Not logged inCSS-Forum
Forum CSS-Online Help Search Login
CSS-Shop Impressum Datenschutz
Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Diskutable These: Stil statt banale Stärke
- - By Michael Scheidl Date 2012-04-30 13:43
Wie ich gerade in einem anderen Thread geschrieben habe,

http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=49253

und was möglicherweise in einem größeren Kreis Anklang findet:

Das heißt, wir erleben einen fundamentalen Paradigmenwechsel weg von der "banalen" Eng-Eng-Spielstärke hin zu stilistischen Eigenschaften, künstlerischem Schach, Einfallsreichtum und reichem Schachwissen im Computerschach!

Bitte um Diskussion.

Wenn DAS der Fall ist, dann hat es einen Sinn gehabt daß ich mich seit 30 Jahren wie ein Besessener mit Computerschach beschäftigt habe...
Parent - By Stefan Pohl Date 2012-04-30 14:05
[quote="Michael Scheidl"]

Das heißt, wir erleben einen fundamentalen Paradigmenwechsel weg von der "banalen" Eng-Eng-Spielstärke hin zu stilistischen Eigenschaften, künstlerischem Schach, Einfallsreichtum und reichem Schachwissen im Computerschach!
[/quote]

Hallo Michael,

das glaube ich eigentlich nicht. Erstens gibt es diese Diskussion schon so lange wie es Computerschach gibt (Beispiel: der angeblich so tolle und menschlich spielende/suchende Mephisto 3 gegen die dummen Brutalsucher von Fidelity (Chess Challenger Champion etc.)), zweitens will man doch immer wissen, welche Engine die beste ist. Denn ausschließlich letzteres war bisher immer die Triebfeder für die Weiterentwicklung und auch den kommerziellen Erfolg.

Beide Sichtweisen gab es daher m.E. schon immer (Stil kontra Stärke, Wissen kontra schnell & dumm). Und beide haben ihre Berechtigung, je nachdem was ich mit der Engine (oder früher dem Brettcomputer) eben machen will.

Gruß - Stefan
Parent - - By Kurt Utzinger Date 2012-04-30 16:32
[quote="Michael Scheidl"]
Wie ich gerade in einem anderen Thread geschrieben habe,

http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=49253

und was möglicherweise in einem größeren Kreis Anklang findet:

Das heißt, wir erleben einen fundamentalen Paradigmenwechsel weg von der "banalen" Eng-Eng-Spielstärke hin zu stilistischen Eigenschaften, künstlerischem Schach, Einfallsreichtum und reichem Schachwissen im Computerschach!

Bitte um Diskussion.

Wenn DAS der Fall ist, dann hat es einen Sinn gehabt daß ich mich seit 30 Jahren wie ein Besessener mit Computerschach beschäftigt habe...
[/quote]

Hallo Mike

Das ist meines Erachtens eine viel zu optimistische Einschätzung.
Es wird auch weiterhin fast ausnahmslos nur um Engine-Spielstärke
gehen. Wer merkt denn etwas vom "Spielstil" der Engines, nachdem
nur noch 1m+1s bis 3m+2 Sekunden Blitzpartien produziert werden,
die kaum jemand noch unter die Lupe nimmt ????

Mfg
Kurt
Parent - - By Ludwig Bürgin Date 2012-05-01 09:17
Hallo Kurt

Es gibt auch Ausnahmen.Meine Spiellängen sind 3-5 und 16 min.im Maschinen Raum.Jede verlorene Partie wird angeschaut und gegebenenfalls nach Möglichkeit im Buch geändert. Das hat natürlich auch seine Grenzen,denn ob man durch neue Zugeingaben wieder in die Remisbreite reinkommt lassen nur die folgende Spiele erkennen.
Über den Spielstil kann ich mangels eigener Spielstärke nicht mitreden.Mein Interesse beschränkt sich auf die 3 Endergebnisse,die da sind:

                    Gewonnen, Remis oder Verloren.

Ist eben Computerschach ???

Gruß Ludwig
Parent - By Kurt Utzinger Date 2012-05-01 20:57
[quote="Ludwig Bürgin"]
[...] Mein Interesse beschränkt sich auf die 3 Endergebnisse,die da sind:
Gewonnen, Remis oder Verloren. Ist eben Computerschach ???
Gruß Ludwig
[/quote]

... also schliesslich doch auf die Spielstärke, was nicht anders
zu erwarten war.

