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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / der frieden in der schachkomposition
- - By Peter Krug Date 2012-12-29 11:29
hallo liebe leute,

jedenfalls einen schönen und nachdenkenswürdigen Beitrag zum jahresausklang hat gerhard josten auf seiner homepage veröffentlicht.
da gerhard josten beeindruckende energie in die schach -studienkomposition steckte, auch wenn es nur 10 jahren waren,

finde ich es wichtig, dass diese nicht nur komponisten lesen, sondern auch größere schachkreise davon erfahren!

ich hoffe, dass möglichst viele preisrichter dieses lesen und über ihre aktivität nachdenken.
da ich seinen beitrag erst kürzlich gelesen habe, bin ich noch nicht imstande, mich darüber im einzelnen zu äußern.

Gerhard Josten schrieb:

"Schlussbemerkung :
Es ist das besondere Überraschungsmoment und die große Rätselhaftigkeit von Zügen im
Verlauf der Lösung, die mich an den Schachstudien fasziniert haben. Modernistische, künstliche
Elemente waren dagegen nie mein Element.
Der Beginn meiner Beschäftigung mit der Schachkomposition war geprägt von der Begeisterung
über die Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Kunstgeschehens auf dem Schachbrett mit seinen
differenzierten Figuren und festen Spielregeln, ohne dass ein Gegner am Brett ein kämpferisches
oder gar kriegerisches Zerstörungswerk in Gang setzen konnte.
#Hinzu kam erfreulicherweise, dass viele neue Schachfreundschaften über alle Ländergrenzen
hinweg zustande kamen. Im Laufe der Jahre jedoch ging die Begeisterung für die
Schachkomposition schrittweise verloren. Der tiefere Grund dafür liegt in der Tatsache, dass man
sich nicht nur über die Veröffentlichung eines solchen Kunstwerks in der Fachliteratur erfreuen
darf, sondern sich damit zugleich unfreiwillig einem Wettbewerb über den Rang einer
Komposition unterwerfen muss. Damit wird die Komposition einem ihr ganz fremden
Wettbewerb unterzogen.
Es hat sich dort nämlich eingebürgert, für diese Art von Kunst im Bereich der
Schachkomposition ausnahmslos einen Wettbewerb zu veranstalten und Preise zu vergeben - mit
allen Konsequenzen, die die Kunst gerade nicht auszeichnet: Es werden Auszeichnungen
vergeben und Rangfolgen hergestellt so wie beispielsweise die Fußballbundesliga einen deutschen
Meister ermittelt. Die Beiträge in diesem Buch legen nur unvollständig Zeugnis ab über dieses
Unwesen in der Kunst. Vergleichen wir einmal: Wer käme etwa im Bereich der schönen Künste
auf die verwegene und verrückte Idee, eine Rangfolge zwischen den Künstlern Michelangelo,
Rembrandt und Picasso herstellen zu wollen? Das Element des Kriegs hielt so erneut Einzug in
ein Kunstgeschehen auf dem Schachbrett, das gerade erst von diesem Element befreit worden
war.
Es bildeten sich so genannte Seilschaften, die wir im Krieg als Bündnisse bezeichnen, um Gegner
zu schwächen, sich einen Namen zu verschaffen, indem Gefälligkeiten verteilt wurden, um sie im
Gegenzug früher oder später selber zu erhalten.
Viele Preisrichter ernteten Schimpf und Schande. Neid, Stellungskriege, Drohungen oder
krampfhafte Widerlegungsversuche waren die Folgen, denen selbst ich gelegentlich verfiel. Auch
die Suche nach potenziellen Vorgängern von Kompositionsideen machte sich breit, um den Wert
von Studien zu relativieren. Egoismus und Selbstdarstellungswut in allen ihren
Erscheinungsformen machten sich in diesem eigentlich friedlichen Sektor breit. Beispielhaft sei
