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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Wikipediainfos und die Auswahl der Schachstudien
- - By Peter Krug Date 2013-10-29 15:49
   Wie gut ist überhaupt die Wikipedia?

Eine kritische Stellungsnahme anhand des Beispiels Schachkomposition und speziell der Schachstudien.

Sind die Informationen verlässlich und generell als qualitativ hoch einzuschätzen?

Diese Frage möchte ich anhand eines Beispiels nachgehen in einem Gebiet, mitdem
ich schon einige Jahre beschäftigte und immerhin 16 Preise und vielen weiteren Auszeichnungen
in wenigen Jahren bekam:

Die Schachkomposition, genauer der Auswahl der Schachstudienkomponisten und ihrer Werke, war mein
Gegenstand der Untersuchung.

Je genauer ich diese Artikel ansehe, desto schlechter ist mein Eindruck und ich kann mit Bestimmtheit
sagen, dass der unbekannte Verfasser von Schachstudien offenbar recht wenig versteht.

Aber ich gebe gern ein Beispiel der Auswahl:

Szen, 1840 Gewinn


[Event "Bell's Life (pl) @2"]
[Site "?"]
[Date "1840.05.31"]
[Round "?"]
[White "Szen=J"]
[Black "(+0000.33d1e8)"]
[Result "1-0"]
[SetUp "1"]
[FEN "4k3/5ppp/8/8/8/8/PPP5/3K4 w - - 0 1"]
[PlyCount "35"]
[EventDate "1840.??.??"]

{= Carrera=P d1e8 1617 @2: Mihoci=I HHdbIV 5-11-2007} 1. Ke2 Kd7 (1... h5 2.
Kf3 f5 (2... g5 3. a4 h4 4. Kg4 f5+ 5. Kh3 Kd7 6. c4 $1 Kc6 7. a5 $1) 3. Kg3 $1
Kd7 4. a4 Kc6 5. c4 $1) 2. Kf3 Kc6 3. a4 h5 4. c4 f5 5. Kg3 $1 Kb6 (5... g5 6.
a5) 6. b4 g5 7. a5+ Ka7 8. c5 h4+ 9. Kh2 Kb8 10. b5 (10. a6 $1 {})
10... f4 11. Kg2 (11. c6 $1 {}) 11... g4 12. Kg1 g3 13. Kg2 Kb7 14. b6
Kb8 15. a6 Kc8 16. c6 Kb8 17. a7+ Ka8 18. c7 1-0

Auf Wikipedia heißt es:

"Nachfolgend eine berühmte Studie aus seinem kompositorischen Schaffen,
deren Stellung lange Zeit als Remis betrachtet worden war und in der er beweisen konnte,
dass das Recht des Anzuges von entscheidender Bedeutung ist und dass der Anziehende gewinnt."

Nun ist diese Stellung schon vom Anblick her keine Studie, den als eines
der wichtigsten Grundsätze einer Studie kann man die Korrektheit nennen.
Eine Studie ist nur dann von Wert, wenn nach schwarzem Spiel einzige Züge zum Gewinn führen.
Hier aber ist selbst der erste Zug 1.Ke2 nicht einzig (1.Ke1 gewinnt ebenso), die weiteren Züge sind dualistisch, was
ja bei einer solch "natürlich" anmutenden Stellung auch kein Wunder ist.

Nicht genug! Denn laut Van der Heijden Datenbank ist diese Stellung schon einmal viel früher
vorgekommen:

Carrera 1617 Jahrhunderte davor, siehe Anhang

Nur 5 Stück überhaupt sind von Szen in der Van der Heijden Datenbank.
Dafür hat er als Schachspieler vergleichsweise sehr viel mehr erreicht, galt er damals
ja als ein überaus starker ungarischer Schachspieler.

Szen als ein Beispiel eines Studienkomponisten zu erwähnen ist deshalb sehr fraglich,
da er eigentlich fast nichts komponierte. Die Qualität seiner Studien sind niedrig.

Wie ein durchgängiger roter Faden nun sind die Beispiele der angegebenen Studienkomponisten
sehr schlecht gewählt. Meistens genügte, dass dieser ein berühmter Schachspieler war.

