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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Entwicklungsbericht des neues SALC-Eröffnungssets
- - By Stefan Pohl Date 2017-11-01 18:21
Hallo,

Wie ich hier ja berichtet hatte, habe ich für meine SALC-Eröffnungen weitere Filterkriterien entwickelt, um Stellungen auszusieben, bei denen die Gefahr besteht, daß schon zu Partiebeginn schnell viel Material getauscht wird. Was dann ebenso schnell in remisliche Endspiele führt, die von heutigen Top-Engines praktisch fehlerfrei, aber eben auch langweilig, heruntergespielt werden. Und das Ziel der SALC-Eröffnungen ist ja bekanntlich, signifikant weniger Remisen und mehr spektakuläre Partien aufs Brett zu bringen.
Diese neuen Filter-Kriterien waren im Wesentlichen, daß mindestens eine der beiden Zentrumslinien (d,e) komplett geschlossen sein muß (ein weißer und ein schwarzer Bauer), und daß im Zentrum keine direkten Bauernschlagzüge möglich sein sollen (kein weißer Bauer auf e4, falls schwarzer Bauer auf d5 und kein weißer Bauer auf d4, falls schwarzer Bauer auf e5).
Diese halb-geschlossenen SALC-Stellungen konnten in einem Testrun die Remisqoute gegenüber den “normalen“ SALC-Stellungen nochmals deutlich absenken (48.8% Remisen, statt 53.9% (zum Vergleich: Ein Standard Eröffnungsset aus dem Stockfish-Framework produzierte unter identischen Bedingungen 63.4% Remisen(!)). Die genauen Testergebnisse findet man auf meiner Website unter “Experiments“.
Aufgrund dieses beeindruckenden Ergebnisses hatte ich mich entschlossen, ein völlig neues SALC-Eröffnungsset (plus Büchern) zu erstellen, welches auf diesen zusätzlichen Auswahlkriterien basieren soll.
Dazu habe ich neben 6 Millionen Menschpartien aus der BigDatabase noch 4.5 Millionen Enginepartien (CEGT, Frank Quisinsky) gefiltert. Und zudem eine auf 11 Züge erhöhte Variantentiefe (SALC war bisher 10 Vollzüge tief) genutzt. Diese Maßnahmen erlauben es, die Filterkriterien nochmals zu “verschärfen“ und dennoch genügend Stellungen zu bekommen, um ein ausreichend großes Eröffnungsbuch zu erstellen. Im Moment laufen auf mehreren Rechner die Analysen mit Komodo, um ganz schlechte Varianten auszufiltern. Ich hoffe, schlußendlich 25000-30000 Varianten (ohne Dubletten!) zu erhalten. Was bei 10.5 Millionen Partien als Ausgangs-Datenmaterial nicht eben viel ist (um die 0.25%)...
Interessant auch für andere Entwickler von Büchern und Eröffnungsets könnten aber meine neuen Filterkriterien sein, die sich auch bei nicht-SALC Stellungen auf Eröffnungsstellungen anwenden lassen und (hoffentlich) auch dort dann für weniger Remisen sorgen werden, weil die Gefahr reduziert wird, daß Partien schnell Richtung Endspiel verflachen. Daher möchte ich sie hier mal posten - alle Filterkriterien müssen ausschließlich in der Endstellung der jeweiligen Eröffnungsvariante erfüllt sein! Kriterium 1 filtert SALC-Stellungen, dieses Kriterium entfällt somit beim Filtern anderer Eröffnungssets!

1) Rochaden von Weiß und Schwarz auf gegenüberliegende Flügel (=SALC (Short and Long Castling))
2) beide Damen noch auf dem Brett
3) keine weißen Figuren auf den Reihen 6-8, keine schwarzen Figuren auf den Reihen 1-3. (Wenn Figuren schon so weit im gegnerischen Lager stehen, ist das m.E. keine Eröffnungsstellung mehr und es gibt meistens schon relativ forcierte Zugfolgen, die die Engines spielen müssen)
4) Von der d- und e-Linie muß mindestens eine komplett geschlossen sein (ein weißer und ein schwarzer Bauer sind vorhanden) und die andere darf maximal halboffen sein (mindestens ein Bauer ist vorhanden).
5) Bauernschlagzüge ins Zentrum sind nicht möglich:
a) nicht gleichzeitig weißer Bauer auf d3, und schwarzer Bauer auf e4
b) nicht gleichzeitig weißer Bauer auf e3, und schwarzer Bauer auf d4
c) nicht gleichzeitig weißer Bauer auf d4, und schwarzer Bauer auf e5
d) nicht gleichzeitig weißer Bauer auf e4, und schwarzer Bauer auf d5
e) nicht gleichzeitig weißer Bauer auf d5, und schwarzer Bauer auf e6
f) nicht gleichzeitig weißer Bauer auf e5, und schwarzer Bauer auf d6

