Not logged inCSS-Forum
Forum CSS-Online Help Search Login
CSS-Shop Impressum Datenschutz
Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Gewalt in der Sprache in einem Problemschachbuch
- - By Krug Peter Date 2015-01-25 22:00
Hallo Leute,

Betrifft: Asymmetrie

meiner Meinung nach haben die Deutschen wie auch die Österreicher keine Sprachsensibiltät.
So jedenfalls habe ich den Eindruck nach einem Schachproblembuch von Michael Schlosser und Martin Minski.

Das Lesen ist mir dabei gründlich vergangen, weil die Mordsprache sich wie ein roter Faden durchzieht.
Auch wenn es sich hier um Kunstschach handelt, muss es doch möglich sein, sich anders auszudrücken.

...und wie passt den Schönheitssinn und Kunstsinn mit einem solchem Sprachgebrauch zusammen?

Hier ein Beispiel:

mate in 3



[Event "?"]
[Site "?"]
[Date "????.??.??"]
[Round "?"]
[White "Herbert Hultberg"]
[Black ""]
[Result "1-0"]
[SetUp "1"]
[FEN "8/4K3/1P1NpN1P/2P1k1P1/1pp3pp/4P3/3ppp2/3rqr2 w - - 0 1"]
[PlyCount "5"]

1. Kd7 (1. Kf7 $2 Ra1 2. Kg6 Qb1+) 1... Ra1 2. Kc6 Rg1
3. Nd7# 1-0

Darunter wird geschrieben:

"Der weiße Monarch schnürt seinem Kontrahenten höchst persönlich die Kehle zu, indem er sich in fast aufrezend gemächlichen Schritten von linkas an sein
hilfloses Opfer heranpirscht. Den Rest erledigt der rechte Schimmel, der mit beiden Hinterhufen auszuschlagen droht. Die schwerfälligen Türme können
beide Mord-Drohungen nicht gleichzeitig parieren."

Und so weiter.

Sicherlich werden viele lachen, weil mich derartiges stört, aber die Sprache zieht sich wie gesagt durch das halbe Buch.
Sensibel ist das meiner Meinung nach nicht.

Aber sind den Schachspieler, oder Schachkomponisten überhaupt sensibel?
Ich glaube - in der Regel - NICHT.

Das Buch beschäftigt sich mit Asymmetrieaufgaben in Studien, orthodoxen Mattaufgaben, Selbstmatts und Hilfsmatts sowie mit Märchenschachaufgaben.
Nebenbei:
Die Hilfmattaufgaben finde ich schöner als die orthodoxen Mattaufgaben.
Für das Märchenschach habe ich leider bisher nicht den Zugang finden können.

Schönen Abend

   Peter Krug
Parent - By Joe Boden Date 2015-01-25 22:43
Schön Peter, dass Du wieder hier schreibst.

Zur Sache:

natürlich verrät der Sprachgebrauch eines Menschen sehr viel über seine "innere" Welt. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass Schach ursprünglich ein Kriegsspiel war. Nimm es also nicht allzu persönlich und lass Dich nicht davon abschrecken, wenn das Buch ansonsten Deinen Vorstellungen entspricht.

Vielleicht ist der Autor ein Mensch mit wenig Gestaltungsmöglichkeiten. Mit seiner Sprache versucht er vielleicht etwas zu kompensieren..das könnte sogar Mitgefühl in einem so sensiblen Menschen wie Dir hervorrufen?
Parent - - By Olaf Jenkner Date 2015-01-25 23:54
Auch ich muß immer wieder Tränen vergießen, wenn ich sehe,
daß am Schluß einer Studie der König exekutiert wird.
Deshalb schaue ich mir seit langem nur noch Remisstudien an.
Hier wird heldenhaft ums Überleben gekämpft und am Ende
wird alles gut.
Am meisten aber liebe ich Hilfsmatts, im Russischen
"kooperativnye maty" genannt. Hier fleht ein lebensmüder
König um Sterbehilfe, und nur unter größten gemeinsamen
Anstrengungen wird das Ziel erreicht.
Parent - By Peter Martan Date 2015-01-26 08:51
Parent - By Martin Minski Date 2015-01-26 00:00 Upvotes 2
Guten Abend Peter,

