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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Schach im allgemeinen.
- - By Willi Prinz Date 2012-06-21 20:12
Ich habe mir das Turnier aus Moskau angesehen,mit Houdini als Kibitz.
Also wenn ich den Houdini benutzen könnte ,würde ich mal sagen habe ich eine Chance das ganze da zu gewinnen.
Geht natürlich nicht,wäre ja Betrug.
Aber dann habe ich mal gedacht,denken wir weiter,in 10 Jahren hat Houdini oder irgendein anderer 600 Elos mehr.
Dann steht man ja echt auf dem Schlauch! Der zeigt dann immer Züge an die keiner der Supergms ausführt,oder jedenfalls nur sehr wenige.
Was machen wir dann?
Gruß Willi
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-06-21 20:26
Zitat:
Was machen wir dann?

Dasselbe was wir jetzt schon machen: Wir staunen, und erfreuen uns der Technologie die uns solche starken Berater zur Verfügung stellt.

Wir müssen nur aufhören, Menschenleistungen an Computerleistungen zu messen: Es war nur ein kurzes Zeitfenster in der Geschichte, wo diese beiden grundverschiedenen "Spielertypen" sozusagen, in der Leistungsspitze ungefähr gleich stark waren. Vielleicht war das zwischen 1995 und 2000, abgesehen von seltenen Ausnahmen welche eine Software nicht versteht.

Jetzt seh ich selbst auf einem unterklassigen Netbook innerhalb von Sekunden, wenn ein Super-GM patzt. - Aber das ist nicht der Maßstab den ich an Menschen anlege! Es ist nur eine nüchterne Information. Wenn wir als gereifte, kultivierte Schachfreunde das hochklassige Spiel der Meister genießen, ihre Ideen, ihre grandiose Technik, dann wird uns das menschliche Maß im Schach nicht verloren gehen.
Parent - By Stefan Pohl Date 2012-06-22 07:39
[quote="Michael Scheidl"]
Zitat:
Was machen wir dann?

Dasselbe was wir jetzt schon machen: Wir staunen, und erfreuen uns der Technologie die uns solche starken Berater zur Verfügung stellt.

Wir müssen nur aufhören, Menschenleistungen an Computerleistungen zu messen: Es war nur ein kurzes Zeitfenster in der Geschichte, wo diese beiden grundverschiedenen "Spielertypen" sozusagen, in der Leistungsspitze ungefähr gleich stark waren. Vielleicht war das zwischen 1995 und 2000, abgesehen von seltenen Ausnahmen welche eine Software nicht versteht.

Jetzt seh ich selbst auf einem unterklassigen Netbook innerhalb von Sekunden, wenn ein Super-GM patzt. - Aber das ist nicht der Maßstab den ich an Menschen anlege! Es ist nur eine nüchterne Information. Wenn wir als gereifte, kultivierte Schachfreunde das hochklassige Spiel der Meister genießen, ihre Ideen, ihre grandiose Technik, dann wird uns das menschliche Maß im Schach nicht verloren gehen.


Hi Michael,

besser kann man es einfach nicht ausdrücken - Kompliment. Wenn ich doch selber nur besser spielen könnte...

Beste Grüße - Stefan
Parent - - By Kurt Utzinger Date 2012-06-22 10:49
[quote="Michael Scheidl"]
[...]

Jetzt seh ich selbst auf einem unterklassigen Netbook innerhalb von Sekunden, wenn ein
Super-GM patzt. - Aber das ist nicht der Maßstab den ich an Menschen anlege!


Du machst das glücklicherweise nicht, viele andere aber schon.

Zitat:
Es ist nur eine nüchterne Information. Wenn wir als gereifte, kultivierte Schachfreunde
das hochklassige Spiel der Meister genießen,


Das wird - wegen der (vielen) Patzer - dann eben nicht mehr als "hochklassig" eingestuft.

Zitat:
ihre Ideen, ihre grandiose Technik, dann wird uns das menschliche Maß im
Schach nicht verloren gehen.


Die Ideen der GMs verstehen so oder so nur eine geringe Anzahl von Schachfreunden. Und
die grandiose Technik - durch EGTBs rascher und besser nachvollziehbar - wird auch nicht
mehr als so glorios empfunden.

Ich glaube, Deine schönen Gedankengänge haben nur bei jenen Schachfreunden noch
Gültigkeit, die selber aktiv Turnierschach spielen und deshalb selber in der Lage sind
zu beurteilen, welche Leistungen die grossen Schachspieler erbracht haben und noch
immer erbringen. Für die grosse Masse der Schächer, die nur noch vor ihrem Kibitz-
Programm sitzen und von den Bewertungen des Programms leben, wird das menschliche
Schach seinen Reiz immer mehr verlieren - wenn der Reiz nicht schon verloren gegangen
ist, weil eben jeder Patzer die Fehler der GM in Sekundenlschnelle angezeigt bekommt.

