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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Engine match: Shannon vs Turing
- - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 08:33
Hallo,
zunächst wünsche ich allen ein frohes Osterfest.

Vor einigen Jahren hatte Mathias Feist die Schach-Engines von
Shannon und Turing
nachprogrammiert.
Im Jahr des hundertsten Geburtstages von Turing interessiert mich,
wie stark die beiden im Vergleich auf heutiger PC-Hardware sind.

Wäre jemand bereit, ein Match (z.B. über 20 oder 50 Partien)
auf seinem PC zu spielen?

Ich bin an einem solchen Match sehr interessiert und würde es
in einem Artikel diskutieren, dabei natürlich den Durchführer des
Matches gebührend nennen.

Die Turing-Engine kann man bei ChessBase herunterladen,
wenn man auf folgender Seite als Kategorie "engines" angibt
und dann in der Liste herunterscrollt.
http://www.chessbase.de/download/index.asp?cat=Engines

Die Shannon-Engine kann man direkt von folgender Seite laden,
auch wenn es dort "Sannon Engine" heisst.
http://www.chessbase.de/nachrichten.asp?newsid=9711

Viele Grüsse,
Ingo Althöfer.
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 13:56
So, jetzt habe ich mal, um einen Anfang zu schaffen, selbst die Engines von
Shannon und Turing gegeneinander spielen lassen, bei ca
15 Sekunden Bedenkzeit pro Zug.

Erst sah es so aus, als würde Turing klar gewinnen. Dann hat er
sich aber etwas verhaspelt - am Ende wurde es Remis durch
Stellungswiederholung.

Nervig: Die Programme haben kein alpha-beta. Sie machen zwar iterative
deepening, aber jede neue Tiefe braucht ungefähr die 40-fache Rechenzeit
der vorherigen.

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board


Wagt jemand eine Vorhersage, was bei einem 20-Partien-Match mit natürlichen
Kurzeröffnungen zwischen den beiden herauskommt?

Ingo Althöfer.
Parent - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 14:26
Und direkt die Rückpartie zur gleichen Eröffnungsvorgabe: 1.e3 e6

[Event "15 Sek per move"]
[Site "MyTown"]
[Date "2012.04.08"]
[Round "2"]
[White "Turing Engine"]
[Black "Shannon-Engine"]
[Result "1/2-1/2"]
[PlyCount "115"]

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board


Turing steht am Ende klar besser: Mehrspringer und Freibauer
auf der h-Linie. Die Engine scheint aber keine Stellungswiederholungen
zu erkennen.

Ingo Althöfer.
Parent - By Michael Scheidl Date 2012-04-08 14:30
Nach der schrecklichen ersten Partie befürchte ich: Das kann man genau so gut auswürfeln.

Möglicherweise wäre ein indirekter Vergleich gegen eine oder mehrere bekannte, höchstens mittelstarke Engines nützlich, wobei letztere jeweils die Dame vorgeben oder so... Eine PGN mit Eröffnungsvorgaben dafür ließe sich nach dem Muster des Turmvorgabeexperimentes von unlängst gestalten.

http://forum.computerschach.de/cgi-bin/mwf/topic_show.pl?pid=45198

Ich hatte mich früher schon einmal kurz für diese Engines interessiert (aber nicht systematisch getestet), und erinnere mich dunkel üble Bugs gesehen zu haben - bei der Turingengine, bei der Shannonengine will ich es nicht beschwören - sodaß ich damals damit nicht weitergemacht habe.
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 14:43
So, Partie 3 ist fertig, zur Eröffnung 1.e4 e5.
Hier hatte Turing am Ende eine glatte Dame mehr.
Er liess aber wieder - völlig unbedrängt - ein Dauerschach zu.

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
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Michael Scheidl hat wohl recht. Abgesehen vom historischen Wert
bietet das Match schachlich nicht mal Hausmannskost.

Stand nach drei Partien: 1.5 - 1.5, wobei alle Partien durch
Stellungswiederholung beendet wurden.

Ingo Althöfer.
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 14:58
In Partie 4 das übliche Ende: Remis durch Stellungswiederholung.
Doch war dieses Mal die Schluss-Stellung wirklich ziemlich
ausgeglichen.