im Juni 2013 verschenkten Michael Schlosser und ich etwa 200 Bücher unseres damals neu erschienenen Buches "ASymmetrie".
Du hast auch ein Exemplar erhalten, weil Du auf meiner Freundesliste gestanden hast.
Unser Ziel war ausschließlich, allen problemschachinteressierten Freunden eine Freude zu machen.

Über Deine heutige Reaktion bin ich schokiert.

Wenn ich mich recht erinnere, stammt der von Dir zitierte Text aus meiner Feder.
Allerdings hast Du nur etwa die Hälfte zitiert, was zu dieser Aufgabe B31 von Herbert Hultberg aus dem Jahre 1939 auf S.67 unseres Buches steht.
Weiter heißt es:
"Die Hauptpointe besteht jedoch in der feinen Widerlegung der thematischen Verführung: Der Wanderkönig darf nämlich nicht den rechten Pfad wählen, sonst erhält er postwendend von der schwarzen Dame eine Abmahnung aus Bristol.  Kombination aus Asymmetrie und Bahnung, vom jungen Schweden (1910-1995) humorvoll und skurril aufs Brett gezaubert."

Michael Schlosser und ich haben großen Wert auf unsere Kommentare gelegt, "die wir mit zahlreichen Zitaten aus Fachartikeln und Büchern, mit zeitgenössischen Lösermeinungen, mit Kommentaren des Preisrichters oder sogar mit Bemerkungen der Komponisten selbst anreicherten. Bewusst wählten wir keinen einheitlichen Sprachstil, sondern kommentierten einmal fachlich nüchtern und ein anderes Mal eher humorvoll. Der Leser sollte beim Umblättern nicht ahnen, was ihn auf der nächsten Steie erwartet, und auf sachlich unterhaltsame Art auf seine Kosten kommen." (Zitat aus unserem Vorwort).

Deine Behauptung, dass sich "die Mordsprache wie ein roter Faden durchzieht", kann ich nicht bestätigen.
Ich denke, wir haben, wie es auch andere renommierte Schach-Kommentatoren tun, nur gelegentlich solche Metapher benutzt.
Auf keinen Fall wollten wir damit solche negativen Reaktionen auslösen.

Dass Du uns Unsensibilität unterstellst, ist Dein gutes Recht auf freie Meinungsäußerung.
Deine Schlussfolgerung, dass Schachspieler, insbesondere Schachkomponisten "in der Regel" unsensibel seien, halte ich für gewagt.
Ich denke, unter Schachspielern gibt es wie in anderen Gruppierungen solche und solche.

Ich stehe in der Öffentlichkeit, weil ich regelmäßig Schachprobleme, insbesondere Studien, kommentiere und muss mit solchen negativen Feedbacks leben.
Meine Freundin hält mich übrigens für sensibel genug, und das ist - mit Verlaub - die für mich ausschlaggebende Meinung.

"ASymmetrie" ist kein Buch, das man chronologisch lesen muss, sondern man darf sich das herauspicken, was einem gefällt und das überblättern, was einem nicht so genehm ist.
In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern vor allem Vergnügen bei der Lektüre!

Mit freundlichen Grüßen

Martin Minski
Parent - - By Michael Bechmann Date 2015-01-26 05:00 Edited 2015-01-26 05:46
Es ist nur noch in historischen Ansätzen zu erklären, wie die Figuren zu ihren Bezeichnungen kommen.