Dazu muß ich anmerken, daß es bei sehr flachen, kurzen Eröffnungsvarianten (5-6 Züge oder ähnlich) wahrscheinlich nicht viel bringen wird, diese Filterkriterien anzuwenden. Ca. 8 Züge tief sollten Varianten mindestens sein, meine ich. Aber das müßte man ggf. mal testen. Meine neuen SALC-Stellungen sind alle 11 Vollzüge tief, hier sind diese Kriterien sehr hilfreich!
Wenn alle Rechner absturzfrei durchlaufen, hoffe ich, ca. Anfang Dezember meine neuen SALC V4+ (“+“ steht für die stark erweiterten Filterkriterien, gegenüber älteren SALC-Sets (dort galten nur die Kriterien 1 und 2)) Stellungen und Bücher veröffentlichen zu können. Diese Angabe ist natürlich ohne Gewähr. Aber diese neue SALC-Stellungen sind dann ein ganz erheblicher Fortschritt gegenüber den Vorläufern, denn sie senken die Remisqoute nochmals erheblich ab!

Stefan (SPCC)
Parent - By Frank Quisinsky Date 2017-11-01 23:10 Edited 2017-11-01 23:24
Hallo Stefan,

bist Dir ja wirklich immer mehr Kriterien am überlegen um Remis zu umgehen.
Wünschte nur ich hätte derzeit mehr Zeit für Schach um Klaus besser zu unterstützen.

Hänge total hinterher beim aussortieren aus der Datenbank mit Zugumstellungen beim FEOBOS Buch (beruflich zu stark ausgelastet).

Also, grundsätzlich prima das Du dir Gedanken machst und die SALC Stellungen immer mehr in die gewünschte Richtung verbesserst. Bin dann mal gespannt wenn bei Dir alles fertig ist, ob die Remisquoten weiter runter gehen. Von der Logik her sollte das passen bzw. sollte es so sein (kann also Deine Überlegungen nachvollziehen).

Grundsätzlich ist das auch alles richtig. Ich meine, dass durch die Eröffnungssysteme die Remisquoten maßgeblich beeinflusst werden. Ich sehe das ganz genau so. Auch das die Programme auf sehr hohem Niveau die Endspiele sicherlich schon fast nahe der Perfektion spielen.

Habe mich ja mit dem Thema sehr intensiv beschäftigt und denke, dass durch Optimierung der Bauernstrukturen im Mittelspiel die Spielstärken von Programmen weiter nach oben getrieben werden können. Das ist leicht zu erkennen, wenn Gewinn Partien auf sehr hohem Niveau nachgespielt werden (im Zeitraffer) ohne Springer, Läufer, Turm, Dame auf dem Brett ... wir also lediglich die Partien nachspielen und auf Bauernstrukturen achten, wann dann entschieden wird. In fast 80% der Partien entscheiden Bauernstrukturen den Partieausgang. Habe damit sehr viel experimentiert und komme eigentlich immer zu gleichen dieser Ergebnisse. Sind es nicht die Bauerstrukturen die Vorteile bringen, sind es taktische Pointen die sofort entscheiden bzw. dann der ausgenutzte Fehler.

Von daher ist meist entscheidend, wie die Bauernstrukturen ausschauen wenn aus dem Buch entlassen wird. Stellen wir fest das einige ECO Codes sehr remislich sind, stellen wir fest das andere total unklar und offen sind. Wahrscheinlich könnten wir auch die Remisquoten senken, wenn die remislichen ECO Codes entfernt werden. Kann leicht mit den Datenbanken untersucht werden die bestehen (z. B. FCP Rating Liste).

Hatte hierzu schon öfters in verschiedenen Beiträgen geschrieben.

