Liebe Schachfreunde
Wie konnte es kommen, dass ein Neuling in der damaligen Schachszene,
nämlich José Raoul Capablanca, den staerksten und turniererfahrenen
Spieler der USA, Frank Marshall in einem Match des Jahres 1909 nicht
nur besiegen, sondern gar zerschmettern konnte. Die Beantwortung
dieser Frage hat mich schon lange gereizt. Deshalb habe ich alle
Partien genauer unter die Lupe genommen und auch kommentiert. Diese
kommentierten Partien werde ich sporadisch hier ins Forum stellen.
Wie immer wäre ich für Anregungen und Verbesserungsvorschläge
aus der Community dankbar.
1. Partie publiziert hier:http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=48825#pid488252. Partie publiziert hier:http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=48905#pid48905Freundliche Grüsse
Kurt
Schluss-Stellung 3. Partie, Marshall-Capablanca, remis
3. Partie ohne Kommentar, nachspielbar
Event:
Ort:
Datum:
Weiss:
Schwarz:
Ergebnis
Board
3. Partie kommentiert im PGN-Format[Event "m"]
[Site "New York"]
[Date "1909.04.24"]
[Round "3"]
[White "Marshall, Frank"]
[Black "Capablanca, Jose"]
[Result "1/2-1/2"]
[ECO "D53"]
[EventDate "1909.04.24"]
[PlyCount "72"]
[Annotator "Utzinger,K"]
[Spielstand "1,0 - 2,0"]
1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nc3 Nf6 4. Bg5 Be7 5. Nf3 Nbd7
{Ueblicher sind 5...0-0 oder 5...h6 }
6. e3 Ne4
{Der Grund, aus welchem ich mich zu dieser Variante entschloss,
beruhte einmal auf meiner voelligen Unkenntnis der verschiedenen
Varianten dieser Eroeffnung, sodann auf der Tatsache, dass Dr. E.
Lasker diese Spielweise gegen Marshall im Jahre 1907 erfolgreich
angwandt hatte; und ich glaubte, da Dr. Lasker oft so gespielt hat,
wuerde es gut sein (Capablanca,J). }
7. Bxe7 Qxe7 8. cxd5
{Beliebt ist hier auch 8.Dc2 }
8. ... Nxc3 9. bxc3 exd5 10. Qb3
{Eine gute Alternative besteht in 10.Ld3 }
10. ... c6 11. Bd3 O-O 12. O-O Nf6
{Die am meisten verbreitete Fortsetzung zu den ebenfalls bekannten
Varianten mit 12...h6 oder 12...Td8 }
13. Rab1
{Gilt auch heute noch als die wirkungsvollste Fortsetzung. }
13. ... b6
{In meiner Datenbank letztmals im Jahr 1956 gespielt; dabei finde ich
diesen Zug gleichwertig zum ueblicheren 13...Se4 }
14. Ne5
{Auch 14.c4 ist ein logisches Abspiel }
14. ... c5
{Damit hat Schwarz die Spiele bereits ausgeglichen. }
15. Qa3 Re8
{Offenbar sah Capablanca keinen Anlass, ueber Alternativen wie
15...Lb7 und 15...Sd7 oder 15...Le6 nachzudenken. Der Textzug haelt
die Partie jedenfalls klarer und uebersichtlicher. }
16. Bb5 c4
{Mit dem Turm zurueckweichen mag der Kubaner nicht. Trotz laengeren
Analysen faellt es schwer, die Guete der hier vorhandenen
Moeglichkeiten wie 16...c4 / 16...Tf8 / 16...cxd4 zu vergleichen. }
17. Qa4
{Bemaechtigt sich der weissen Felder im gegnerischen Lager. Natuerlich
verbot sich 17.Lxe8?? Dxa3 -+ }
17. ... Rf8 18. Bc6
{Geduld war selten eine Tugend von Frank Marshall. Wirkungsvoller und
fuer Schwarz laestiger war der Versuch 18.f3, um e3-e4 vorzubereiten.
}
18. ... Bb7 19. Qc2
{Auch hier vermag das sofort den Zentrumsvorstoss vorbereitende 19.f3
oder 19.Lxb7 Dxb7, 20.f3 besser zu gefallen. }
19. ... Bxc6 20. Nxc6 Qd6
{Mit diesem und dem folgenden Zug zeigt Capablanca, dass er gewillt
ist,auf Gewinn zu spielen. Ansonsten macht 20...Db7 einen solide(ren)
Eindruck. }
21. Ne5 a6
{Ein ambitioeser Plan, am Damenfluegel zu spielen, statt dort passiv
zu bleiben und einen Turm auf e8 zu stellen mit anschliessendem
Tauschversuch des gegnerischen Springers durch Sf6-d7.}
22. a4 Rfb8 23. Rb4
{Weiss ist unnoetig besorgt ob der kommenden Aktivitaeten von Schwarz
am Damenfluegel und schiebt f2-f3 solange auf, bis es keine Wirkung
mehr zeigt. }
23. ... b5 24. axb5
{Meines Erachtens haette Weiss hier mit 24.Ta1 einen geringfuegigen
Vorteil retten koennen. Nach dem Textzug hat Schwarz keine Sorgen
mehr. }
24. ... Rxb5 25. Rxb5 axb5 26. Rb1 Ra5
{Die a-Linie will Schwarz natuerlich nicht aufgeben. }
27. f3
{Endlich doch noch dieser systemgemaesse Zug. Er kommt aber zu spaet,
weil der Gegner zur Beherrschung der a-Linie gelangt und das moegliche
Eindringen seines Turms auf a2 in petto hat. }
27. ... Qa6 28. Qb2 Qd6 29. Qc2
{Noch immer ist Marshall in Kampfesstimmungen, ansonsten er das sofort
neutralisierende 29.Ta1 gespielt haette. }
29. ... g6 30. h3 Kg7 31. e4
{Ein letzter erfolgloser Versuch, etwas Initiative zu erhalten. }
31. ... Qa6
{Noch besser war vorerst der Zwischentausch 31...dxe4 }
32. Ng4 Ra2
{Optisch steht Schwarz besser, faktisch herrscht jedoch Ausgleich. }
33. Qc1 Nxg4 34. hxg4 dxe4 35. fxe4 Re2 36. Qf4
{Die genaueste Antwort, denn es scheitert 36.e5? Da2, 37.Dxf1 Txg2,
38.Dxg2 Dxb1+ usw, }
36. ... Rxg2+
{Stellt das Remis auf einfachste Art sicher, denn nach 37.Kxg2 Da2
38.Kf3 Dxb1 hat Weiss nach 39.De5 f6 40.Dc7 ewiges Schach. Spielstand
nach 3 Partien: 2,0 - 1,0 fuer Capablanca. }
1/2-1/2