Hallo Ingo,
> Zu deine Frage nach der Bedenkzeit auf Playchess - alles zw. 3 und
> 7 Minuten, maximal 1s Inkrement.
>
> Zugegeben alles Blitz, aber auch TOP GMs versuchen sich da schon
> mal und wollen sogar Bullet spielen (1 + 0?); nach langen PArtien
> fragen sie nie! Im Gespräch kommt raus das sie einfach keinen
> "Hirnschmalz" in eine lange Partie investieren wollen, wissend das
> der kleinste Patzer sie das Remis kostet.
Genau. Und wofür? Nichts...
> Ich gebe aber zu die
> besseren, wenn auch kleinen Chancen hätte ein guter Spieler wohl bei
> langen Partien, am besten noch mit einer vorbereiteten Variante.
Gut, da sind wir uns halbwegs einig. Ich denke jedoch wie manch
anderer hier, dass GMs verhältnismäßig einfach Remisen erreichen
können, während das Spiel auf Gewinn eine Gratwanderung ist, bei der
das Risiko abzustürzen so hoch ist, dass es kaum noch jemand eingeht.
Oder wenn doch, dann zu 99% abstürzt.
> Spielt man längere Partien gegen die schwächeren Spieler, schnellt
> aber SOFORT die Engineunterstützung hoch. Sprich sobald es die Zeit
> zuläßt versuchen mehr und mehr Menchen einen Rechner als Hilfe
> dazuzunehmen. Ich habe früher mehrmals erlebt das 1800,2000,2200
> Spieler plötzlich wie Gott spielten - und danach ihr Rating loswaren ...
Das ist klar, dass ein 1800-2000-2200 Spieler auch auf längeren
Bedenkzeiten ohne Hilfe kaum eine Chance hat.
> Zu deiner allgemeinen Argumentation zwei Punkte:
> 1. Ja, der Mensch hat vielleicht ein besseres Positionsverständniss
> (versteht die Engine irgendwas? - philosophische Frage)
Ich mache die Antwort auf die Frage nicht von philosophischen Aspekten
abhängig, sondern von stellungsgerechten Zügen.
Wenn eine geschlossene Bauernstruktur einen stellungsgerechten Angriff
am Königsflügel erfordert, das Programm jedoch am Damenflügel
herumstochert, hat das Programm in dieser oder vielleicht sogar
ähnlichen Stellungen keine Ahnung. Und auf die hypothetische Frage: Wenn
das Programm aber auch mit dem anderen Plan gewinnt, wieso soll er
dann falsch sein? gibt meist der Partieverlauf eine Antwort. Denn
letztlich gewinnt der bessere Spieler, manchmal eben unabhängig von
der Korrektheit der Strategie.
> 2. Was nutzt das dem Menschen wenn er es praktisch immer taktisch verhaut?
Diese Frage wurde in der Praxis schon beantwortet mit den Fritz und
Junior Matches. Trotz erheblicher Vorteile bei der Vorbereitung und zu
Partiebeginn gelang es Kramnik & Co nicht, die Programme zu besiegen.
Trotz dass sie sich monatelang mit den Programmen vorbereiten konnten,
deren Schwächen ausloten. Am Ende reichte es maximal zu besseren
Stellungen, die zu gewinnen sie jedoch kaum in der Lage waren.
Also ist selbst das Spielen auf Turnierstufe tot, weil für den
Menschen kaum mehr als Remis machbar ist.
Damit bleibt zunächst das Fernschach. Da im Fernschach nur noch mit
Programm gespielt wird, lässt sich kaum sagen, ob ein Mensch alleine
ohne Enginehilfe über 50% holen würde. Ich denke nicht. Also nutzt dem
Menschen das positionelle und strategische Wissen nur noch bei der
Analyse und Vorbereitung - mit Programmhilfe.
> Entscheidend ist, was dabei herauskommt, hat mal ein Kanzler
> gesagt!
Entscheidend ist, was HINTEN rauskommt, waren seine Worte, wenn ich
nicht irre.
> Alles andere ist "rumdeuteln" und sich den harten Zahlen verschließen.
Das sehe ich etwas differenzierter. Nackte Zahlen sind noch lange
nicht die ultimative Wahrheit. Man muss wissen, wie sie zustande
gekommen sind. Sonst sind die Zahlen wertlos und verleiten zu falschen
Schlüssen.
> Deine Bemerkungen bzgl, "Engies haben Schwächen aber sie werden
> weniger" kann ich nur unterschreiben - die wenigen Schwächen die sie
> noch haben sind für das praktische Spiel allerdings unerheblich.
>
> Bye und Gruß
> Ingo
In dem Karl-Interview hatte Dein Chef aber noch gesagt, dass die Programme
noch deutliche Schwächen hätten und viel Raum für Verbesserung bliebe.
Die praktische Unerheblichkeit mag gegen Menschen gelten, gegen andere
Programme nicht unbedingt.