Nur, die Kombinationsmöglichkeiten bei den Bauernstrukturen ist sehr groß. Das macht die Sache kompliziert. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass in vielen Jahren die Sortierung der ECO Codes nach A00-E99 ersetzt werden durch eine moderne Methode und hier dann wirklich nach Bauernstrukturen in 80% aller Fälle sortiert werden muss. Für mich irgendwie logisch, dass dies langfristig irgend wann mal passieren wird, dafür muss ich auch kein Hellseher sein weil das einfach zu klar ist bzw. immer klarer wird je stärker die Engines werden (leichter zu sehen).

SALC hat also im Unterschied zu FEOBOS ganz andere Schwerpunkte (schon gleiche Zuglänge etc..). Sind sehr viele Unterschiede zwischen den Sammlungen. Wir wollen ja alle ECO Codes abdecken und das nur 3 Züge nach ECO Code Bildung. Versuchen alles was irgend geht dann in der Datenbank zu haben wenn 10 unterschiedlich spielende Engines sagen ... Stellung ist OK. Natürlich produzieren wir dann höhere Remisquoten als bei einem Buch welches so extrem auf Remisvermeidung getunt wird.

Tja, die Zeiten ändern sich.
Buchoptimierung im Wandel der Zeit aufgrund immer stärker werdender Engines.
Einige interessante Ideen gibt es und bestehende Bücher die Jahrzehnte genutzt werden stehen am Pranger weil von Menschenhand geschaffen und einfach zu viele Fehler drin sind.

Das alles ist ein Ergebnis von 3.500 Elo auf vielen Cores heutiger Engines.
Klar das Bücher aus der Computerschachvergangenheit den Maßstab für immer stärker werdende Engines dann irgend wann nicht mehr erfüllen.

PS: Prüfe z. B. sehr gerne geschriebene Fachbücher mit FEOBOS. In fast jedem Buch was ich dann in der Hand halte finde ich erschreckende Fehlereinschätzungen wenn ich die Engine Analysen sehe. Nur selten ist es so, dass wenn 10 Engine Analysen vorliegen dann ein vorgeschlagener Zug in einem geschriebenen Buch zu finden ist, der vielleicht wirklich von einer Engine übersehen wurde. Eher ist es so, dass ein vorgeschlagener Zug den Engine Analysen nicht stand hält bzw. die Engines den in der Luft zerreißen.

So langsam kommt also der Zeitpunkt da wird Eröffnungstheorie mit Engine Unterstützung neu geschrieben.
Dennoch, es gibt Eröffnungsbücher die sind vor 30 Jahren oder älter geschrieben worden die auf einem kaum zu glaubenden sehr hohem Niveau stehen.
Viele andere sind ... na ja ... zumindest wenn ich mir das alles bei Skandinavisch ansehe, die Eröffnung wo ich sämtliche Bücher schon 3x gelesen haben, die Eröffnung sehr gut kenne und dann alles mit Engine Analyse Vergleiche.

Wobei Skandinavisch ja auch nur eine von vielen ist und generell mal beliebt dann wieder unbeliebt in der Vergangenheit war. Die skandinavischen Bauerstrukturen als schwarzer sind generell hervorragend ... insofern denke ich eine Eröffnung die zu Recht nur immer beliebter werden kann.

Gruß
Frank

PS: Nun beschäftigst Du Dich ja sehr intensiv mit dem Thema Remis vermeiden. Hast auch schon unzählige Engine Partien gesehen. Vielleicht verstehst Du dann auch besser meine Denke das Eng-Eng immer uninteressanter wird wenn sich immer mehr Partien wenn überhaupt im Übergang zum Endspiel wegen meist sehr kleinen herausgespielten Vorteilen entscheiden. Das Salz in der Suppe beim Computerschach ab Elo 2.800 oder höher liegt ganz klar in der Partiephase davor. Für Menschen viel spannender zu beobachten weil mehr Dramatik. Also die Phase nach der Eröffnung (lassen wir die Eröffnungen mal weg die schnell ins Endspiel abwickeln). Ich denke das wenn irgend etwas neues an Ratinglisten aufgebaut wird nur diese Partiephase heute noch interessant ist. Alles andere langweilt mich zu Tode weil ich das nicht zum hunderttausendsten Mal auf dem Brett haben muss. Außerdem lassen sich aus dem Mittelspiel viel spannendere Analysepositionen erstellen.
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