc7 17.Kf3 Kd6 18.Kg4 Ke6 19.c5 La5 20.Kg5 Lc3 21.Kg6 Kd7 22.Kf5 Kc6 23.Ke6 Ld4 24.Ke7 Le3 25.Ke6 Ld4 26.Ke7
+/=  (0.38)    Tiefe: 36/61   00:01:53  916MN, tb=512099
Leider verschafft ich mir sofortigen materiellen Vorteil und konnte die Partie nicht gewinnen die materielle Überlegenheit ist hier ein Nachteil.Die Stellung steht aber im krassen Gegensatz zu einer Grundlehrerende Schachstrategie.

Wäre Schwarz am Zuge: lt. L. Pachmann Gewinn für Weiß mit Angabe einiger Varianten allerdings hätte er H4 oder eine andere beliebige Engine gehabt müsste er zur Kenntnis nehmen dass seine Varianten falsch sind im Gewinnsinne, werden  allerdings in Sekunden schnelle von jeder beliebigen Engine richtig gelöst 1/2


Analysis by Houdini 4 Pro x64:
Pachmanns Kommentar: Würde ich nach folgende aus der Endspieltheorie bekannt und zum Gewinn führende Methode gewählt haben man sehe Variante in Klammer
1...Ld4 2.Se1 Lc3 (Pachtmann Lf2 3.Sf3 Kf6 4.Kh5 Lg3 5.Sh4 Lf2 6.Sf5  Lg1 7.Sh6 Ld4 8.Sg4+ Ke6 9.Kg6  nebst Sf6-h7-g5+, Kf5 usw. und gewinnt) aber nach
9...Lc3 10.Sf6 Ld4 11.Sh7 Kd7 12.Kf5 Kc6 13.Ke6 Kb6 14.Sf6 Ka5 15.Sd7 Ka4 16.Sxe5 Kb3 17.Kd5 Lxe5 18.Kxe5 Kxc4 19.Kf5 Kb5 20.e5 c4 21.e6 Kc6 22.Ke4 Kd6 23.e7 Kxe7
=  (0.00)    Tiefe: 41/63   00:00:23  316MN, tb=440386 ist kein Gewinn zu sehen!

soweit bis hierher was „kybernetische Maschinen“ betrifft

Auszug aus L. Pachmann „Moderne Schachstrategie Seite 349-352 im Jahre1965
Es ist jetzt 49 Jahre her, dass L. Pachmann zur damaligen und zukünftigen Schachmaschinen seine Ansicht mitteilt bzw. deren damaligen Stand darlegt
L. Pachmann war ein starker tschechischer GM / der später in die damalige BRD emigrierte aus politischen Gründen) und bekannt auch als hervorragender Eröffnungstheoretiker

MfG.
Roland
Parent - - By Roland Riener Date 2013-12-30 12:22
Interessante Reminiszenzen! Ich wollte es damals lange nicht glauben, daß die Rechner wirklich spielen können.

Zitat:
Heute mit H4  oder beliebig andere Engine Lösung im Bruchteil einer Sekunde


Dies trifft allerdings für das erste Diagramm nicht bei allen Engines zu, nämlich die bekannten mit Unterverwandlungsproblemen. Rybka und Gull schaffen nur # in 4.
Parent - By Chess Player Date 2013-12-30 12:59
Ich habe zwar nicht den neuesten Komodo, aber der wird es auch nicht schaffen! Vermutlich.
Parent - By Benno Hartwig Date 2013-12-30 17:59
Ich weiß, 1965 ist lange her, aber wie mag der gute Mann zu der mutigen These

> Man kann ihr aber nicht beibringen, dass der Läufer oder Springer stärker oder schwächer sein kann (im Zusammenhang mir einer Reihe anderer Faktoren).


gekommen sein?
Damals wie heute war klar, dass man einem Rechner alles beibringen kann, was man ganz präzise einem Menschen erklären kann.
Wenn man einem Menschen die Bedeutung dieser 'Reihe von anderen Faktoren' vermitteln kann, so  kann man dies grundsätzlich auch in einem Programm beschreiben.
Erst sobald Intuition ins Spiel kommt, wird es deutlich schwieriger.
Aber vielleicht hatte er an die kleinen Kapazitäten und Geschwindigkeiten seiner Zeit gedacht. Da war sicher manches limitiert.

Benno
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