Natürlich, Herr Professor, das mit dem verlorengegangenen Code war auch für mich schon immer eine echte Chuzpe und musste wohl für Wissenschaftler wie z.B. auch Prof.Hyatt als Schlag ins Gesicht empfunden werden.
Haben Sie aber, sehr geehrter Herr Professor, nicht schon auch an anderer Stelle feststellen müssen, dass der Zusammenhang zwischen Wissenschaft, dem was darauf auf den Markt kommt und dem, was der Markt an Rückwirkung auf die Wissenschaft abgibt, einen auf die Palme bringen könnte, würde man von da oben nicht völlig den Einfluss darauf verlieren?
Ich will nicht unnötig zynisch klingen, schon klar, dass jemand, der wie Bob Hyatt sein Leben der wissenschaftlichen Arbeit an Computerprogrammen gewidmet hat, so etwas nicht einfach hinnehmen kann, insbesonders, wenn sein Crafty wahrscheinlich nicht viel unmaßgeblicher am Rybkaerfolg mitgewirkt hat als Letouzeys Fruit.
Hyatt wäre aber wahrscheinlich mit einem einfachen Quellenverweis im Stammbaum Rybkas auch nicht zufrieden gewesen, ansonsten könnte er es ja jetzt einfach damit sein, dass die ICGA bestätigt hat, Ryba war so erfolgreich wie Fruit und Crafty zusammen, vom wissenschaftlichen Standpunkt doch immerhin auch ein Erfolg für ihn.
Das mit dem Verkauf von etwas, was zwar vielleicht nicht originell, vielleicht nicht einmal neu ist, aber Ranglisten- und Turniererfolge einfährt, dass das mit freier Wissenschaft eben nur bedingt zu tun hat, eigentlich mit Wissenschaft an und für sich gar nichts, ist das nicht auch einfach so?
Letouzey wollte der Wissenschaft dienen, allerdings nachdem er es zunächst kurz probiert hatte am freien Markt, Hyatt ist ein habilitierter Lehrer in dieser Sache, Rajlich wollte im Computerschach gewinnen und Geld damit verdienen, man sollte das sowohl sportlich als auch wirtschaftlich betrachtet, auseinanderhalten, mit Wissenschaft hatte es eigentlich nie etwas zu tun, oder hat Rajlich je einen akademischen Grad versucht mit Ryba zu erlangen?
Ich entschuldige mich gleich wieder für meine Polemik, aber es geht um Schach, das ist ein Kriegsspiel und ein Leistungssport, daneben ein Geschäft für einige wenige Profispieler und sehr viel mehr Leute, die daran vermarktbares Image knüpfen, was hat wohl IBM veranlasst, soviel Geld in das Match gegen Kasparov zu investieren?
Hat IBM Deep Blue der Wissenschaft gespendet nach dem Triumph?
Die Arbeiten von Prof.Hyatt werden vielleicht am Erfolg von IBM damals gar nicht so unbedeutend mitgewirkt haben, warum hat er sich damals nicht aufgeregt, er habe nicht die ihm zustehende Würdigung dafür erhalten?
Ich kann mir einfach nicht helfen, als Wissenschaftler graust mir auch vor unkontrollierbarem Ideenklau, als Mann, der nicht die Wissenschaft selbst direkt verkaufen muss, sondern nur die Anwendung, ist so etwas, wie es die Generika in der Pharmakologie sind, nichts prinzipiell Schlechtes.
Für mich ist die Frage nach wie vor, abgesehen vom schachlichen Interesse, das vielleicht insgeheim schon mein hauptsächliches ist, eine wirtschaftliche:
Wie sehr hat sich jemand legaler oder illegaler Weise einen Wettbewerbsvorteil verschafft, hier zählt nicht wissenschaftliche Genauigkeit und nicht sportlicher Erfolg, hier zählt das Geld, das damit verdient wurde und womit genau.
Erstens glaube ich, dass die ICGA und das Computerschach als solches mehr verdient hat rein finanziell, als Rajlich, und zweitens hat er selbst es hauptsächlich dadurch verdient, dass ihm die "Computerschachszene" so applaudiert hat.