Mfg
Kurt
Parent - By Werner Mueller Date 2012-06-22 12:35
[quote="Kurt Utzinger"]
...
Ich glaube, Deine schönen Gedankengänge haben nur bei jenen Schachfreunden noch
Gültigkeit, die selber aktiv Turnierschach spielen und deshalb selber in der Lage sind
zu beurteilen, welche Leistungen die grossen Schachspieler erbracht haben und noch
immer erbringen.
...
[/quote]
War das jemals anders?

Grüße Werner, und jaaa ... und wenn Du weiter (für Dich) historische Partien analysierst ... ich freue mich immer, sie hier zu sehen.
Parent - By Benno Hartwig Date 2012-06-22 13:19
[quote="Kurt Utzinger"]
Zitat:
Es ist nur eine nüchterne Information. Wenn wir als gereifte, kultivierte Schachfreunde
das hochklassige Spiel der Meister genießen,

Das wird - wegen der (vielen) Patzer - dann eben nicht mehr als "hochklassig" eingestuft.
Ich hoffe, dass das Spiel der GMs auch trotz dieser 'Patzer' weiterhin als 'hochklassig' eingestuft wird.
GMs sind Sportler. Und sie leben ihren Sport auf einem Niveau, das nur von den Talentiertesten und dabei Fleißigsten der Welt erreicht werden kann.
Ihr Sport ist hochklassig!
Ob eine Maschine dies ggf. noch viel besser kann, spielt hier meiner Meinung nach überhaupt keine Rolle.
'Hochklassigkeit' als Maß innerhalb der Sportlergemeinde, nicht als Schach-immanenter Begriff, und auch nicht auf das aktuelle Maschinenschach bezogen.

Hochklassige Fahradfahrer habenb wir, auch wenn Motorräder deutlich schneller sind.
Ihr menschliches Fahrradfahren ist hochklassig, nicht das Fahren schlechthin.

Benno
Parent - - By Benno Hartwig Date 2012-06-21 20:54
[quote="Willi Prinz"]Aber dann habe ich mal gedacht,denken wir weiter,in 10 Jahren hat Houdini oder irgendein anderer 600 Elos mehr.
Dann steht man ja echt auf dem Schlauch! Der zeigt dann immer Züge an die keiner der Supergms ausführt,oder jedenfalls nur sehr wenige.
Was machen wir dann?[/quote]Dann genießen wir menschliches Schach, und lassen uns dadurch nicht stören, dass die Rechner es besser machen könnten.
Die GMs wirken dann ggf. weniger als übermächtige Schach-Gurus als als limitierte Sportler. Aber das waren sie eigentlich immer.

Es beunruhigt mich beim Betrachten der Leichtathletik-Läufe auch nicht, das bereits ein Fahrradfahrer die alle ja locker abhängen könnte, und ein Motorrad noch viel mehr.
Sowas hat mit dem Sport nichts zu tun, und so können derartige Gedanken auch nicht störend wirken.

Benno
Parent - - By Alfred E. Neumann Date 2012-06-22 10:34
Es ist ja immer wieder schön zu lesen, daß die kognitive Leistung des Schachspieles mit profaner mechanischer Leistung (Leichtathletikläufe, Motorräder) gleichgestellt wird, um sich die Situation schönzureden. 
Parent - By Thomas Hall Date 2012-06-22 15:12
Und es ist immer wieder schön zu sehen, dass es
die Menschen sind, die die eigentlichen kognitiven
Leistungen am Schachbrett vollbringen.

Wie man in dem auch in diesem Thread erwähnten
Gelfand-Interview nachlesen kann, sieht er die
folgende Stellung und seine daraus gewonnene
Erkenntnis als den für sich selbst schönsten
Augenblick des ganzen Turniers an:


Gelfand brauchte in der 12. Partie 40 Minuten, um
hier den einzigen Zug zu finden, der Remis hält:

10... c4 !

Sogar Kramnik als Exweltmester konnte diesen Zug
im Live-Kommentar auf Anhieb nicht richtig einordnen,
aber Houdini wird diesen Zug doch bestimmt finden?
Gebt der Engine ruhig 40 Minuten Rechenzeit.