Gruss
Kurt
Parent - By Peter Schneider Date 2012-04-30 23:55
Sag, Michael,
gibt es das denn überhaupt noch?
Einen Spielstil?
Ich kann das wirklich nicht mehr ausmachen.
Was waren das noch schöne Computerschach-Zeiten, als Junior7 oder Gambit-Tiger plötzlich in einer Stellung einen Zug hoch bewerteten, - und Fritz, Shredder oder Hiarcs hatten den gar nicht auf dem Schirm. Und man dann prüfen durfte, ob dieser Zug eine Fata Morgana ist, - oder ein Geniestreich. Diese Engines (Junior, Gambit-Tiger) hatten wirklich noch "Stil", d.h. sie opferten für Initiative.

Andererseits, ich muss gestehen, - ich hätte nicht gedacht, dass ein Houdini z.B. Rybka3 derart zusammenschiebt. Ich hätte dagegen gewettet, dass da noch so viel Verbesserungspotential bestand, denn Rybka3 empfand ich schon als Offenbarung, die mir jegliche Lust raubte mit meinem überschaubaren Schachverstand bei Fernschachüberlegungen selbst wirklichen eigenen Input zu leisten.
Für mich war also schon Rybka3 der Tod meiner Fernschachlust. Das Gefühl "Was sind Programme doch manchmal doof", dass ich bei Fritz oder Shredder oft noch hatte, - war weg. Ich war als Fernschachspieler zum Handlanger Rybkas geworden.
Ich persönlich sehe auf Fernschachebene nicht wirklich Potential, das Schachspiel zu verbessern.
Für mich strebt Fernschach dem Remistod zu: schwarz kann remis halten, wenn er es wirklich darauf anlegt.
Die Initiative, dass ein so kompetenter Fernschachspieler wie Herr Nickel den "Pattsieg" als Feinwertung propagiert, - unterstützt eher meinen Eindruck.
Die vielen (oder wenigen) Computerschachenthusiasten sollten sich wirklich mal die Mühe machen, ihre Turniere mit den stärksten Programmen und starker Hardware, die sie mit Blitzbedenkzeiten durchführen, mit Turnierbedenkzeit zu wiederholen. Ich bin ziemlich sicher, dass die Remisquote exponentiell steigen wird, - entsprechende Eröffnungswahl vorausgesetzt.
So stark die Programme auch heute sind, Turniere mit Bedenkzeiten von 4Minuten/2Sekunden sind Narretei. Das ist doch Kacke, sorry, da macht auch ein Houdini oft überaus schwache Züge. Bei 40 Minuten/20 Sekunden sieht das schon ganz anders aus.
Wer das nicht begreift, hat m.E. mit Schach auf hohem Niveau nichts am Hut, sondern irgendwie eine andere Passion, die ich natürlich respektiere. 
Irgendwie können 100Meter Sprinter und Marathonläufer nicht miteinander diskutieren.
Gute Nacht
Peter
  
   
Parent - By Wolfram Bernhardt Date 2012-05-01 19:53
Hi!

Für mich stellt das auch immer die Frage, wie Schach in en Punkt an sich ist. Spielstärke ist verständlicherweise das vielleict höchste Gut. Ist Schach bei sehr, sehr hoher Spielstärke schön? Gut möglich, viele Großmeister spielen ja sehr stark und empfunden schön. Ob das so bleibt, wenn man die Spielstärke weiter steigert? Für mich unmöglich zu sagen.

Viele Grüße,
    Wolfram
Parent - By Joe Nettelbeck Date 2012-05-04 13:13
Den Eindruck habe ich nicht. Es gab ja beispielsweise drei verschiedene Versionen von Rybka 3 - aber die von der Default-Version abweichenden waren schwächer und spielten in der öffentlichen Wahrnehmung kaum einmal eine Rolle. Ohne es selbst im Einzelnen verfolgt zu haben, meine ich mich auch daran zu erinnern, dass vor einiger Zeit gelegentlich beklagt wurde, dass plötzlich etliche Engines, auch solche mit bekannten Namen, plötzlich stärkemäßig einen großen Sprung nach vorn machten (ähem) und dabei auch ihren Stil teils deutlich änderten. Das scheint mir doch alles sehr auf das nach wie vor gültige Primat der Stärke hinzudeuten.
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-05-04 14:39
Ich danke für die bisherigen, interessanten Reaktionen. Zusammenfassend gesagt, kristallisieren sich m.E. folgende Punkte oder Fragen heraus:

1) Ist das ein alter Hut, eine Diskussion die es im Computerschach immer schon gab? Hierzu glaube ich, bei der neuerdings so extremen Spielstärke der Top-Engines stellt sich die Frage neu.