Doch in der Regel sind berühmte Schachspieler keine guten Studienkomponisten!

Ausnahmen waren Mattison und Richard Reti, GM Timman machte nur einige wirklich gute Studien.
Nunn auch nur selten. Meistens waren es halb computerproduzierte 5 oder 6 oder 7 Steiner.
Cheron war französischer Meister, berühmter Endspieltheoretiker, aber kein besonderer
Studienkomponist. Seine vielen Studien waren mehr analytische Stellungen, als Studien.
Lasker´s Studie ist nur eine berühmte Ausnahme. In der Regel schuf Lasker kaum nennenswertes.
Siegbert Tarrasch war auch kein Studientalent, wohl aber weltbekannter Schachmeister...

Es fällt auf, dass die Auswahl der Studienkomponisten auf der Wikipediaseite und der Studien nicht nach den
Erfolgen und der Bedeutung ausgewählt wurden, sondern wenn diese im Partieschach etwas
erreicht hatten.

Aber wie oben gesagt ist ein sehr guter Weltklassespieler eine Sache,
ein guter Studienkomponist wieder etwas anderes...

Da es ein deutscher Artikel ist, gehe ich davon aus, dass die Einträge von Gerhard Josten
und Gerd Wilhelm Hörning von den gleichen unbekannten Autor geschrieben wurden...

Sehr schade finde ich übrigens, dass die Erfolge von Martin Minski, Michael Roxlau und
Siegfried Hornecker nirgends Eingang im Wikipedia fanden.
Denn diese haben zahlenmäßig und qualitätsmäßig bereits sehr beachtliches gezeigt.

Siegfried Hornecker beispielsweise hat sich auf einem schwierigen Gebiet des
Vallado Task und der mehrfachen Springerumwandlung auf internat. Ebene einen bleibenden
Namen gemacht.

Anhang

Hier nun die Studie von Carrera=P im Jahre 1617.
Mehrere Jahrhunderte davor:

Carrera, Gewinn
Date: 1617


[Event "Il Gioco de gli Scacchi @1"]
[Site "?"]
[Date "1617.??.??"]
[Round "?"]
[White "Carrera=P"]
[Black "(+0000.33d1e8)"]
[Result "1-0"]
[SetUp "1"]
[FEN "4k3/5ppp/8/8/8/8/PPP5/3K4 w - - 0 1"]
[PlyCount "35"]
[EventDate "1617.??.??"]

{@1: (HHdbII#00213 2000)} 1. Ke2 (1. a4 $2 h5 $1) (1. Ke1 $1 {}) 1... Kd7
2. Kf3 Kc6 3. a4 h5 4. c4 f5 5. Kg3 Kb6 6. b4 g5 7. a5+ (7. c5+ {}) 7...
Ka7 8. c5 h4+ 9. Kh2 Kb8 10. b5 f4 11. Kg2 g4 12. Kg1 g3 13. Kg2 Kb7 14. b6 Kb8
15. a6 (15. c6 {}) 15... Kc8 16. c6 Kb8 17. a7+ (17. c7+ {}) 17... Ka8
18. c7 1-0

Schönen Abend  Peter Krug
Parent - - By Olaf Jenkner Date 2013-10-29 19:48
Hallo Peter,

ich glaube, daß du die Wikipedia nicht richtig interpretierst.

Es gibt einen Artikel über Schachstudien, der in der gebotenen
Kürze das Genre vorstellt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Studie_%28Schach%29

Im allgemeinen Artikel über Schachkomposition gibt es einen
Abschnitt mit Beispielen für Studien:

http://de.wikipedia.org/wiki/Schachkomposition#Studien

Dies ist aber nur eine Sammlung von Studien, die aus den verschiedensten
Gründen in Wikipedia zu finden sind.
Tarrasch und Szen waren berühmte Schachspieler und habe deshalb jeweils
einen Wikipediaeintrag. Weil in ihren Artikeln Studien vorkommen, erscheinen
diese mit in der Liste. Sie ist also keineswegs eine Sammlung der besten
Studien.