hier auf einen Beitrag dieses Buchs verwiesen, den ich als Co-Autor zur Festschrift Egbert
Meissenburg unter dem Titel "Schachkomposition und Kunst" verfasste und der mit einer
englischen Fassung in der Ausgabe 43/2008 in der Schachzeitschrift StrateGems erschien.
Wie albern oder hochnäsig sich Preisrichter gebären können, zeigt übrigens das Turnier in der
Rochade Europa unter der laufenden Nummer 30 dieses Buchs, wo vom Richter die Vergabe
eines ersten Preises offenbar nur deshalb verwehrt wurde, um sich selbst einen Namen zu
machen und sich damit klammheimlich über die Teilnehmer zu erhöhen.
Ehre, wem Ehre gebührt: Unter diesem Titel findet sich vorn im Buch ein Artikel, in dem ich ein
Stück von Alois Wotawa rehabilitierte, das nicht ganz fehlerfrei war und bei Preisrichtern und
Kontrahenten glatt in Ungnade gefallen wäre. Der Künstler Alois Wotawa zeichnete sich nicht
nur durch mehr als 350 wunderschöne Kompositionen aus, sondern er verzichtete auf die
Teilnahme an Wettbewerben. Mir lag es am Herzen, stellvertretend eines seiner Kunststücke von
einem Makel zu befreien. Im Buch "Schach zwischen Krieg und Kunst", das ich zusammen mit
Gerd Wilhelm Hörning verfasste, ging es ebenfalls um die Erhaltung oder Reparatur fehlerhafter
Studien und damit um ein friedliches Miteinander unter den Komponisten. Vielleicht war dieses
Buch aber auch getragen von nicht ausreichender eigener Schaffenskraft.
Es ist daher nun nach rund zehn Jahren aktiver Teilnahme an der Zeit, mich aus diesem
unwürdigen Spektakel eines Kriegs in der Kunst zu verabschieden und mich lieber anderen
Künsten wie der Malerei oder der Schriftstellerei zu widmen, die einen eher friedlichen Charakter
in sich tragen.
Vor den Anhang am Schluss dieses Buchs habe ich mit Absicht einen Artikel gesetzt, den ich
zusammen mit meinem Schachfreund Gerd Wilhelm Hörning verfasst habe. Gerd Wilhelm lernte
ich in unserem örtlichen Schachverein kennen. Er hat mit mir anschließend gemeinsam den Weg
in die Schachstudien aufgenommen und mich über alle Jahre meines kompositorischen Schaffens
gut brüderlich und freundschaftlich begleitet. Diese Zeilen sprechen ihm meinen ganz herzlichen
Dank dafür aus, auch wenn unser Aufruf am Ende erfolglos blieb. Die gemeinsame Studie unter
der letzten Nummer 326 steht dort abschließend zu Ehren meines Schachfreunds Gerd Wilhelm
Hörning.
Die Veröffentlichung und das Ergebnis meiner zuletzt eingereichten Studien durch Preisrichter
habe ich aus dem gewachsenen Desinteresse an der Schachkomposition hier nicht mehr im
Detail verfolgen wollen. Auch meine Tätigkeit als Rezensent für eine Schachzeitschrift, die mich
hundertfach belastet hat, gebe ich nun gerne auf.
Allerdings muss das neue Studienturnier anlässlich meines 75. Geburtstags am 3. Mai 2013 zu
Ende geführt werden, das bereits vor einiger Zeit gestartet wurde. Dann soll es aber endgültig gut
sein!
Gerhard Josten"

------
meine spontanen bemerkungen dazu:

...was den zwang zu den auszeichnungen betrifft, gibt es tatsächlich immer weniger möglichkeit diese auszuweichen, aber eine gibt es immer noch:
das schachaktiv hat im hinteren teil ein schachkompositionsabteil und da kann man schachstudien veröffentlichen, die nicht
ausgezeichnet werden.
aber im jahr über kommen nur wenige schachstudienkomponisten auf die idee, dort eine schachstudie zu veröffentlichen, ich denke eben
gerade aus dem grund, dass diese nicht von einem preisrichter ausgezeichnet werden.

