Hallo Ulrich!
Auch ich musste mich erst an Michael Scheidls Stil gewöhnen, mittlerweile weiß ich aber besser als früher, wie er die Dinge meint, die er immer wieder mit verständlichen Ausdrücken benennt, an denen man höchstens hin und wieder kritisieren könnte, dass sie etwas zu deutlich und zu wenig diplomatisch gewählt sind.
Schnarchnase würde ich nicht gleich sagen, wenn einer so staubtrocken spielt, den Vergleich mit Botwinnik finde ich vor allem deshalb nicht so gut, weil der hat enorm viel für die Eröffnungstheorie getan.
Und ich persönlich messe die "Größe" eines Schachspielers hauptsächlich daran (oder ich rede mir halt ein oder versuche zumindest, es so zu sehen), was er für's Schach geleistet hat, und bleibend ist da immer nur, was sich in den Eröffnungsbüchern wenigstens eine Weile hält, oder worauf weiter aufgebaut wird, und sei es nur, dass es erst einmal widerlegt werden muss.
Und natürlich ist das für jeden Meister, der später in der vernetzten Datenbankära spielt, umso schwerer wirklich Neues zu finden und die vielen bekannten Varianten überhaupt noch memorieren zu können, was nützt es da selbst, in der Heimvorbereitung etwas zu entdekch, was im Leben ohne EDV- Unterstützung nicht im Turnier aufs Brett kommt.
Die Neuerungen in dieser WM kamen von Anand für mich und da lehne ich mich jetzt einfach auch mal kurz aus dem Fenster und dann in Ruhe zurück: ich werde den Teufel tun und aufzählen, was absolut neu war und was ich für bemerkenswert im Sinn von echter Neuerung halte, auch wenn's nur eine neue Zugumstellung gewesen sein mag, weil darüber hier zu diskutieren, tue ich mir sicher nicht an, erstens interessiert's eh keinen, und die, die's interessiert, diskutieren's hier sicher auch nicht, aus im Wesentlichen zwei direkt diametral entgegensätzlichen Gründen.
Aber so vermisse ich persönlich halt an Carlsen auch immer noch etwas die Kreativität, ich meine nicht die glanzvollen Opfer und das taktisch verwickelte Spiel, das muss immer auch der Gegner zulassen, und schöne Züge brauchen, um aufs Brett zu kommen, vorher schöne Fehler des Gegners. Dass er die Verwicklungen nicht sucht am Brett oder ihnen hin und wieder sogar aus dem Weg zu gehen scheint, das kann man ihm auch nicht verdenken, wenn's so gut funktioniert, weil die Gegner dann doch immer wieder früher den Fehler machen als er.
Das 19...Lg4 der Partie Nikolic-Fischer 1968 z.B., das gerade wieder im CCC einen langen thread gemacht hat, das ist ein Jahrhundertzug und für solche Züge wird man natürlich auch berühmt, vor Allem, wenn's eben nicht einmal nur vereinzelte sind.
Weltmeister wie Fischer hat's nicht viele gegeben, leider sind es oft gerade solche Typen, sag ich jetzt auch mal ungeniert, die als Menschen einen an der Klatsche haben, als zweites Beispiel fällt mir Aljechin ein, der politisch und im übrigen Sozialleben auch nicht gerade leicht verdaulich gewesen sein dürfte.
Wie sehr ein Schachgenie imstande ist, die Monomanie im übrigen Leben unterzubringen, ohne allzusehr anzuecken, ist wohl eine Sonderbegabung, die kaum etwas mit der an und für sich sehr abgehobenen Sonderbegabung Schach zu tun haben dürfte.
Anand ist für mich aber eben noch dazu ein Gentleman unter den Schachgenies, ich zähle ihn einfach auch zu denen um sicher zu sein, nicht eines mehr, dass ich sowieso als solches nicht erfassen kann, zu verkennen, es wird wahrscheinlich ohnehin einige mehr geben, als ich überhaupt wahrnehme.
In der letzten Partie das ...b5 nach dieser Behandlung der Berliner Mauer zum momentanen Theoriestand macht ihn für mich schon unvergesslich, selbst wenn er ab jetzt nicht mehr viel fürs weitere Schach mehr leisten sollte, da war schon so viel vorher, dass er seinen Plätzchen auf einem Podestchen gut hat, Carlsen ist für mich vergleichsweise erst mal immer noch in erster Linie eines: jung.
Aber das ist für einen bereits zum zweiten Mal amtierenden Weltmeister auch schon ganz schön und es gibt ihm immerhin noch eines, einer der ganz großen zu werden: Gelegenheit.
Und wenn man seinen Stil nicht soo mag, heißt das natürlich noch überhaupt nichts, ökonomisch spielen ist schon auch sehr viel wert, mit Centovic würde ich ihn schon deshalb nicht vergleichen, weil ihm dazu (ich betone aber neuerlich, dass ich das nicht wirklich beurteilen kann) die Sonderbegabung fürs Schach zu fehlen scheint, die ihn zu einem echten Sonderling im realen Leben machte.
Macht auch absolut nix, dafür, dass er sich auch sonst so gut vermarktet, was man ihm durchaus auch gönnen sollte, ist er eigentlich am Brett ohnehin auch immer noch besonders genug, er hat schon auch seine Stärken, für die ihm durchaus auch Bewunderung gebührt.
Es ist eine reine Frage der Empathie, wer von diesen allesamt sehr eigenen Persönlichkeiten und ganz besonderen Schachspielern einem noch etwas mehr gefällt als die anderen, wie man ja auch von verschiedener Seite in verschiedenen threads lesen konnte.
Ich hoffe auf diese meine Weise wieder etwas wie ein Gegengewicht zu Michaels Schnarchnase geleistet zu haben, rein so an Ausgewogenheit, eigentlich finde ich aber, wenn ich das jetzt wieder so sehe, was mir da so rein quantitativ wieder alles passiert ist, damit ich nur ja nichts sage, was man mir allzu sehr ankreiden könnte, umso besser finde ich den Ausdruck als solchen, um nämlich in Kürze einer persönlichen subjektiven Ansicht Ausdruck zu verleihen, ich meine natürlich nur, wenn man nämlich damit das meint, wovon ich meine, dass Michael es gemeint haben könnte.