So ist etwa nicht klar, warum ein Springer als Pferdekopfform dargestellt ist. Kein Pferd einen Schritt gerade aus und einen weiteren Schritt schräg nach vorn läuft wenn es nicht gerade vom Veitstanz befallen ist und springt auch normalerweise nicht. Keiner hat je einen Turm irgendwohin laufen sehen. Im Gegenteil - auch im Altertum war ein Turm schon ein massives Gebäude, das als solches definitiv nirgendwo sich hinbewegt.
Warum ein Läufer (was auch immer das eigentlich sein soll) nur schräg läuft ist ebenfalls nicht erklärbar.
In der englischen Entsprechung ist das ein Bischof - es wäre zu erforschen, warum eigentlich ausgerechnet die ausgefallene Idee, diese Figur als Bischof bezeichnet wird. Ein Bischof läuft (wenn er überhaupt selber läuft - soweit ich weiß wird ein Bischof gefahren) jedenfalls auch nicht ausschließlich schräg oder nur auf einer zugewiesener Farbe (weiß oder schwarz) des Bodens.

Es ist also nicht einmal eine indirekte Assoziation zwischen den Zugregeln und den Figuren abzuleiten.

Einer der in seiner Zeit (Mitte des 19. Jh.) stärksten Spieler, Howard Staunton hat festgelegt wie die Figuren heißen und wie sie standardmäßig auszusehen sind und daran hat man bisher nichts geändert. Es wäre auch schwierig, neue Figuren festzulegen, obwohl man zahlreiche Phantasie-Schachsets in allen denkbaren Figuren kaufen kann. Aber im Turnier sind die allesamt nicht zulässig sondern ausschließlich die Staunton-Figuren müssen benutzt werden.

eigene Idee (zur Ergänzung zu den Phantasiefiguren):
Die Schachfiguren könnte man zwecks Unterscheidung durch neutrale geometrische Objekte ersetzen: Zylinder (Läufer), Quader (Turm), eine Kugel auf einen Fuß (Springer),  Pyramide (für den König, erinnert an den Pharao aus Ägypten), dreiseitiges Prisma (Dame)
und kleine Kegel für die Bauern. Die Schachregeln würden dadurch nicht geändert.
Für Computerberechnungen sind die Formen ohnehin völlig gleichgültig, weil gar nicht vorhanden: Kein Schachprogramm berücksichtigt in ihren Algorithmen die Ausgestaltung irgendwelcher Figuren sondern nur abstrakte Zugregeln und die Bewertungen der damit ausgeführten Züge.

Würden dann z.B. auf aufgeständerten kleinen Kugeln auf b1,g1,b8,g8 stehen würde kein Kommentator solchen Hinriss wie etwa "Den Rest erledigt der rechte Schimmel, der mit beiden Hinterhufen auszuschlagen droht." kommen.

>"die Mordsprache wie ein roter Faden durchzieht"...


Letzlich ist Schach (insbesondere durch Computer) angewandte Mathematik und daraus abgeleitete Algorithmen, also ganz nüchterne Berechnungen. Es ist daher gar keinen Anlass solche Kommentare und Denkweisen im Schach einzuführen, denn Schach ist kein Kriminalfall der gelöst werden soll und auch keine Horrorgeschichte sondern eben trockene emotionslose Mathematik.
Somit kann man den "Mordprache wie ein roten Faden" ggf. der Stellung entsprechend ganz nüchtern mit "Matt in 12 Zügen" ersetzen.

Ich will doch nochmal das ganze Zitat herabwürdigen:

Zitat:
"Der weiße Monarch schnürt seinem Kontrahenten höchst persönlich die Kehle zu, indem er sich in fast aufrezend gemächlichen Schritten von linkas an sein
hilfloses Opfer heranpirscht. Den Rest erledigt der rechte Schimmel, der mit beiden Hinterhufen auszuschlagen droht. Die schwerfälligen Türme können
beide Mord-Drohungen nicht gleichzeitig parieren."


