Liebe Schachfreunde
Wie konnte es kommen, dass ein Neuling in der damaligen Schachszene,
nämlich José Raoul Capablanca, den staerksten und turniererfahrenen
Spieler der USA, Frank Marshall in einem Match des Jahres 1909 nicht
nur besiegen, sondern gar zerschmettern konnte. Die Beantwortung
dieser Frage hat mich schon lange gereizt. Deshalb habe ich alle
Partien genauer unter die Lupe genommen und auch kommentiert. Diese
kommentierten Partien werde ich sporadisch hier ins Forum stellen.
Wie immer wäre ich für Anregungen und Verbesserungsvorschläge
aus der Community dankbar.
1. Partie publiziert hier:
http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=48825#pid488252. Partie publiziert hier:
http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=48905#pid489053. Partie publiziert hier:
http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=49078#pid490784. Partie publiziert hier:
http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?tid=4595Freundliche Grüsse
Kurt
Stellung bevor 21.Lb1? (statt 21.Tee1) g5!
Capablanca spielt 26...Txd4?! statt 26...Df6! +-
Stellung bevor 33...f5?; einfach 33...Sxh4+ hätte leicht gewonnen
Capablanca-Marshall (05), Schluss-Stellung
5. Partie ohne Kommentar, nachspielbar
Event:
Ort:
Datum:
Weiss:
Schwarz:
Ergebnis
Board
5. Partie kommentiert im PGN-Format
[Event "m"]
[Site "New York"]
[Date "1909.04.27"]
[Round "5"]
[White "Marshall, Frank"]
[Black "Capablanca, Jose"]
[Result "0-1"]
[ECO "D53"]
[EventDate "1909.04.27"]
[PlyCount "104"]
[Annotator "Utzinger,K"]
[Spielstand "1,5 - 3,5"]
1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nc3 Nf6 4. Bg5 Be7 5. e3 Ne4
{Das von Capablanca in diesem Wettkampf mehrmals angewandte
Se4-Manoever fuehrt auch hier zu einer befriedigenden Stellung.
Marshall hat die Majoritaet im Zentrum und will diese als Grundlage
eines Koenigsangriffs benutzen. Wiederum zieht Marshall zuwenig die
Moeglichkeiten in Betracht, die seinem Gegner zur Verfuegung stehen.
Er übersieht einen einfachen Bauernzug, der eine Anzahl Kombinationen
hervorruft, die schliesslich entscheidenden Nachteil fuer ihn bringen
(Euwe/Prins). }
6. Bxe7 Qxe7 7. Bd3
{Laut Capablanca verdient hier 7.cxd5 den Vorzug. }
7. ... Nxc3 8. bxc3 Nd7
{Und auch hier meint Capablanca, dass 9...dxc4 10.Lxc4 b6 nebst Lb7
besser war. }
9. Nf3 O-O
{Capablanca glaubt, dass jetzt 9...dxc4 10.Lxc4 b6 nicht mehr gut sei,
denn 11.Lb5 wuerde wegen der Drohung Se5 die Entwicklung des Laeufers
nach b7 verhindern. }
10. Qc2
{Droht Lxh7 mit Bauerngewinn. }
10. ... h6 11. O-O c5 12. Rfe1 dxc4 13. Bxc4 b6 14. Qe4
{Auch mit der Alternative 10.d5 ist kein Blumentopf zu gewinnen. }
14. ... Rb8 15. Bd3
{Mit Mattdrohung auf h7 }
15. ... Nf6 16. Qf4 Bb7 17. e4
{Marshall setzt seine Bauernmehrheit im Zentrum in Bewegung. }