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 15:30
In Partie 5 holte die Turing-Engine den ersten vollen Punkt,
und auf welch beeindruckende Weise: Aus bedrängter Stellung
heraus den Gegner schwindelig gespielt, und dann ein Matt
in 4 angesagt und ausgeführt.

Ein echter big point!

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board


Stand nach 5 Runden: 3-2 für Turing.

Ingo Althöfer.
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 16:01
Runde 6 gab wieder ein Remis. Doch dieses Mal hatte Shannon
am Ende eine klare Gewinnstellung und bemerkte die Stellungs-
Wiederholung nicht.

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board


Stand nach Runde 6:
3.5 - 2.5 für Turing

Ingo Althöfer.
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 16:23
Runde 7 (zur Eröffnung 1.Sf3 Sf6) wurde wieder ein Remis
durch Stellungswiederholung. Das Endspiel stand aber auch
ausgeglichen dieses Mal.

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board


Stand nach 7 Runden: 4-3 für Turing.

Ingo Althöfer.
Parent - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 16:54
Partie 8 wurde wieder ein Remis durch Stellungswiederholung.
Neuer Gesamtstand: 4.5 - 3.5 für Turing.

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
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Ingo Althöfer.
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 18:03
So, der 10-Partien-Wettkampf ist vorbei.
Und es wurde am Ende ein richtiger Thriller.

Partie 9 im "üblichen" Stil remis: 3-malige Stellungswiederholung.
Somit stand es vor der letzten Runde 5-4 für Turing.

Und jetzt sammelte der alte Fuchs Shannon alle seine Kräfte.
Durch eine Kombination, die hinter seinem Horizont lag, büsste
Turing zunächst einen Turm ein. Dann verlor er völlig den Faden
und wurde kurz vor dem 40. Zug matt gesetzt.

5-5 Unentschieden! Was für ein Finale. Ich fühlte mich an den WM-Kampf
Lasker-Schlechter aus dem Jahr 1911 erinnert, wo auch Schlechter in der
5. Partie mit einem Sieg in Führung ging, und der alte Fuchs Lasker in der
allerletzten Runde ausgleichen konnte.

Hier sind die beiden Schluss-Runden zum Nachspielen.

Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
Board


Ingo Althöfer.
Parent - By Ingo Althöfer Date 2012-04-08 18:06
Sorry, anscheinend kann man pro Beitrag nur eine Partie anzeigbar posten.
Hier also der zweite Versuch zu Runde 10:
Event:
Ort:
Datum:

Weiss:
Schwarz:

Ergebnis
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Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-10 20:38
Hallo, jetzt habe ich einen kleinen Bericht
vom Shannon-Turing-Match online gehängt
(auch mit ein paar Diagrammen; in englisch).

Hier:
http://www.althofer.de/shannon-turing-exhibition-match.pdf

Bei einigen weiteren Tests kam heraus, dass beide Engines nicht mit König und
Turm gegen den nackten König gewinnen, und auch nicht mit König und Dame
gegen den nackten König.

Ingo Althöfer.
Parent - - By Kurt Utzinger Date 2012-04-10 20:54
[quote="Ingo Althöfer"]
Hallo, jetzt habe ich einen kleinen Bericht
vom Shannon-Turing-Match online gehängt
(auch mit ein paar Diagrammen; in englisch).

Hier:
http://www.althofer.de/shannon-turing-exhibition-match.pdf

Bei einigen weiteren Tests kam heraus, dass beide Engines nicht mit König und
Turm gegen den nackten König gewinnen, und auch nicht mit König und Dame
gegen den nackten König.

Ingo Althöfer.
[/quote]

Sehr geehrter Herr Althöfer
Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, dieses Match mit den
schliesslich schrecklichen Partien aus heutiger Sicht zu veranstalten.
Mfg
Kurt Utzinger
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-11 06:58
Lieber Herr Utzinger,

danke für das Feedback.

[quote="Kurt Utzinger"]
Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, dieses Match mit den
schliesslich schrecklichen Partien aus heutiger Sicht zu veranstalten.