2) Gibt es auf höchster Ebene überhaupt noch einen Spiestil? - Karpov sagte "Ich habe keinen Stil".

3) Gilt (unter Computerschachfans) das absolute Primat der Spielstärke? Wobei es vielleicht treffend ist, daß "Primat" gleichzeitig einen Affen beschreibt.

Was ich persönlich als Punkt (4) ergänzen möchte ist: Wir wissen - insbesondere wenn wir gerne den Multi-PV-Analysemodus benutzen - daß oft mehrere Züge innerhalb eines ganz kleinen Bewertungsfensters liegen. Es kann aber - manchmal - sein daß jeder dieser Züge der Partie eine ganz andere Gestalt gibt als die anderen. Deswegen glaube ich daß es immer noch einen Spielraum für Stil gibt, ohne meßbare Kompromisse mit der absoluten Spielstärke einzugehen.
Parent - By Stefan Pohl Date 2012-05-05 09:33
[quote="Michael Scheidl"]

2) Gibt es auf höchster Ebene überhaupt noch einen Spiestil?

[/quote]

Auf jeden Fall. Stockfish und Ivanhoe sind zwei Engines, mit denen ich mich viel beschäftigt habe (Tests und Settings) und die beide in der Spitzengruppe der Spielstärke liegen aber vom Spielstil extrem unterschiedlich sind. Ivanhoe spielt sehr solides "Richard-Lang-Gedächtnisschach" getreu dem bewährten Chess Genius Motto: Do nothing, but do it well. Stockfish spielt viel aktiver, sucht offene Linien und den Angriff auf den gegnerischen König und bewertet beides auch sehr hoch.

Gruß - Stefan
Parent - - By Klaus Wlotzka Date 2012-05-04 21:49
Hallo Michael,

als Ranglistenersteller war mein Ansinnen natürlich, die stärkste Engine ausfindig zu machen. Unabhängig davon habe ich mir viele Partien live oder im Nachhinein angesehen, da mich eben auch der Spielstil interessierte und ich interessante Partien damals für CSS-Online kommentierte und ich immer versuchte, den jeweiligen Spielstil der Engines ausfindig zu machen.

Dahinter stand ein erheblicher Aufwand, interessiert hat es aber wirklich nur eine Minderheit. Die meisten Antworten erhielt ich auf die reinen Ranglistenergebnisse und nur äußerst selten hinsichtlich des Spielstils. Ich denke, dass wird auch in Zukunft so sein, weil sich eben kaum noch jemand die Mühe macht, sich die Partien anzusehen, geschweige zu kommentieren/analysieren. Daher bin ich sicher, dass auch mit zunehmender Spielstärke der jeweilige Spielstil eher auf der Strecke bleibt. Damals spielten viele Engines intuitiv und opferten auch mal für die Initiative. Bei der heutigen Enginespielstärke wird intuitives, vielleicht nicht ganz korrektes Spiel, sofort bestraft. Derartige Spielstile, wie sie damals einige Chesstiger, Gandalf, Hiarcs- und Junior-Versionen spielten, wird man heute wohl kaum noch finden.

Hier mal eine Kostprobe aus CSS-Nr. 6 aus dem Jahr 2005. Ich denke nicht, dass CSS-Online ein Problem mit der Veröffentlichung hat. Es ist ein Testbericht von Glaurung Mainz mit einer Partiekommetierung einer interessanten Partie gegen den Chess Tiger 15.0. Weggelassen habe ich die Diagramme und Ergebnistabellen. Ich habe immer versucht, auch den Spielstil zu beschreiben, insofern sich einer herauskristallisierte.