Die Wikipedia hat auch nicht die Aufgabe, Erfolge deutscher Studien-
komponisten zu dokumentieren. Die wenigsten Komponisten haben einen Artikel,
weder Martin Minski noch Michael Roxlau oder Siegfried Hornecker. Eine
Ausnahme bildet Selbstdarsteller Josten, der sich wahrscheinlich selber
verewigt hat.

Die Wikipedia als Lexikon sollte den größten ihres Faches vorbehalten bleiben.
Rummenigge und Ballack finde ich OK, die Wikipedia sollte aber nicht mit
tausenden Fußballern oder Schachkomponisten zugemüllt werden.
Parent - - By Chess Player Date 2013-10-29 20:15
[quote="Olaf Jenkner"]
...

Die Wikipedia als Lexikon sollte den größten ihres Faches vorbehalten bleiben.
Rummenigge und Ballack finde ich OK, die Wikipedia sollte aber nicht mit
tausenden Fußballern oder Schachkomponisten zugemüllt werden.
[/quote]
Also,

ich muss mich sehr wundern ob der oben genannten Fussballer!

Rummenigge und Ballack gehören gewiss nicht dazu! Bayern Fans mögen das anders sehen.
Nur durch eine rosarote Brille gesehen...
Parent - By Olaf Jenkner Date 2013-10-29 21:02
Hatte bekannte Namen benutzt, die ohne Vornamen auskommen.
Wir können auch Rudwaleit und Croy nehmen.
Parent - - By Peter Krug Date 2013-10-29 23:43
Hallo Leute,

beim wiederholten Male wirkt mein Posting etwas eingebildet.
Als Studienkomponist habe ich international eigentlich bisher noch recht wenig erreicht (geleistet).

Mein Nachtrag deshalb, mit etwas milderem Tone:

Dass aber leider die drei bedeutenden Studienkomponisten wie Michael Roxlau, Martin Minski und die kühnen Versuche
von Siegfried Hornecker auf Wikipedia völlig unberücksichtigt sind, schmerzt mich.

Dagegen wurden eher unbedeutende deutsche Studienkomponisten erwähnt, und dann wie ich schon andeutete
Partieschachgrößen, die eigentlich auf problemschachlicher Ebene im großen und ganzen wenig bis gar nichts leisteten.

Auf der Wikipediaseite sind aber immerhin einige wenige ganz große Studienkomponisten genannt, wie Mattison, Pogosjants etc,
allerdings muss ich auch hier eine Kritik anbringen, da die aktuellen großen Studienkomponisten zuwenig in der Auswahl vertreten sind!

Da Wikipedia so beliebt ist, finde ich gerade im Bereich der Schachstudie, wo es in gesamten deutschen Bereich nur wenige gibt eben traurig,
dass eben diese wenigen bis heute nicht Einzug in die Schachstudiengeschichte fand.
-
Einer der wichtigsten ist der Deutsche Jürgen Fleck.
Von ihm las ich auch nichts bei Wikipedia.
Er gehört wie Mattison, Reti und eventuell Timman zu den großen Ausnahmen der Schachgeschichte, da er gleichzeitig starker Partiespieler war/ist und zugleich
einer der größten Studientalente, die Deutschland je hervorbrachte.

   Schönen Abend Peter
Parent - By Thomas Müller Date 2013-10-30 06:51
Bei wiki ist jeder aufgerufen einträge zu bearbeiten.
Wenn das so verbessert werden könnte, dann liegt es auch an dir dafür sorge zu tragen
Ich weiß jetzt nicht im detail wie das genau funktioniert, aber das steht bestimmt auch auf wiki.

gruß
thomas
Parent - By Timo Schneider Date 2013-10-30 14:21
Obige Studie wird von heutiger Software/Hardware auf ein Mattproblem reduziert.

Mit einem Bauern mehr wird es interessanter, zumal Zentrumskonflikte auftreten können und somit kein mehr oder weniger triviales "Running-Game" (a la Backgammon) entsteht:

w: Ke1, a2, b2, c2, d2
s: Kd8, e7, f7, g7, h7

1-0

(meine erste/einzige "Studie" so far, aber schon 10 Jahre alt)

Der Gewinnzug ist trivial, da offensichtlich. Der Gewinnnachweis in allen Details ist dagegen recht mühsam.

timosh
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