Ich fand es nicht so schrecklich, sondern eher interessant.
Immer noch kann ich mich an die Partien der ersten konnerziellen
Schachcomputer erinnern, z.B. im Herbst 1978 den Chess Champion MK I
mit seinen roten Tasten und der rot leuchtenden Anzeige.

Es scheint mir fast, als sei der CC MK-I mit seiner damaligen Hardware
ähnlich stark/schwach gewesen wie die Engines von Shannon und Turing
auf modernern PC's. Das wäre dann ein weiterer Beleg für die Meinung, dass
Fortschritt im Computerschach beides brauchte: bessere Hardware und
bessere Software. Grob (gezählt von 1950 aus): 28 Jahre Fortschritt in
beiden Bereichen verglichen mit 60 Jahren Fortschritt nur bei der Hardware.

Nach dem ausgetragenen Match habe ich noch einmal Shannon's Artikel von
1950 gelesen - und bin fast hinten rübergekippt. In Abschnitt 2 liest man
Zitat:

2. GENERAL CONSIDERATIONS
A chess "position" may be defined to include the following data: ...
(5) A statement of the number of moves made since the last pawn move
or capture. This is important because of the 50 move drawing rule.

For simplicity, we will ignore the rule of draw after three repetitions of a position.


Shannon machte sich also einen Kopf um die 50-Züge-Regel, ignorierte aber die
praktisch viel wichtigere Regel zur 3-fachen Stellungswiederholung.


Übrigens wurde Turing 1912 geboren, also vor genau 100 Jahren. Das Heinz-Nixdorf-
Museumsforum in Paderborn hat deshalb eine Sonderausstellung, in der es jeden
Monat einen anderen Schwerpunkt gibt.
http://www.hnf.de/Sonderausstellung/Foyerausstellungen/Turing/Turing.asp

Genau heute beginnt Abschnitt 4, der bis zum 6. Mai 2012 dauern soll.
"Von Turochamp bis Deep Blue"
http://www.hnf.de/Sonderausstellung/Foyerausstellungen/Turing/Etappe04.asp

Dort gibt es auch Original-Hardware aus den Wettkämpfen
zwischen Deep Blue und Kasparow zu sehen.

Ingo Althöfer.
Parent - By Ingo Althöfer Date 2012-04-13 06:30
[quote="Ingo Althöfer"]
Nach dem ausgetragenen Match habe ich noch einmal Shannon's Artikel von
1950 gelesen - und bin fast hinten rübergekippt. In Abschnitt 2 liest man

Zitat:

2. GENERAL CONSIDERATIONS
A chess "position" may be defined to include the following data: ...
(5) A statement of the number of moves made since the last pawn move
or capture. This is important because of the 50 move drawing rule.

For simplicity, we will ignore the rule of draw after three repetitions of a position.


Shannon machte sich also einen Kopf um die 50-Züge-Regel, ignorierte aber die
praktisch viel wichtigere Regel zur 3-fachen Stellungswiederholung.



Jetzt habe ich ein interessantes Interview mit Computerpionier Julian Bigelow gelesen.
Bigelow baute ab 1946 unter J.v. Neumann einen der ersten Computer und kannte auch
Shannon gut (aus der gemeinsamen Zeit bei N. Wiener). Damals war Speicherplatz der
Hauptengpass.

http://invention.smithsonian.org/downloads/fa_cohc_tr_bige710120.pdf

(a) Ein Zähler für die 50-Zug-Regel insgesamt braucht nur 7 Bit.

(b) Für das Speichern einer Schachstellung braucht man etwa 32 Byte (4 Bit pro Feld).
Also kostet eine Partie mit 100 Halbzügen 3200 Byte, was für damalige Verhältnisse eine
Riesenmenge war.

Mit "for simplicity" könnte Shannon das Vermeiden dieser Speichermenge
gemeint haben.

