Hallo,
da sich die meisten Postings zu der 4. Partie mit irgenwelchen Übertragungsrechten beschäftigen, die ich in der Tiefe nicht wirklich spannend finde, habe ich mich entschlossen, hier ein neues Thread zu öffnen.
Das war das erste mal, dass ich große Teile der letzeten Partie live verfolgt habe und diese mit Houdini auf meinem Notebook mit analysiert habe:
Meine Eindrücke zu der Partie selbst:
1. Die Anmerkungen zu der Partie selbst, welcher Art auch immer, sind 24 Stunden danach erstaunlich spärlich. Was ist los? Sind hier etwa alle vor Ehrfurcht erstarrt? Dann mache ich mal eben den Anfang.
2. Ich habe gesehen, der Rechner macht stellenweise 34 Mio Züge in der Sekunde. Ich finde, die Diskussion ob es tatsächlich so viele sind oder weniger/mehr nicht so von Bedeutung. Was wichtig ist, ist die Relation. Auf meinem Notebook macht Houdini (eigentlich müßte das Programm nach der dritten gewonnenen Partie HAUdini heissen) ca. 5 Mio Züge in der Sekunde. Also ein Faktor von ca. 7. Dann hat es mich interessiert, was so eine Maschine kostet. Hier gibt es einen Hinweis:
http://www.slashcam.de/news/single/2-x-8-Core-Xeon-System--Die-Mac-Pro-Alternative--9929.htmlNicht gerade ein Rechner von der Stange, ich war allerdings schon überrascht, dass es inzwischen nur ein kleines Vermögen kosten würde.
3. Damit komme ich zum nächsten Punkt. Bei einigen Zügen hatte ich festgestellt, dass mein Rechner anders gezogen hätte als im Spiel tatsächlich passiert. Als ich den Zug ausgeführt habe, sank die Bewertung um bis zu einem halben Punkt. Es war allerdings nur eine Frage der Zeit, mal bis 15-20 Min bis sich die Bewertung erholt hatte bzw. sogar weiter gestiegen ist. Siehe Punkt 2.
4. Das führt mich zu der Überzeugung, dass wir noch lange nicht am Ende der Fahnenstange sind, was die Steigerung der Computer-Spielstärke in der Zukunft angeht. Die ersten Untersuchungen zu der abnehmenden Grenz-Spielstärke mit jedem weiteren Ply hat schon Ken Thompson vorgenommen, Stefan Meyer-Kahlen hat dazu vor mehreren Jahren auch eine Untersuchung gemacht. Gerade gestern habe ich auch ein interessantes Posting dazu hier im Forum gesehen.
Man muß kein Mathematiker sein, um zu verstehen, dass es diesen abnehmenden Grenznutzen geben muss. Ich glaube aber, dass die Computer noch lange nicht soweit in die Tiefe werden schauen können, damit es unwichtig wird 1 Ply weiter zu rechnen.
5. Ich weiß nicht, wie es anderen gegangen ist. Ich habe lange gebraucht um zu erahnen, dass weiß tatsächlich besser steht.
Diese chirurgische Präzision, mit der Houdini Rybka zur Strecke gebracht hat bzw. die hartnäckige Verteidigung von Rybka ist sowieso jenseits meines Horizonts. Und wenn ich es faszienierend finde, habe ich keine Zeit und auch nicht wirklich die Motivation die Analyse in der Tiefe (26-27 Ply) durchzuführen. Ich werfe mal eine Zahl. Ich schätze ein GM bräuchte mit einem schnellen Computer ca. einen Tag, um so eine Partie gebührend zu analysieren. Damit meine ich herauszufinden, wo die Partie definitiv gekippt ist, also nicht mehr in der Remisbreite, und ggf, wo man besser, hartnäckiger verteidigen könnte.
Jedenfalls bitte nicht das übliche Gerede, die Partie wäre ab da im
höheren Sinn verloren.
6. Es ergibt sich zwangsläufig die Frage, die hin und wieder auf die letzten Tage aufgetaucht war, was kann der Mensch im Fernschach noch besser machen, angesichts dieser "rohen Gewalt". Ich persönlich glaube, nicht mehr viel.
Ich fände, es wäre ein interessantes Experiment, mit so einer Maschine im Fernschach gegen einen GM anzutreten, der genau die gleiche Maschine und das gleiche Programm zur Verfügung hätte in einem Match aus z. B. 10 Partien. Ich weiss, egal wie der Ausgang wäre, statistisch hätte so ein Ergebnis keine Aussagekraft. Ich glaube aber, dass das Gespann aus Mensch und Maschine, wenn überhaupt, inzwischen nur ganz leichte Vorteile hätte. Wieso das? Diese Stellungen, die der Mensch besser als Computer versteht sind zweifellos vorhanden. Nur die Anzahl ist überschaubar (gemessen an allen Stellungen, die im Spiel vorkommen können), diese werden von Jahr zu Jahr ohnehin weniger und das wichtigste ist, es ist eine Mär zu glauben, der Mensch hätte großen Spielraum, diese im Spiel herbeizuführen. Es dürfte inzwischen sehr, sehr selten vorkommen und demzufolge für den Ausgang eines solchen Matches nicht wirklich relevant sein.
Gruß
Marcus Jansen