Gaurung Mainz

Entgegen sonstigen Gepflogenheiten veröffentlichte Tord Romstad seine aktuellste Glaurung-Version vor einer Turnierteilnahme. Vom 09.-12.08.2005 fand die erste Computerweltmeisterschaft im FRC (Fischer Random Chess) oder auch Chess960 genannt in Mainz statt. Entgegen dem klassischen Schach wird hier die Startaufstellung der Figuren ausgelost. Insgesamt sind somit 960 verschiedene Anfangspositionen möglich, daher die Namensgebung. In Mainz gelang Glaurung im FRC in der letzten Runde ein Sieg gegen Shredder und somit platzierte sich Glaurung Mainz auf einem ausgezeichneten 3. Rang. Aber wie stark ist dieses Programm im klassischen Schach?
Zuletzt getestet wurde hier die Version v0.2.1. Im Februar 2005 schaffte Glaurung die Qualifikation zwar knapp, konnte allerdings in der Folgezeit seinen Ranglistenplatz erfolgreich verteidigen. Vor Testbeginn lag Glaurung 0.2.1 mit einer Elozahl von 2550 Punkten auf Rang 24 der CSS-Rangliste. Da Glaurung praktisch die einzige Engine aller gelisteten Programme war, welche zu diesem Zeitpunkt nicht mit der aktuellsten Version vertreten war, zog ich diesen Test vor. Vor der zurzeit aktuellen Version Glaurung Mainz veröffentlichte der Autor noch die Versionen 0.2.2, 0.2.3 und 0.2.4. Die Frage war, ob dem Autor innerhalb der letzten sechs Monate eine Steigerung gelungen ist.
Der Erfolg in Mainz kam nicht von ungefähr. Glaurung Mainz punktete in der CSS-Liste deutlich besser als die Vorgängerversion. Wie schon die Vorgängerengine pflegt auch Glaurung Mainz einen offensiven Spielstil mit manchmal überraschenden Manövern. Nur mit den geschlossenen Stellungen ohne konkretes Angriffspotenzial hatte zumindest die Vorgängerversion so ihre Mühe. Dies zeigte sich auch in einigen katastrophalen Rundenergebnissen. Deutlich verbessert zeigte sich hier Glaurung Mainz. Die aktuelle Version verstand sehr gut, auch geschlossene Stellungen aussichtsreich zu öffnen und die Initiative zu übernehmen. So war es kein Wunder, dass die Mainzer Version in den einzelnen Eröffnungsrunden erheblich ausgeglichener scorte.


Bei der Vorgängerversion lag die Differenz zwischen dem schlechtesten und dem besten Rundenergebnis bei knapp 30%. Diesen Wert reduzierte Glaurung Mainz auf etwa 14% und verbesserte gleichzeitig 8 von 10 Rundenergebnisse. Ähnlich erfolgreich wurden  die Matchergebnisse verbessert. Insgesamt scorte Glaurung bei 19 von 24 Matches besser. Prominentester Skalp war der von Chess Tiger 15.0. Gegen die immer noch sehr starke französische Engine fuhr Glaurung einen knappen Sieg ein. Auch gegen den starken Newcomer Spike 0.9a gewann Glaurung Mainz überzeugend. Welche überraschenden Wendungen Glaurung immer wieder findet, zeigt eindrucksvoll nachfolgende Partie gegen Chess Tiger 15.0.

Chess Tiger 15.0 - Glaurung Mainz
CSS-Rangliste (10+10)
Klaus Wlotzka

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.Sf3 c6 5.cxd5 cxd5 6.Lf4 Sc6 7.e3 Ld7  Ein etwas ungewöhnlicher Aufbau, geläufiger ist beispielsweise 7...Lg7 8.h3 0-0 9.Ld3 a6 10.0-0 mit etwa gleichen Chancen.

8.Ld3 e6?!  Glaurung behandelt die Eröffnung sehr ungewöhnlich. Mit dem letzten Textzug wird die Diagonale des gerade etwickelten Läufers zugestellt. Eine Entwicklung des schwarzfeldrigen Läufers auf der Diagonale f8-a3 kommt wohl nicht ernsthaft in Betracht, da eine Fianchettierung mit g7-g6 ja schon vorbereitet wurde. Oder verfolgt Glaurung ganz andere Pläne. Üblich ist eher 8...Lg7 9.0-0 0-0 10.Tc1.

9.0-0 Sh5 10.Lg5 Db6 11.a3 h6 12.Lh4 g5 Jetzt wird klar das Glaurung ganz andere Pläne im Kopf hat.

13.Lg3 Sxg3 14.hxg3 Tc8 15.Kh2?  Dieser Zug macht nun überhaupt keinen Sinn. Warum zieht der König ohne Gefahr in die halboffene h-Linie? Besser sieht 15.Sa4 Dd8 16.b4 h5 17.Sc5 Lxc5 18.dxc5 aus.

15...g4 16.Sd2 h5 17.Th1 Sxd4!!