17. ... Rfd8 18. Rad1 Rbc8
{Capablanca bringt seinerseits seine Figuren in Position. }
19. Re3
{?! Ein tiefsinniges, mir aber unverstaendliches Turmmanoever, das
zuwenig durchdacht ist; besser der die Zentrumsspannung
unterstuetzende Rückzug 19.Lb1 (Utzinger,K). }
19. ... cxd4 20. cxd4 Rc3
{Schon steht Schwarz eine Spur besser ... und Marshall verliert die
Nerven, bzw. uebersieht eine gegnerische Drohung, die mit 21.Dh4 -
oder noch besser mit 21.T3e1 - haette pariert werden koennen. }
21. Bb1
{? Da ist er, der unverzeihliche Fehler. Man kann nur mutmassen: aber
es ist kaum denkbar, dass Marshall die folgende Antwort uebersehen
hat, viel eher duerfte es sich um einen Berechnungsfehler handeln, wie
beim 25.Zug von Weiss gezeigt. }
21. ... g5
{! Natuerlich und stark ist dieser schwarze Bauernzug am
Koenigsflügel, geht nun fuer Weiss doch Material verloren. }
22. Nxg5
{Oder 22.Dg3 Txe3 23.fxe3 Sxe4 mit Bauerngewinn fuer Schwarz. }
22. ... Rxe3 23. Qxe3
{? Der schockierte Marshall verliert endgueltig den Faden und verwirft
oder uebersieht die bedeutend bessere Zugfolge 23.fxe3 Sh5 24.Dxf7
Dxf7 25.Sxf7 Kxf7 }
23. ... Ng4 24. Qg3 Qxg5 25. h4
{Oder hatte Marshall an Gegenspiel geglaubt mit 25.Dc7 und dabei
uebersehen, dass Schwarz nach 25...Tc8! 26.Dxb7 Tc1 gewinnt? }
25. ... Qg7
{Mit nur einem Bauern fuer die Figur koennte Weiss aufgeben, doch
Marshall dehnt die Agonie noch etwas aus. }
26. Qc7
{?! Besser, aber ebenfalls ungenuegend war 26.Lc2 }
26. ... Rxd4
{?! Genuegt zum Gewinn, aber viel einfacher war 26...Df6! 27.Dg3 (oder
f3, Txd4 -+) h5 -+ usw. }
27. Qb8+ Kh7 28. e5+ Be4 29. Rxd4 Bxb1 30. Qxa7 Nxe5 31. Rf4
{Oder 31.Dxb6 Le4 32.Txe4 Sf3 33.Kf1 Sd2+ 34.Kg1 Sxe4 +- }
31. ... Be4 32. g3 Nf3+
{Was am von einigen Kommentatoren als besser angegebenen 32...f5
staerker sein soll, bleibt mir ein Raetsel. }
33. Kg2 f5
{?! Ungenau, denn 33...Sxh4+ war viel einfacher }
34. Qxb6 Nxh4+ 35. Kh2
{Erzwungen, denn nach einem Rueckzug auf die 1.Reihe folgt sofort
toedlich Dg7-a1 }
35. ... Nf3+ 36. Rxf3
{Alles andere ist schlechter. }
36. ... Bxf3 37. Qxe6
{So gut stand Weiss schon lange nicht mehr, so dass sich Capablanca
noch anstrengen muss, um den vollen Punkt zu holen. }
37. ... Be4 38. f3 Bd3 39. Qd5 Qb2+ 40. Kg1 Bb1
{Gemaess dem Computerprogramm Houdini 1.5a ist hier 40...Dc1+
bedeutend staerker. }
41. a4 Qa1 42. Qb7+ Kg6 43. Qb6+ Kh5 44. Kh2 Ba2 45. Qb5 Kg6 46. a5 Qd4
47. Qc6+ Qf6 48. Qe8+ Qf7 49. Qa4 Qe6 50. a6
{? Eine Rettung gab es wohl kaum noch, nur lange Verzoegerung mit
50.Dc2. Doch nach dem Textzug ist es rasch aus fuer Weiss. }
50. ... Qe2+
{Mit Mattangriff }
51. Kh3 Bd5 52. a7 Bxf3
{Spielstand nach 5 Partien: 3,5 - 1,5 fuer Capablanca }
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