Ihm das jetzt allein anzukreiden, dass man sich zu einem guten Teil auch einfach selbst betrügen wollte, finde ich moralisch doppelbödig.
Vor Allem aber bleibt die Frage, wer wird weiter noch etwas an der Entwicklung wie verdient verdienen und wie überhaupt, und da sollte man entweder die bestehenden juristischen Grundlagen zu Rate ziehen, wurde etwas einklagbar geklaut und wem, oder man sollte die wissenschaftliche Seite, die ja unbestritten zuungunsten von Rybka (aber meiner unmaßgeblichen Meinung nach auch schon lange vor ihm zuungunsten von allen möglichen anderen Programmen) beantwortet ist, die sportliche Seite und die wirtschaftliche trennen.
Die sportliche Seite braucht jetzt erst einmal wieder einen Grund, überhaupt weiter gegeneinander und miteinander zu spielen, Schach wird auch weiter gespielt werden, ohne dass dahinter EDV- Interessen mehr oder weniger unverhohlen mitbedient werden müssen, Computerschach muss man nicht als Sport und nicht als Geschäft für sich weiterführen, von mir aus kann man es auch lassen, die wissenschaftlichen Interessen dahinter werden dadurch nicht kleiner werden, vielleicht sogar im Gegenteil und die Geldgeber waren sowieso immer Andere, als die paar Endverbraucher für die Programme selber ausgegeben haben.
Wirtschaftlich sehe ich mehr Ressourcen vernichtet, als einklagbar sind.
Oder warum zieht der Eigner der Craftysourcen nicht aus der für ihn persönlich doch klaren Sachlage die juristischen Konsequenzen? Wartet er wohl wirklich immer noch, dass die FSF für Letouzey aktiv wird? Prof.Dr.Hyatt hätte immerhin den einen oder anderen Apparat hinter sich, hat ein persönliches Copyright auf Crafty, was braucht er die ICGA und die foren um sich sein Recht zu verschaffen?
Oder meint er halt auch, öffentlich rechtlich ist da nichts einklagbar und ist er mit der vereinsrechtlichen Verurteilung zufrieden?
Dann könnt er sich andererseits sportlich dahingehend als Sieger aus dem Ring zurückziehen, und müsste nicht weiter gegen Alles wettern, was auch programmieren kann und da dennoch meint, so ein einmaliges noch nie dagewesenes Sakrileg sei Rybka vielleicht doch nicht gewesen. Das ist dann auch wieder eine wissenschaftliche Frage, zugegeben, und da lässt er sich natürlich nicht gern was sagen, ich kenne aber auch Wissenschaftler, die sich von anderen Wissenschaftlern selbst in ihrer eigenen Wissenschaft was sagen lassen, dass nicht jeder Wissenschaftler über die Grenzen seiner Wissenschaft hinaus Anspruch erheben muss, als universelle Kapazität zu gelten, nur so am Rande.
Von Rajlich zu erwarten, er werde seinerseits klagen, wenn seine wirtschaftliche Existenz vielleicht ohnehin schon wackelt, ist eine juristisch und witschaftlich zynische Retourkutsche.
Von chessbase wäre ich mir gar nicht so sicher, dass sowas nicht bereits überlegt wird, hier wäre eine eben tatsächlich umgekehrte Beweislast auf der Seite von ursprünglichen Beschuldigern meiner Meinung nach durchaus in Sinn von Copyrights- oder Copyleftsverletzungen nicht so leicht zu erbringen, dass das nicht Aussicht auf auch gutachterlich schätzbare Schadensbeurteilung hätte. Das finanzielle Prozessrisiko wäre allerdings wahrscheinlich doch eher unwägbar, das wird man allerdings auch nie herausfindenen, wenn man es nicht ausprobiert.
Manche Sachen sind eben sogar wissenschaftlich betrachtet nach wie vor noch immer solche von Versuch und Irrtum.