vorteile für auszeichnungen sehe ich vorallem:

das feedback wie gut es angekommen ist, dann auch wie hoch man die eigene kunstleistung insgesamt - grob - einschätzen kann.

unabhängig aber davon ist wotawa (er war übrigens staatsanwalt) natürlich ein hervorragender österreichischer komponist gewesen... der offenbar auszeichnungen nicht brauchte
und keinen wert darauf legte.

weitere vorteile sehe ich in der motivation und auch in der möglichen verbesserung einer nicht ausgezeichneten studie aus einem formalen turnier.
ich bin immer wieder verblüfft darüber, wenn man noch wesentlich länger an einer studie arbeitet, diese tatsächlich oft noch besser machen kann!
und zu guter letzt ist eine schön komponierte studie, die ausgezeichnet wurde eine für jeden studienkomponist angenehme bestätigung und große freude.

ich persönlich finde an den auszeichnungen und den preisen nichts negatives.

gerhard josten wünsche ich alles gute für den weiteren weg - abseits der schachstudie.
ich würde mich freuen, wenn gerhard josten wieder zu den schachstudien zurück findet!

peter krug
Parent - By Gerson Berlinger Date 2012-12-29 18:47
In diesem Zusammenhang sei auf die häufig zu beobachtende Strategie hingewiesen, die Teilnahme an Turnieren vom Preisrichter abhängig zu machen und ausschließlich bzw. überwiegend Kompositionen einzureichen, die nach dessen Geschmack sind - natürlich nur aus einem Grund ... 
Muss denn unbedingt im Voraus bekanntgegeben werden, wer der/die Preisrichter ist/sind? Offenbar ja ... 
Parent - - By Olaf Jenkner Date 2012-12-29 19:44
Ich habe über Wikipedia die Homepage von Gerhard Josten
(www.schachquellen.de) angesteuert und dort nach dem
Text gesucht. Leider gibt es dort nur ein Sammelsurium von
verschiedenen Artikeln zum Schach und zu anderen Künsten.

Wie findet man das, was "Gerhard Josten zum Jahresausklang
auf seiner Homepage schreibt" ?
Parent - - By Peter Krug Date 2012-12-30 10:33
...diesen ausführlichen, aber traurigen Artikel fand ich auf Jostens homepage, wenn man seine schachstudien in pdf datei öffnet, ganz zum schluss.

Peter
Parent - - By Peter Krug Date 2012-12-30 11:24
Sergiy Didukh sagte übrigens in wenigen Worten, dass er hofft, dass Gerhard Josten ein
besserer Künstler in anderen Gebieten sein wird, als in der Schachkomposition.

gruß peter
Parent - - By Gerson Berlinger Date 2012-12-30 11:52
Vor etlichen Jahren nahm ich einige Male an Internationalen Deutschen Lösemeisterschaften teil. Abends treffen sich dann die Problemisten zum lockeren Plausch. So mancher nutzt(e) die Gelegenheit aber auch, sich mit dem Präsentieren eigener Kompositionen in Szene zu setzen (Klartext: anzugeben) oder gar über andere herzuziehen. Geringschätzig sagte solcher einer damals über einen anderen "Der kann doch nichts."
Parent - By Olaf Jenkner Date 2012-12-30 20:23
Genau das mache ich bei Problemistentreffen: Ich zeige anderen meine Aufgaben. Wenn ich eine für besonders gelungen halte, dann bin ich stolz darauf und zeige sie gern allen anderen, die was davon verstehen. Man kann das "angeben" nennen, was soll's?
Genauso freue ich mich über schöne Aufgaben, die mir bei solchen Treffen gezeigt werden. So ist das eben bei schrägen Hobbys, der eine ist stolz auf seine Briefmarken.
Wenn jemand jahrelang mittelmäßige Aufgaben veröffentlicht, dann ist es eben kein Meister seines Fachs. Im lockeren Gespräch unter Gleichgesinnten kann dann eine solche unpassende Bemerkung fallen, das würde ich nicht auf die Goldwaage legen.
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