Sehr stark und weitsichtig gespielt. Dieses überraschende Springeropfer verschafft Schwarz eine starke Initiative. Für die zwei Bauern erhält Glaurung zudem noch Angriffspotenzial am Königsflügel. Überraschende Manöver dieser Art spielt Glaurung gerne, denn das Spiel mit ungleichen Materialverhältnissen liegt ihm besonders. Chess Tiger bewertet diese Stellung immer noch positiv für sich.

18.exd4 Dxd4 19.De2 h4 20.gxh4 Txh4+ 21.Kg1 Txh1+ 22.Kxh1 g3 23.Sf3 Dxf2 24.Tf1 Dxe2 25.Sxe2 Mittlerweile hat Schwarz für seine geopferte Figur 3 Bauern erhalten. Aber auch die Stellung sieht aufbaufähiger aus. In der Folge demonstriert Glaurung eindrucksvoll, wie man solch eine Stellung auch zum Sieg führt.

25...Ld6 26.Te1 Ke7 27.Sc3 Th8+ 28.Kg1 Lc5+ 29.Kf1 Th1+ 30.Ke2 Txe1+ 31.Kxe1 Le3 32.b3 Lf2+ 33.Ke2 f6 34.Lb5 Lxb5+ 35.Sxb5 Kd7 36.Sc3 a6 37.Sd1 Lb6 38.Sh4 Lc5 39.b4 Ld6 40.Sf3 a5 41.bxa5 Lxa3 42.Sd2 f5 43.Sc3? 

Mit diesem Zug verliert Chess Tiger noch einen Bauern. Viel schwieriger hätte er es seinen Gegner mit 43.Kf3 e5 44.Kxg3 Kd6 45.Kf3 Lb4 46.Sb3 gemacht.

43...Lb4 44.Kd3 Lxa5 45.Sf3 Lxc3 46.Kxc3 Kd6 47.Kd4 b5 48.Se5 b4 49.Sf7+ Ke7 50.Se5 f4 Weiß kann die Bauern nicht an beiden Flügeln aufhalten. Dies erkannte auch Chess Tiger 15.0 und gab die Partie auf. Eine eindrucksvolle Leistung von Glaurung. 0-1

So kam Glaurung am Ende des Testdurchgangs zu einer Elosteigerung von knapp 60 Punkten und katapultierte sich mit dieser tollen Steigerung auf Rang 16 der CSS-Rangliste.

Der Abstand zu den absoluten Topengines ist nicht mehr fern, sodass man auf die weitere Entwicklung dieser interessanten Engine gespannt sein darf. Insbesondere durch den interessanten Spielstil ist Glaurung eine absolute Bereicherung innerhalb der Computerschachszene.

Viele Grüße

Klaus
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-05-05 03:28
Danke! Derartige Beobachtungen und Betrachtungen gefallen mir sehr gut. Ich habe das wichtigste von der Partie in PGN umgesetzt:

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board


[Event "CSS-Rangliste (10+10)"]
[Site "?"]
[Date "2005.??.??"]
[Round "?"]
[White "Chess Tiger 15.0"]
[Black "Glaurung Mainz"]
[Result "0-1"]
[ECO "D90"]
[Annotator "Klaus Wlotzka"]
[PlyCount "100"]

1. d4 Nf6 2. c4 g6 3. Nc3 d5 4. Nf3 c6 5. cxd5 cxd5 6. Bf4 Nc6 7. e3 Bd7 8. Bd3
e6 $6 9. O-O Nh5 10. Bg5 Qb6 11. a3 h6 12. Bh4 g5 13. Bg3 Nxg3 14. hxg3 Rc8 15.
Kh2 $2 g4 16. Nd2 h5 17. Rh1 Nxd4 $3 {Sehr stark und weitsichtig gespielt.
Dieses überraschende Springeropfer verschafft Schwarz eine starke Initiative.
Für die zwei Bauern erhält Glaurung zudem noch Angriffspotenzial am
Königsflügel. Überraschende Manöver dieser Art spielt Glaurung gerne, denn das
Spiel mit ungleichen Materialverhältnissen liegt ihm besonders. Chess Tiger
bewertet diese Stellung immer noch positiv für sich.} 18. exd4 Qxd4 19. Qe2 h4
20. gxh4 Rxh4+ 21. Kg1 Rxh1+ 22. Kxh1 g3 23. Nf3 Qxf2 24. Rf1 Qxe2 25. Nxe2 Bd6
26. Re1 Ke7 27. Nc3 Rh8+ 28. Kg1 Bc5+ 29. Kf1 Rh1+ 30. Ke2 Rxe1+ 31. Kxe1 Be3
32. b3 Bf2+ 33. Ke2 f6 34. Bb5 Bxb5+ 35. Nxb5 Kd7 36. Nc3 a6 37. Nd1 Bb6 38.
Nh4 Bc5 39. b4 Bd6 40. Nf3 a5 41. bxa5 Bxa3 42. Nd2 f5 43. Nc3 $2 Bb4 44. Kd3
Bxa5 45. Nf3 Bxc3 46. Kxc3 Kd6 47. Kd4 b5 48. Ne5 b4 49. Nf7+ Ke7 50. Ne5 f4
0-1