Das ist nur ein Anzeichen auf Wirkung von bewusstseinserweiternden Substanzen aber nicht auf einen Kommentar eines ernsthaften Schachspielers. Letzterer hätte wissen müssen, dass es im Schach keine ausschlagenden Hinterhufen gibt.
Parent - By Michael Bechmann Date 2015-02-07 23:25 Edited 2015-02-07 23:28
Etwa dieses Design - habe ich gerade zufällig im Internet gefunden.

Eine Vase als Läufer, ein Schneckenhaus für Springer und die beschriebenen Kugeln als Bauer.

http://www.mobygames.com/images/shots/l/234354-the-chessmaster-3000-windows-3-x-screenshot-there-are-several.jpg

Damit könnte ich mich anfreunden. Die Schachregeln werden dabei natürlich nicht geändert.
Parent - - By Benno Hartwig Date 2015-01-26 07:42

> Sicherlich werden viele lachen, weil mich derartiges stört, aber die Sprache zieht sich wie gesagt durch das halbe Buch.
> Sensibel ist das meiner Meinung nach nicht.


Vielleicht nicht sensibel (warum auch sensibel?), dafür aber sehr bildhaft.
Ob man das sachlich-nüchterne liebt oder mehr die in dieser oder eben jener Richtung phantasievollere Sprache und Wortwahl, ist halt jedem selbst überlassen. Und das ist doch auch gut so.
Die von dir genannten Beispiele stören mich überhaupt nicht, erscheinen mir ggf. sogar unterhalten.
Gleichwohl gebe ich damit keinen Freibrief für alles: Es gibt sicher Themen und Formulierungen, wo auch für mich eine Grenze überschrittten wäre.
(BTW: "Das Leben des Brian" gefällt mir z.B. überhaupt nicht, obwohl ich auch begeisterte Stimmen über diesen Film hörte.)

Benno
Parent - By Peter Martan Date 2015-01-26 08:50
Benno Hartwig schrieb:

(BTW: "Das Leben des Brian" gefällt mir z.B. überhaupt nicht, obwohl ich auch begeisterte Stimmen über diesen Film hörte.)


Naja, ein krasses Gegenbeispiel für Leute, deren religiöse Gefühle da natürlich schon leicht verletzt werden könnten, je nachdem wieviel Humor in wessen Religion Platz hat und wie ernst man die heitere Kunst nimmt. (Ernst ist das Leben und heiter die Kunst, und nass sind die Steine, wenn man drauf Brunnenwasser gießt.)
Eine blumige Sprache in einer ansonsten so nüchternen Sache wie dem Schach (abgesehen von natürlich Kriegsspiel, und ums Gewinnen geht's allemal, Killerinstinkt und Terriorialtrieb pur ), insbesondere wenn's ja ganz offenbar witzig gemeint ist, sollte man einem Autor schon auch gönnen, er will ja unterhalten und nicht bloß abhandeln. Ich finde Martin Minski hat das durchaus auch verständlich gemacht in seinem posting. Ich glaube, ich sollte das Buch lesen, um wirklich mitreden zu können, so aus dem Zusammenhang gerissen sind Zitate immer fraglich.

P.S. In der Hoffnung hier dadurch jetzt auch niemanden zu kränken, ich persönlich finde auch "Das Leben des Brian" ziemlich urkomisch Großteils, gebe aber zu, dass das schon ein Humor ist, den man sicher nicht erwarten kann mit Allen zu teilen.
- By 2phil4u Date 2015-01-27 20:17
Wie kann man sich über so was aufregen.
Es ist doch eher belustigend, wenn von Mord und Totschlag in einem doch recht statischen Spiel die Rede ist, der Vergleich mit einer wirklichen Schlacht ruft in mir nur ein Schmunzeln  hervor.
Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Gewalt in der Sprache in einem Problemschachbuch

Powered by mwForum 2.29.3 © 1999-2014 Markus Wichitill