Hallo Frank,
das sind ganz viele Aussagen.
Fangen wir damit an.
Zitat:
ich glaube nach wie vor nicht, das wir Computerschach Elo mit Menschen Elo vergleichen können.
Damit hast du absolut Recht. Ich habe an einer anderen Stelle sinngemäß geschrieben: derjenige, der eine Überleitungsformel zwischen Computer-Elo und GM Elo erfinden würde, sollte einen Nobelpreis bekommen.
Wenn man den Verlauf der Partie in ihre typischen 3 Phasen aufteilt, dann aus natürlichen Gründen, Eingrenzung des Suchbaums, muß die Spielstärke am Stärksten im Endspiel zulegen. Insofern stimme ich mit dir überein.
Die Stärke der Programme ist in ihrer Eröffnungsphase dann gar nicht einzuschätzen, wenn sich diese aus der Eröffnungsdatenbanken bedienen.
Einen ersten Hinweis auf die "schöpferische" Kraft der Computer habe ich 1996 in dem Match Kasparov gegen Deep Blue bekommen. In einem der Spiele ist ein Fehler passiert, so dass die Verbindung zur Datenbank unterbrochen wurde. Der Computer hat eine Eröffnungsvariante errechnet, die durch Ivantchuk eingeführt wurde und aus der Kasparov nicht wirklich Vorteile schöpfen konnte. Nach meiner Erinnerung hat er das Spiel zwar gewonnen, aber eher durch Ungenauigkeiten aus dem Endspiel resultierend.
Inzwischen sind wir fast 20 Jahre weiter. Ich bin fest davon überzeugt, das die heutigen Computer locker in der Eröffnung mit dem GM mithalten können und demnach der Zugriff auf die Eröffnungsdatenbank kein spielentscheidender Faktor mehr ist.
Wie sieht es im Mittelspiel aus? Hier sind die Chancen insofern für beide Seiten fair verteilt, als jede Seite keine Hilfsmittel zu Rate ziehen kann.
Eines vorweg. Ich verfüge bei weitem nicht über deine Erfahrung. Meine Faszination für das Hobby beschränkt sich auf bestimmte Stellungen, Problemschach, die ich aus Büchern oder Internet aufschnappe und von den Kommentaren dazu eingefangen werde. Für mehr habe ich keine Zeit.
Zu Computerschach bin ich allerdings schon in den 80-ern gekommen. Es gab eine Sendung von Helmuth Pfleger, der die einzelnen Partien aus dem Weltmeisterschaftskampf zwischen Karpov und Kasparov (später im Duett mit Vlastimil Hort) analysiert hat. Auf dem Tisch ein Schachcomputer von H&G und ein dezenter Hinweis vom GM "der hat diesen feinsinnigen Zug gefunden". Später habe ich gelesen, Pfleger stand bei dieser Firma unter Vertrag.
Ich möchte hier nicht in alten Erinnerungen schwelgen. Meine Aussage ist die: es gab Zeiten, in denen wir nach Stellungen von GM gesucht haben und uns gefreut haben, wenn es welche gab, die die Computer dem GM nachmachen konnten.
Heute suchen wir nach Stellungen der GM, die die Computer noch nicht lösen können und finden praktisch keine mehr. Vielfach gibt es in der Stellung sogar andere Züge, die konsequenter zum Gewinn der Partie führen (aber vielleicht nicht so schön sind)
Das ist für mich der Punkt, dass ich sage, der Zug ist, soweit wir an das Turnierschach denken, längst abgefahren. Die Akzentuierung auf die einzelnen Partiephasen interessiert MICH dabei nicht, es zählt allein das Ergebnis.
Spielst du im Verein? Da gibt es nämlich Kollegen, die es nötig haben, wenn diese verlieren, auf die Qualität der Partie zu verweisen. Vlastimil Hort habe ich schon erwähnt. Sein wohl bekanntester Spruch ist "Matt ist Matt!"
Ich gebe mich damit als Bewertungskriterium zufrieden.
Dass die Fehler bei Menschen anders entstehen, steht ebenfalls außer Frage. Typisch für Computer ist, dass es im menschlichen Sinne gar keine Fehler sind, sondern Ungenauigkeiten, die kumuliert zum Verlust der Partie Computer gegen Computer führen.
Der Mensch steht verdattert da und fragt sich, wo der Fehler passiert ist. Damit äußert sich schon unser Problem im Verständnis. Die bei den GM übliche Fragestellung, wann war die Partie tatsächlich verloren, hat bei den Computern nur eine theoretische Bedeutung. Oder möchte jemand von uns ernsthaft die 40 Zügigen Varianten durchgehen, um das mit absoluter Sicherheit sagen zu können? Weihnachten sehen wir uns wieder!
Und abschliessend noch etwas zum Fernschach. Wie gesagt, wir sind damit noch nicht durch. Ich habe mehrmals davon gelesen, dass die Fernschachspieler die Benutzung von Schachcomputern als DIE Voraussetzung ansehen, um in einem Fernschachturnier bestehen zu können. Zu dieser Aussage gibt es allerhand Interpretationsmöglichkeiten. Insbesondere dann, wenn die Spieler mit Rechnerboliden ausgestattet sind. Meine Meinung dazu kennst du schon.
Gruß
Marcus Jansen