Mit 17...Sxd4!! ist der Glaurung-Nachfolger Stockfish sofort einverstanden:

41664: Chess Tiger 15.0 - Glaurung Mainz, CSS-Rangliste (10+10)

Analysis by Stockfish 2.2.2 JA (auf Tiefe 17):

1. -/+  (-1.29): 17...Nxd4 18.exd4 Qxd4 19.Nb3 Qxf2 20.Qe2 Qxe2 21.Nxe2 Bd6 22.Kg1 Be5 23.Rb1 Ke7 24.Kf2 Ba4 25.Ned4 f6 26.Rbe1 Kf7 27.Rhf1 Bxb3 28.Nxb3 Bxb2
2. =  (0.00): 17...Bg7 18.Na4 Qc7 19.Kg1 Nxd4 20.exd4 Bxd4 21.Nf1 Qe5 22.Nc3 Ke7 23.Qc2 Bxc3 24.bxc3 Qxc3 25.Qb1 d4 26.Be4 b6 27.Qa2 f5
3. =  (0.00): 17...Na5 18.Na4 Qc6 19.Nc3 Qb6
Parent - By Klaus Wlotzka Date 2012-05-05 09:06
Hallo Michael,

danke für die nachspielbare pgn-Aufbereitung der Partie. Ich gehe davon aus, dass die meisten aktuellen Engines die Partiefortsetzung wählen.

Hier kommt man mit reiner Rechenleistung sehr schnell zu dem Ergebnis, dass neben den 3 Bauern für die Figur zudem eine vorteilhafte Stellung entsteht. Angesichts der damaligen hardware und der knappen bedenkzeit dennoch eine ordentliche Leistung von Glaurung.

Ich werde mal in den alten Unterlagen nachsehen, ob ich eine Partie finde, bei der der Schlüsselzug tatsächlich intuitiv gewählt wurde.

Gruß

Klaus
Parent - - By Michael Enderle Date 2012-05-05 13:41
hi

ich glaube diese stellung ist nicht so doll um glaurungs spielstielunterschiede aufzuzeigen.
selbst wenn ich mein handy auf 400 mhz runtertakte kommt von glaurung 2.1 Sxd4 in 2 sekunden und nach 1:50 mit seeligmachender bewertung.

gruss
micha
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-05-05 13:58
Die ganze Zeit habe ich geglaubt, Deine Sig ist ein Zitat von Dagobert Duck.

Aber jetzt hab ich's rausgefunden. - Auf IMDB.com findet man das übrigens komischerweise nicht.
Parent - - By Michael Enderle Date 2012-05-05 15:36 Edited 2012-05-05 15:40
[quote="Michael Scheidl"]
Die ganze Zeit habe ich geglaubt, Deine Sig ist ein Zitat von Dagobert Duck.

Aber jetzt hab ich's rausgefunden. - Auf IMDB.com findet man das übrigens komischerweise nicht.
[/quote]

hi

    ...nein der gute onkel dagobert hat mit der signatur nichts zu tun. die kommt von auric.

gruss
micha

ps: als man gerd für goldfinger in die engere wahl nahm  fragte man ob er bei dieser internationalen produktion denn auch in englisch drehen könnte. er bejahte dies. nach abschluss der dreharbeiten synchronisierte man ihn aber in der englischen fassung komplett nach - grund: er hatte so sehr genuschelt...

"This is gold, Mr. Bond. All my life I've admired its color, its brilliance, its divine heaviness. I welcome any enterprise that will increase my stock... which is considerable."

Bond: "Sie werden 60.000 Menschen sinnlos töten!"
Goldfinger: "Ach was, Autofahrer bringen in zwei Jahren genausoviel um!"

Bond: "Erwarten Sie von mir, dass ich rede?"
Goldfinger: "Nein, Mr. Bond. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sterben! Es gibt nichts, das Sie mir erzählen könnten, was ich nicht schon wüsste."

