Benno Hartwig schrieb:
Immer wieder liest man mal so einen Satz.Aber soo besonders viel Ähnlichkeit zwischen Krieg und Schach kann ich gar nicht entdecken.
Es ist natürlich eine überhöhende Metapher, die gesellschaftshistorische, kulturgeschichtliche und psychologische Gründe hat.
Und sobald man "Krieg" durch "Aggression" ersetzt, wird mein Satz noch plausibler.
Schach war ja immer schon nicht einfach nur ein Spiel, oder nur Sport, oder nur Wissenschaft; Schach als hochgeistige Auseinandersetzung
war spätestens seit Goethes "Probierstein des Gehirns" ein Stellvertreter für eine Vielfalt von Aspekten.
Der Nimbus dieses Spiels ist wirklich singulär - und übrigens auch in den modernen Gesellschaften omnipräsent: Man denke nur an die zahllosen Spielfilme,
die mit Schach rein gar nichts zu tun haben, in denen das Spiel aber in irgend einer marginalen Einstellung präsent ist. Ein Liste dieser Filme wäre endlos.
Polithistorisch: Du kannst Stefan Zweigs "Schachnovelle" hernehmen, die mitten im 2. Weltkrieg als Aufstand gegen den Despotismus geschrieben wurde -
und von einer weltweiten Leserschaft auch so verstanden wurde.
Oder an das WM-Duell Fischer-Spasski, das den Kalten Krieg nicht auf dem Schlachtfeld, sondern (eben sublimiert) auf dem Schachbrett führte.
Um mal nur zwei Sachen herauszuklauben. Schon der alltägliche Sprachgebrauch weist darauf hin: "Geschickte Schachzüge" sind nicht nur in der Politik gang und gäbe.
Kulturgeschichtlich: Bezüglich der Herkunft des Schachs wird, wenn man den militärgeschichtlichen Ursprung des Schachs bzw. die Namensgebung seiner Figuren untersucht,
die Assoziation Schach&Krieg augenfällig. Zu erwähnen sind z.B. aus dem Sanskrit der "Gajah" (Kriegselefant), der "Ratha" (Streitwagen) oder der "Padati" (Fußsoldat).
Über die militärstrategischen Ursprünge des Schachs sind ja ganze Bibliotheken geschrieben worden.
Individualpsychologisch: Dazu hat Peter Martan schon Stichworte genannt. Aber wir müssen's gar nicht freudianisch angehen, sondern einfach die alltägliche Beobachtung hernehmen:
Ich kenne viele Leute, die können überall verlieren: Im Kartenspiel, im Sport, im zwischenmenschlichen Streit, einfach überall. Aber nicht im Schach! (Weshalb sie das Spiel dann
früher oder später an den Nagel hängen. Es ist eine zu unterträgliche Verletzung des eigenen Narzissmus...)
Denn der Verlust einer Schachpartie wird mit intellektueller Unterlegenheit gleichgesetzt, und diese wiederum mit der eigenen geistigen Zurückgebliebenheit - das schmerzt.
Die tiefere Ursache dafür vermuten die Psychologen darin, dass ich - im Gegensatz zu den zufälligen Widrigkeiten des Alltags - im Schach (das ja streng kausal ist)
niemand anderen für das Versagen, sondern nur mich verantwortlich machen kann.
Es gibt noch weitere Dimensionen des Spiels, die aber m.E. schier ins Esoterische abgleiten; z.B. die (durchaus von einigen ernsthaften Schachpsychologen vorgetrage) Hypothese,
dass beim Schachspielen sexuelle Komplexe sowie männliche Allmachtsphantasien sublimiert werden (Fine, Munzert, u.a.)
Übrigens darf man die Frauen, wenn's um das Thema "Schach und Sex" geht, nicht komplett rausnehmen (um wieder den Schwenk zum Thread-Titel zu schaffen) -
Guckst du hier:
https://www.welt.de/vermischtes/article942664/Schach-ist-wie-das-Liebesspiel.htmlGruss: Walter
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