Warum gibt denn nun Gelfand seinen netten Mehr-
bauern auf der Stelle zurück? Eine berechtigte
Frage, aber schauen wir mal, was passiert, wenn
Schwarz es erlaubt, dass Weiß seine beiden
Doppelbauern ungehindert angreifen darf:

1. e4 c5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 e6 4. Bxc6 bxc6 5. d3 Ne7 6. b3
d6 7. e5 Ng6 8. h4 Nxe5 9. Nxe5 dxe5 10. Nd2 Be7 11. Bb2 O-O
12. Nc4 f6 13. Qg4 Qd7 14. O-O-O Bd8 15. Kb1 a5 16. a4 Qd5
17. Qh3 Ba6 18. g4 Ra7 19. g5 Rb7 20. Rhe1 Bc7 21. gxf6 Rxf6
22. Bxe5 Rxf2 23. Bxc7 Rxc7 24. Re5 Qd7 25. Qg3 Rf6 26. Qe1
Bxc4 27. dxc4 Qe7 28. Qxa5

mit Gewinnstellung für Weiß.

Die lange Rochade wird hier auch nicht von allen
Engines gefunden (immerhin wollte Stockfish diese
hier spielen), ist aber für den weißen Aufbau
entscheidend.

Ich glaube, diese Variante macht auch klar, warum
die schwarzen Doppelbauern praktisch schon die
schwarze Niederlage besiegeln, wenn man sie als
Schwarzer (!) nicht sofort auflöst, denn sie
bieten nicht nur Angriffsziele, sondern behindern
auch die eigenen Läufer am Einsatz und verhindern
so, dass Schwarz überhaupt zu einem sinnvollen
Spiel kommt.

Engines von heute, die, wie seit je her, einfach
Varianten ausprobieren und am Ende schauen, was
ist gut oder schlecht, verlieren sich einfach zu
oft im Detail.

Daher stammen viele deren derzeitigen Schwächen,
die auch nicht einfach auszuräumen sind, sonst
wäre das ja schon in den Programmen implementiert.

Fazit: Engines von heute sind stark, aber noch
weit davon entfernt, perfekt zu sein.

Mit freundlichen Grüßen,
Thomas
Parent - By Benno Hartwig Date 2012-06-22 20:35
[quote="Alfred E. Neumann"]Es ist ja immer wieder schön zu lesen, daß die kognitive Leistung des Schachspieles mit profaner mechanischer Leistung (Leichtathletikläufe, Motorräder) gleichgestellt wird, um sich die Situation schönzureden.  [/quote]Und dass es sich dabei nur um Schönreden handelt, begründest du dem gespannten Publikum wie?
Dass menschliche Leistungen des Geistes so grundsätzlich anders zu bewerten sind als die seines Bewegungsapparates lässt sich wie belegen?

BTW:
Als die ersten Autos begannen schneller fahren zu können als Pferdekutschen, wurden sie auch zunächst bisweilen per Verordnung auf Fußgängergeschwindigkeit heruntergebremst.
Manche Menschen hängen halt seit langer Zeit solch einem romantisch verklärten "Maschinen (oder wenigstens Pferde) mögen|sollen|dürfen einfach nichts schlechter können als Maschinen!" nach.

Benno
Parent - By Harald Faber Date 2012-06-22 13:00
[quote="Willi Prinz"]
Ich habe mir das Turnier aus Moskau angesehen,mit Houdini als Kibitz.
Also wenn ich den Houdini benutzen könnte ,würde ich mal sagen habe ich eine Chance das ganze da zu gewinnen.
Geht natürlich nicht,wäre ja Betrug.
Aber dann habe ich mal gedacht,denken wir weiter,in 10 Jahren hat Houdini oder irgendein anderer 600 Elos mehr.
Dann steht man ja echt auf dem Schlauch! Der zeigt dann immer Züge an die keiner der Supergms ausführt,oder jedenfalls nur sehr wenige.
Was machen wir dann?
Gruß Willi
[/quote]
Keine Ahnung wen Du mit "wir" meinst. Ich vermute, "Ihr" macht das gleiche wie immer: Die vom Computer hingeworfenen Züge nicht verstehen und trotzdem ungebührend über die GM urteilen.
Die Interviews mit Anand und Gelfand sind übrigens sehr interessant und lesenswert.

Hellas,
Harald
Parent - - By Christian Schmidt Date 2012-06-23 01:59
Houdini mit 600 Elo haben wir schon heute, wenn wir ihn einfach länger rechnen lassen. Erstaunlicherweise ändert er aber auch meist nach Stunden vorher gefundene Züge nicht mehr. Wir sollten also keine Revolution im Schach mehr erwarten.
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-06-23 12:43
Zitat:
Erstaunlicherweise ändert er aber auch meist nach Stunden vorher gefundene Züge nicht mehr.