Goldfinger: "Der Mensch hat den Mount Everest bezwungen, hat den Grund des Ozeans erforscht, er hat Raketen auf den Mond geschossen, Atome gespalten. Er hat Wunder vollbracht auf allen Gebieten menschlichen Strebens, nur nicht in der Kriminalität."

Bond: "Man trinkt keinen 53er Dom Perignon über 8 Grad. Das ist genauso, als würde man den Beatles ohne Ohrenschützer zuhören."

Bond: "Kleine Mädchen wie sie bringt er um..." Pussy Galore: "-Kleine Jungs auch!"

Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-05-05 16:13
Zitat:
Goldfinger: "Der Mensch hat den Mount Everest bezwungen, hat den Grund des Ozeans erforscht, er hat Raketen auf den Mond geschossen, Atome gespalten. Er hat Wunder vollbracht auf allen Gebieten menschlichen Strebens, nur nicht in der Kriminalität."

Das erinnert mich an eine Szene im Dritten Mann, die Orson Wells angeblich improvisiert haben soll, der Text also garnicht aus dem Drehbuch stammte:

"In den 30 Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut, aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe, 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr!"

Scheiße Alter! (c) Southpark. Schönes Wochenende.
Parent - - By Michael Enderle Date 2012-05-05 18:21
hi

na ja - viele bekannte filmzitate standen nicht im drehbuch.
mit dem dritten mann kennste dich bestimmt aus - ist ja deine heimatstadt .
ein populäres hab ich da noch: Polizeichef Brody: "Wir werden ein größeres Boot brauchen" aus "DER WEISSE HAI".

der wurde von roy improvisiert in der szene als "bruce" - das hai - modell achtern nach dem anfüttern das erste mal gross zu sehen ist. der name "bruce" für s hai - modell kam wieder daher weil der amwalt von steven spielberg mit vornamen bruce hiess...aber das ist wieder eine ganz andere geschichte.

moviephile grüsse

micha
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-05-06 03:54
Testfrage: Wieso hat folgendes Zitat "liberate tutemae ex inferis" etwas mit einem gefürchteten Phänomen im Computerschach zu tun?

Noch eines zum Thema Computerschach: "Thank you for an enjoyable game." Wieso führten die Spuren schon damals nach Hamburg?!
Parent - - By Michael Enderle Date 2012-05-06 14:27
[quote="Michael Scheidl"]
Testfrage: Wieso hat folgendes Zitat "liberate tutemae ex inferis" etwas mit einem gefürchteten Phänomen im Computerschach zu tun?

Noch eines zum Thema Computerschach: "Thank you for an enjoyable game." Wieso führten die Spuren schon damals nach Hamburg?!
[/quote]

hi

rettet euch selbst vor der hölle??? erettet mich aus der verdammnis??? mehr hab ich nicht rausgefunden und stehe auf dem schlauch - auch beim 2. zitat.

       

gruss
micha
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-05-06 14:56
Und ich hatte schon befürchtet, die Fragen wären zu leicht.

Ich werde spätabends auflösen; vielleicht will der eine oder andere noch miträtseln.
Parent - - By Michael Scheidl Date 2012-05-06 22:23
Beides wurde richtig herausgefunden, gratuliere. Ein paar Ergänzugen: Das lateinische Zitat entstammt dem Film Event Horizon. Die Partie Roesch-Schlage wurde im Film 2001: Odyssee im Weltraum benutzt, wo der Bordcomputer HAL mit dieser Zugfolge gegen den Astronauten Frank Poole gewinnt.
Parent - By Michael Enderle Date 2012-05-07 09:39
   
Parent - By Bagheera Date 2012-05-06 14:42 Edited 2012-05-06 15:40
"Thank you for an enyoable game" führt deswegen nach Hamburg: http://www.youtube.com/watch?v=yGv_G1ZzqXI Die Partie Roesch vs Willi Schlage fand 1910 in Hamburg statt
Parent - By Thomas Hall Date 2012-05-06 16:45
Hallo Michael,

Antwort auf die erste Frage:

Ich nehme an, Du meinst den Horizonteffekt.
Die näheren Erklärungen überlasse ich Dir.