Ingo Althöfer.
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-15 18:36
Hallo,
jetzt bin ich in Besitz eines Chess Champion MK1 (aus dem Jahr 1978) gekommen
und habe die Kiste auf Stufe 4 gegen die Shannon-Engine (mit 15 Sekunden Bedenkzeit
pro Zug) antreten lassen. Ergebnis: der CC-MK-1 wurde vollkommen demontiert,
mit Matt im 16. Zug. Und das Novag-Urviech hat dabei eine Schau sondergleichen
abgezogen. Nach Shannons Zug 15. Sxe6+ hatte Schwarz nur die Auswahl zwischen
g6-g5 oder Kf6-f5. In beiden Fällen gibt es ein Matt in 1.

Nach über 8 Minuten Rechenzeit entschied sich der CC MK1 für Kf5, direkt gekontert
mit Shannons Matt durch 16.Df4. Den Zug gab ich in den MK1 ein, woraufhin sich die
Kiste weitere knapp 10 Minuten Zeit nahm, bis sie LOSE anzeigte!

Als ich dann noch in der Gebrauchs-Anleitung des MK1 zur "Energiespar-Anzeige" in
kritischen Stellungen las,  musste ich mich auf dem Boden kugeln vor Lachen.  Hier ist
ein zur Situation passender Screenshot:



Ingo Althöfer.
Parent - By Michael Scheidl Date 2012-04-15 19:02
Zitat:
jetzt bin ich in Besitz eines Chess Champion MK1 (aus dem Jahr 1978) gekommen

Das gleiche Gerät hatte ich 1978/79 auch. Das war pädagogisch ruinös! Man konnte damit den trügerischen Eindruck bekommen, selber eigentlich ganz gut Schach spielen zu können. Spätestens der Superconny ließ diese Träume platzen.

Der MK1 ist mir dann bald durchgebrannt... Also nicht davongelaufen sondern irgendwie zu heiß geworden.
Parent - - By Ingo Althöfer Date 2012-04-17 14:32
Hallo,

jetzt gibt es eine erweiterte Version des Berichtes online unter
http://www.althofer.de/shannon-turing-exhibition-match.pdf

Gegen den alten Chess Champion MK-1 gewinnt die Shannon Engine in der
Mehrzahl der Fälle, während Turing "nur" remis erreicht.

Gegen ChessTiger 15 (aus dem Jahr 2002) holen beide in der Regel remis,
wenn sie Damenvorgabe haben.
Dabei hat Shannon typischerweise Glück, dass der Tiger in Stellungen, in denen
er nur noch knapp schlechter steht, "trotzdem" remis durch Stellungswiederholung
anstrebt.

Rückmeldungen zur neuen Version des Berichts sind willkommen.

Ingo Althöfer.
Parent - - By Olaf Jenkner Date 2012-04-17 23:04
kurze Frage:
Inwieweit ist sichergestellt, daß die nachprogrammierten Engines tatsächlich genau die gleiche Programmlogik haben wie ihre Vorbilder? Immerhin wären Bugs denkbar.
Parent - By Ingo Althöfer Date 2012-04-18 10:12
Hallo, Herr Jenkner,

[quote="Olaf Jenkner"]
kurze Frage:
Inwieweit ist sichergestellt, daß die nachprogrammierten Engines tatsächlich genau die gleiche Programmlogik haben wie ihre Vorbilder? Immerhin wären Bugs denkbar.
[/quote]

das ist ein sehr guter Punkt.
Ideal wäre natürlich, wenn es - von anderen Personen - unabhängige
Programmierungen der Engines gäbe.  Da es die im Moment nicht gibt,
können wir da keine Tests machen.

Natürlich ist es nicht ganz so attraktiv, eine Sache zu programmieren,
die schon jemand anderes gemacht hat. Aber hilfreich wäre es.

Was ich sicher glaube, unabhängig von der Existenz kleinerer Programmier-
fehler: Beide Engines haben das Problem, dass sie keine Stellungswiederholungen
erkennen, was zu den häufigen "sub-optimalen" Remisschlüssen führt.
Das praktische Verhalten deutet auch darauf hin, dass Mathias Feist die
grobe Struktur der Bewert-Funktion (Differenz bei Shannon; Quotient bei Turing)
richtig umgesetzt hat.

Ingo Althöfer.
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