Das kommt mir nicht ungewöhnlich vor... Ich würde daraus keine weiter reichenden Schlüsse ziehen. Schachprogrammierer haben vor längerer Zeit statistische Resultate darüber genannt, wie oft sich die Zugwahl - also der pm - von einer Halbzugebene zur nächsten ändert. Mir erinnerlich sind Angaben von 15% oder 16%. Das sind wohl ganz allgemeine Durchschnittswerte gewesen, aber sicherlich von Rechentiefen weit unter den heute typischen. Es ist schwer das sozusagen qualitativ einzuschätzen, denn es gibt ja z.B. viele "banale" einzige Züge, wo jede Engine auf jeder Rechentiefe dasselbe macht...

Es erscheint mir logisch, daß solche Zugänderungen tendenziell geringer werden je größer die Rechentiefe ist, etwa nach einer bereits "sehr tiefschürfenden Durchdringung" einer Stellung mit 25+ HZ. oder so. Es kann natürlich nicht unabhängig von den jeweiligen Bewertungen gesehen werden: Eine andere Engine hat eventuell die selbe Rechenleistung erbracht und dieselbe Tiefe erreicht, aber u.U. führen kleine Unterschiede der Bewertungsfunktion zu einem anderen Zug - und dadurch vielleicht zu einem völlig anderen Spielverlauf.
Parent - - By Peter Simpel Date 2012-06-24 12:37
Je mehr ich mich mit Schach beschäftigt habe, desto mehr bin ich zu dem Schluß gekommen, daß der Einfluß der Engines überschätzt wird.

Sicherlich sind sie in der Lage einen Wettkampf gegen jeden menschlichen Spieler zu gewinnen, aber nicht weil sie besser "Schach" spielen, sondern weil sie keine taktischen Fehler (zumindest auf mittelfristige Sicht) machen und allein in diesem wichtigen Bereich ist der Mensch nicht in der Lage mit den Engines konkurrieren, zum Teil aufgrund fehlender Technik im Variantenberechnung, aber auch fehlender Zeit, psychischer Anspannung usw. Das zeigte insbesondere auch das letzte Match von Kasparov gegen Deep Blue. Aber bisher kann mir keine Engine den strategischen Gehalt eines Zuges erklären und ihr strategisches Wissen liegt auf dem Niveau eines schwachen Großmeisters (Einschätzung von Larry Kaufman in "Complete Repertoire for Black and White", S. 7) und ich bin mir nicht sicher, ob sich in Zukunft dies nenneswert steigern läßt (theoretisch vielleicht, aber die praktische Umsetzung dürfte extrem aufwendig werden). Aus diesem Grund halte ich auch den Vergleich zwischen der menschlichen ELO und der Computer-ELO für völlig verfehlt, auch weil Engines speziell für Engine-Turniere (oder sogar in Hinblick auf spezielle Engine-Gegner) speziell getunt werden, so daß aus dem Fakt, daß Engine A schlägt Engine B für das allgemeine Schachverständnis nicht unbedingt etwas gefolgert werden kann (bei einem Vergleich von Spitzenprogrammen).

Mit einer Engine macht man vielleicht keinen taktischen Fehler, aber kann nie davon ausgehen, daß man den besten Zug findet. Diesem Irrtum unterliegen aber viele Schachspieler (vor allem je schwächer ihre Spielstärke ist). Sie sind jedoch ein hervorragendes Tool für die Analyse, wenn man sich ihrer Stärken sinnvoll bedient und die Schwächen kennt, aber m.E. nicht wirklich eine Bedrohung für das menschliche Schach (die berühmten Betrugsfälle einmal ausgeschlossen), sondern eher eine Bereicherung, weil sie helfen, Schach besser zu verstehen.
Parent - By Michael Scheidl Date 2012-06-24 13:41
Zitat:
Aber bisher kann mir keine Engine den strategischen Gehalt eines Zuges erklären und ihr strategisches Wissen liegt auf dem Niveau eines schwachen Großmeisters (Einschätzung von Larry Kaufman in "Complete Repertoire for Black and White", S. 7)

Interessant, danke. Ich zweifle ob die meisten starken Spieler von FM aufwärts mit dieser optimistischen Einschätzung einverstanden wären. Doch selbst wenn es "nur" auf mittlerem IM-Niveau ist, wäre das ein fantastischer Fortschritt.

Für einen Hobbyspieler sind solche Unterschiede mit freiem Auge schwer erkennbar.

Es gibt eine große Testsuite von Swaminathan N und Dann Corbit, die versucht das zu erforschen. Ich habe sie noch nicht ausprobiert:

https://sites.google.com/site/strategictestsuite/

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