Hallo zusammen,

da -> https://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?tid=12186 findet sich ein schönes Parteibeispiel aus League 2 des TCEC, das der These, dass ab einer gewissen Enginebeurteilung (bei sorgfältigem und optimalen Spiel) Partien eigentlich gelaufen sind. Ja, Begrifflichkeiten wie "sorgfältig" sind natürlich auch und gerade im Zusammenhang mit Computerschach etwas sehr schwammig bzw. von einer Beliebigkeit, auf die kann man Nutzer solcher Worte natürlich nicht festnageln. Und, pah, "optimal", schon klar, wenn es nicht reicht zum Sieg, dann war es eben nicht optimal gespielt. Unabhängig davon halte ich es nicht für zwingend, dass Stellungen, die z.B. nach einer x-Sekunden Analyse mit + 1.12 bewertet werden, auch bei sorgfältigem, und optimalem Spiel nicht automatisch gewonnen sind. In dem verlinkten Beitrag hat Minic den nach der Eröffnungsvorgabe gegebenen Vorteil ja eben nicht umsetzen können ... Und, bitte, nee, man verschone mich mit tiefschürfenden Analysen, dass SF 13,5 nach 37 Sekunden im 42 Zug einen viel besseren Zug gefunden hätte ... Denn SF 13,5 hätte ja schon vorher wahrscheinlich an vielen Stellen ganz anders gespielt, insofern wäre es wohl überhaupt nicht zu der Stellung gekommen, in der jetzt - boah, ey - der Superduperzug gefunden wurde. Wer solche "Analysen" trotzdem anfertigen möchte, bitteschön, soll machen.

Wie auch immer, gespannt war ich natürlich auf den Rückkampf.

Zur Vorgabestellung:



Nemorino bewertet die Stellung nach dxe4 mit - 1.12, Minic die Stellung nach 3.Sge5 mit -1.54

DAS sollte ja nach Expertenmeinung (unter der Prämisse sorgfältigen und optimalen Spiels) eigentlich gelaufen sein ...

Nun ja, Engines halten sich ja an Meinungen nicht auf, die rechnen. Und rechnen. Und rechnen. Und ziehen. Und rechnen. Und ziehen. Und da an Enginepartien ja zumeist zwei Engines beteiligt sind, kommt es da auch schon mal zu widersprüchlichen Aussagen ...



Nach dem 20. Zug sehen beide Engines rfür Weiß die Sache nicht mehr ganz so schwarz, Nemorino ist bei -0.93, Minic hingegen hat nach 20... Dxf6 nur noch eine -1.12 in der Ausgabe. Eigentlich sollte die Partie noch immer eigentlich schon so gut wie vorbei sein ...



Nur zwei Züge später knickt Nemorino ein ... -0.35, Minic bleibt (nach 22...Td5) mit -0.94 nahezu gleich. Wasndas? Weiß etwa im Aufwind? Zwischen dem 20. und 22. Zug hat sich ja eigentlich nicht viel an der Stellung geändert ...



Minic -0.89, Nemorino (nach 24... Tc5) -0.71.

Im Gegensatz zur Hinrundenpartie fällt natürlich auf, dass sich (bei etwa vergleichbarer Zugzahl) noch wesentlich mehr Figuren auf dem Brett befinden. Statt je einem Turm und falschne Läuf..., pardon, ungleichfarbigen Läufer, sind es Damen plus 2 Türme plus fal..., pardon, ungleichfarbige Läufer. Weiß hat zwar noch immer einen Mehrbauern (der noch immer durch den Doppelbauern etwas entwertet ist), dafür aber hat Schwarz mehr Raum und kann den zentralisierten weißen König ins Visier nehmen.

Entsprechend wenig tut sich (in Sachen Stellung) in den nächsten Zügen. Seine Bewertung peppt Minic hingegen auf.



Minic -0.24, Nemorino (nach 36... Kh7) -0.77.

Nun machen wir einen Sprung ...



Minic bei -1.12, Nemorino (nach 54... Dc5) bei -1.22.

Jetzt aber! Da haben wir doch endlich wieder dolle Bewertungen. Jetzt sorgfältiges und optimales Spiel und Schwarz hat den Punkt. Und, hey, es rechnen 176 Threads, selbst bei Nicht-Spitzengeines sollte das reichen!



Yippie Ya Yeah Schweinebacke. Da ist jetzt aber Bewegung in die Stellung gekommen. Freibauern! Zwar hat Weiß noch immer einen Bauern mehr, aber der ist noch immer ein Doppelbauer. Minic -0.80, Nemorino (nach 72... Tb8) -1.03. Ja, da sind noch immer die falsch..., pardon, ungleichfarbigen Läufer. Auf die es angesichts der versammelten Schwerfigurenschar aktuell wohl nicht sonderlich ankommt.



Mehrbauer weg, der weiße Freibauer nicht zum Offizier aufgestiegen ... Euin Turmpaar verschwunden. Minic -0.04, Nemorino (nach 80... Da8) bei -0.78.

Ich mache es kurz und stelle die Schlussstellung ein.



Hat nicht sollen sein. Daran haben auch die siegversprechenden Bewertungen nichts geändert. Schach bleibt offenbar auch unter Engines nicht einfach. Und gerade deshalb: Hakuna Matata. Oder anders formuliert: Löst Euch von dem Heilsversprechen der Allmacht starker Hardware und starker Engines. Noch ist Schach nicht gelöst. Noch ist es spannend. Und, bitte, erspart Eurer Umwelt irgendwelche rausgekloppten +1.12 (nach x,krumme Sekunden und 40 Halbzügen Tioefe), denn derlei Zahlen sind zwar beeindruckend anzuschauen, aber zumindest in den Partien Nemorino-Minic und Minic-Nemorino wurden sie von der Ereignissen auf dem Brett letztlich entwertet. Und, nee, das liegt nicht nur an den falschen Läu..., pardon, ungleichfarbigen Läufern.

Hätte ich nicht schon einen Haufen Vorgabestellungen zu unausgewogenen Stellungen, ich würde die bei diesen Partien genutzte Stellung in meine Turnierserie integrieren. Aber genug ist genug, ich muss nicht zu allem Engines gegeneinander anturnen lassen. Es macht ja mindestens genau so viel Spaß, Turnieren wie dem TCEC zuzuschauen, wenn dort Vorgaben wie hier gegeben sind.

Viele Grüße
Tobias