Grüße,
Thomas.
Parent - - By Lars B. Date 2012-05-05 11:53
[quote="Michael Scheidl"]
Das heißt, wir erleben einen fundamentalen Paradigmenwechsel weg von der "banalen" Eng-Eng-Spielstärke hin zu stilistischen Eigenschaften, künstlerischem Schach, Einfallsreichtum und reichem Schachwissen im Computerschach!
Bitte um Diskussion.
[/quote]

Hi Michael,

ich verstehe die Begriffe leider nicht.

Was sind stilistische Eigenschaften? Intuitiv würde ich sagen, bei mehreren zur Auswahl stehenden, tatsächlich oder scheinbar gleich guten Zügen, die Art des gewählten Zuges in eine Kategorie einzuordnen, verschiebt das Problem nur, weil man (wer?) auch diese Kategorien definieren müßte.

Was künstlerisch ist und was nicht, entsteht im Kopf eines Menschen, und keineswegs entsteht in jedem Kopf dasselbe. Schwierig, drüber zu diskutieren.

Einfallsreichtum von einer Maschine verlangen zu wollen, scheint mir eine Technik zu erfordern, die sich noch vollkommen im Dunkel der Zukunft verbirgt. Natürlich können Maschinen Züge machen, die, von einem Menschen ausgeführt, als einfallsreich bezeichnet würden. Man müßte also definieren, was das sein soll.

Am schwierigsten ist "reiches Schachwissen". Was ist das und wie manifestiert es sich? Wenn überhaupt, doch wohl in der Spielstärke, oder?

Kurz gesagt: klingt alles gut, aber ist sehr schwammig. Wo sich da ein Paradigmenwechsel versteckt haben sollte, kann ich nicht erkennen.

Herzliche Grüße
Lars
Parent - By Michael Scheidl Date 2012-05-06 04:17 Edited 2012-05-06 04:22
Auf der einen Seite die nüchterne Computerlogik und die (m.o.w.) meßbare Spielstärke - oder besser gesagt, statistisch erfaßbare Erfolgsquote - und auf der anderen Seite Begriffe bzw. Eigenschaften die nicht präzise definierbar sind.

Es ist so ähnlich wie mit Schönheit: Kaum, oder gar nicht definierbar, keine zwei Leute werden exakt dasselbe Empfinden dafür haben. Es hängt von Mustern ab, die man im Lauf der Zeit aufgenommen hat. Aber nur sehr selten wird behauptet, daß es Schönheit gar nicht gäbe.

Ich habe mehr daran gedacht, wie Computerschach von den Schachspielern und Fans betrieben wird und welche Erwartungen man vor allem in gute Schachengines setzt, und daß sich das - möglicherweise - wie oben angeführt verändert. Bisher, bzw. derzeit noch scheint der "Fokus der Aufmerksamkeit" sehr auf Eloratings zu liegen. Doch eine Engine wie Vitruvius - ungeniert ein Ippo-Derivat und ungeniert (etwas) schwächer und dennoch kommerziell - wirbt bereits gezielt mit Eigenschaften abseits der puren Spielstärke.

Bei dem was Engines an sich "inhaltlich" bieten, ist das alles im Grunde schon vorhanden, z.B. versichern manche Sachkundige daß sie nach wie vor unterschiedliche Spielstile feststellen (allerdings sehen wiederum andere Sachkundige einen individuellen Stil im Computerschach dahinschwinden). Und Einfallsreichtum ist m.E. überhaupt seit jeher eine Domäne von Computerengines, weil sie viel weniger als Menschen auf vertraute Muster angewiesen sind. Überraschende Gewinnzüge jenseits jeder Schablone! Das ist der Fischerstil.
Parent - By Frank Meissen Date 2012-05-06 21:14
Hallo zusammen,
die unterschiedlichen Spielstile kann man m.E. mit dem Similary-tester feststellen (siehe http://komodochess.com/downloads.php)

Ich habe mal alle meine uci-Engines (jeweils 3 mal um statistische Schwankungen mit zu berücksichtigen) durch diesen Test laufen lassen.

Dabei fielen besonders ChessTiger, Hiarcs und ProDeo für ihre geringe Übereinstimmung mit anderen Engines auf.
Dann folgte Shredder, und dann kam der "Einheitsbrei" Komodo, Houdini, Stockfish, Strelka, Rybka etc.

Seitdem benutze ich diese 3 Engines wegen ihrer einzigartigen Spielstile gerne zusätzlich zur Analyse!

Beste Grüße
Frank
Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Diskutable These: Stil statt banale Stärke

Powered by mwForum 2.29.3 © 1999-2014 Markus Wichitill