Nach 6 Runden beim stärksten Freestyle-Turnier aller Zeiten, der InfinityChess Freestyle Battle 2014 (ICFB), zeichnen sich erste Trends ab. Während es den Teilnehmern gestattet ist, zu jeder Runde frei zu wählen, ob sie als Zentaur oder als Engine stand-alone antreten, vertrauen nur wenige auf die Stärke von Engines pur , selbst wenn ihnen stärkste Hardware, gute Bücher und alles erdenkliche Knowhow zur Verfügung stehen. Die Überlegenheit der Kombination Mensch/Maschine (=Zentaur) ist auch heute noch, trotz enormen Fortschritts bei Hardware und Software im Vergleich zu 2008, als das letzte große PAL/CSS-Turnier stattfand, deutlich zu spüren.
Von den bislang 80 Turnierpartien (90m+15s) fanden 26 zwischen Zentauren und Engines statt. Die Zentauren führen mit 15,5 : 10,5 , wobei diese Wertung zwar keinerlei Bedeutung für die Preisverteilung hat, aber einen sehr interessanten Nebenaspekt bildet. Aus Sicht der Zentauren heißt das: 8 Siege, 3 Niederlagen, 15 Remis, wobei sie allerdings nur 11mal Weiß gegenüber 15mal Schwarz hatten (diese Farbverteilung ist rein zufällig und ändert sich von Runde zu Runde).
Die 3 Niederlagen gehen auf das Konto eher schwächerer Zentauren, sind allerdings ebenso sehenswert wie umgekehrt die 8 schön herausgespielten Siege der Zentauren. Großen Respekt hatte man nach dem Auftaktsieg von Zorchamp (Vereinigte Arabische Emirate) mit seiner Engine "Deep Cryptic Cyclone 2.7", von der es heißt, dass sie auf einer "Monster-Maschine" läuft und die Computerkonkurrenz in Grund und Boden spiele. Die genauen Hardware-Daten sind bislang nicht bekannt, aber die protokollierten Rechentiefen von 30-40 im Mittelspiel mit einer Engine, die weder Houdini noch Stockfish zu fürchten hat, weisen auf einen Cluster von ähnlichen Dimensionen wie dem Rybka-Cluster hin. Dennoch musste Zorchamp schon zwei Niederlagen gegen die starken Zentauren EtaoinShrdlu (Tschechien) und Idol99 (Russland) quittieren. Auch Zorchamps Landsmann Akhtar zog einmal mit Cryptic Cyclone den Kürzeren, gewann allerdings auch ebenso wie Zorchamp einmal gegen einen Zentauren. Der dritte Engine-Sieg wurde von dem Freestyle-Neuling Paul (Kirgisien) mit Komodo errungen, wobei dieser ebenfalls wie Zorchamp schon zweimal ins Gras beißen musste. Weder die als Engine stand-alone spielenden Stockfish-Versionen noch Houdini 4 konnten bisher auch nur eine einzige Partie gegen einen Zentauren gewinnen, steckten aber 5 Niederlagen ein.
An der Spitze liegen mit je 5 aus 6 Intagrand (England), der schon früher einer der erfolgreichsten Freestyle-Champions war, und Maximus (Philippinen) mit je 5 aus 6. Für Maximus scheint sich sein nunmehr jahrelanges Freestyle-Training, das nicht immer von Erfolg gekrönt war, allmählich auszuzahlen, unabhängig davon, über welche Helfer er (ebenso wie vermutlich auch die Erstgenannten) möglicherweise verfügt.
Die hochklassigen Partien werden auf der InfinityChess Website zum Online-Nachspielen angeboten und einige Highlights je Runde von Großmeister Christopher Lutz glänzend kommentiert. Die hohe Zahl entschiedener Partien vor allem in den Runden 3 und 5 (jeweils 10 und 9) macht die Aufgabe für ihn allerdings so schwer, dass er kaum mit seinen Analysen nachkommt. Am Montag wird wohl erst sein 4. Rundenbericht fertig sein. Selten wurden strategische Fehler in Freestyle-Partien so gründlich aufgedeckt und lehrreich präsentiert. Die Schönheit tiefgründiger Ideen und deren Umsetzung im Freestyle-Schach beweist vor allem eines: der menschliche Faktor ist nach wie vor entscheidend und veredelt das computergestützte Schach.
Die Botschaft der ersten 6 von insgesamt 29 Runden (übrigens unter Beteiligung etlicher Fernschach-IM, -SIM und -GM, darunter Dr. Matthias Kribben, Nr. 8 der ICCF-Weltgrangliste, der als Ersatz einsprang und zwei kampflose Niederlagen mitnehmen musste) lautet: Freestyle lebt mehr denn je, und InfinityChess schickt sich mit einem mittlerweile viel stabileren und ausgereifteren Server an, an frühere Glanzzeiten des Freestyle-Schach anzuknüpfen. Mit einem starken Sponsor im Hintergrund lässt dies einiges für die Zukunft hoffen, um die Vision von der "Formel 1 des Schachs" mit noch hochkarätigeren Turnieren in die Tat umzusetzen.
http://www.infinitychess.com/ und zwar zweimal gegen die hochgerüsteten Maschinen aus AbuDhabi (vermutlich