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Up Topic Hauptforen / CSS-Forum / Capablanca, keine Schachmaschine
- - By Kurt Utzinger Date 2011-01-08 13:27
Liebe Schachfreunde
Neben dem Studium der Partien von ex WM Mihail Tal untersuche ich
so quasi zum Ausgleich dazu die Partien von ex WM José Capablanca.
Dabei wird man eines besseren belehrt in Bezug auf die Meinung, dass
der Kubaner eine "Schachmaschine" war. Auch Capa hat sehr schöne,
dynamisch veranlagte Partien gespielt. Hier ein kommentiertes
Beispiel in der Hoffnung, es finden sich interessierte Schächer,
die meine Kommentare verbessern mögen. Die m.E. kritischen Momente
sind in den folgenden Diagrammen festgehalten.
Mfg
Kurt

Dus-Chotimiriski-Capablanca
Stellung nach 11.Sa3 und bevor 11...c4!?


Dus-Chotimiriski-Capablanca
Stellung nach 12...Sc5! und bevor 13.De2?! (war nicht 13.Scxe5 besser?)


Dus-Chotimiriski-Capablanca
Stellung nach 25...Sf4 und bevor 26.Sg3?! (Diskussion: 26.Td2/26.b3/26.Lf2)


Dus-Chotimiriski-Capablanca
Stellung nach 27...g5 bevor 28.Sc1?! (Diskussion: 28.Lxf4)


Dus-Chotimiriski-Capablanca
Stellung nach 29...b3, bevor 30.Sxb3?! (Diskussion: 30.Dc3!?)


[Event "Moscow 1925"]
[Site "Moscow"]
[Date "1925.11.25"]
[Round "12"]
[White "Dus Chotimirski, F"]
[Black "Capablanca, Jose"]
[Result "0-1"]
[ECO "A48"]
[EventDate "1925.11.25"]
[Annotator "Utzinger,K"]

1.Nf3 Nf6 2.d4 g6 {Das Fianchetto, eine seltene Wahl des damaligen
Weltmeisters Capablanca, der damit offenbar ausgetretene Pfade vermeiden
und gewinnen will, denn nach 11 Runden hatte er erst 5,5 Punkte auf dem
Konto und musste sich sputen, wollte er in diesem Turnier nicht ein Fiasko
vermeiden (Utzinger,K).} 3.e3 Bg7 4.Bd3 O-O 5.O-O d6 6.e4 Nbd7 7.h3 c5 8.
c3 e5 9.dxe5 dxe5 10.a4 Qc7 11.Na3 {Scheinbar verfuegt Weiss ueber eine
feste Stellung. Kaeme er zu Sc4, koennte ihm vorerst nichts zustossen.
Aber Schwarz ist am Zug und findet ein dynamisches Mittel, die Wirksamkeit
seiner passiven Figuren schlagartig zu erhoehen (Suetin,A).} 11...c4 {!?
oder ?! das ist hier bei diesem Bauernopfer die grosse Frage;
interessanterweise entscheiden viele Computerprogramme sich zu diesem Zug,
auch wenn sie danach die weisse Stellung noch immer (klar) bevorzugen.}
12.Nxc4 Nc5 {Erst mit diesem allgemein gelobten Gambitzug verbleibt
Schwarz mit einem Minusbauern bei m.E. unklarer Kompensation. Natuerlich
hatte Capablanca wohl recht, denn der Normalzug 12...Sxe4 bringt dem
Weissen nach 13.Te1 Sec5 14.Lc2 b6 15.Sd6 eine formidable Stellung ein.}
13.Qe2 {Zu diesem Damenzug habe ich nirgends Kritik gehoert, dafuer aber
das m.E. nicht genuegende fundierte Argument, dass die Alternative
13.Scxe5 schlecht sei wegen 13...Sh5.} 13...Nxd3 14.Qxd3 Rd8 15.Qe2 Be6
16.Na3 h6 {Dazu meint A.Suetin "Noch ein ausgezeichneter, fuer Capablanca
typischer Zug. Schwarz uebereilt nichts und vertraut seiner dauerhaften
Initiative. Allerdings vermag Weiss die Atempause kaum zu nutzen. Nach
beispielsweise 17.Le3 Sxe4 18.Sb5 Dc4! ist an der schwarzen Ueberlegenheit
nicht zu ruetteln."} 17.Re1 a6 18.Qc2 Bd7 19.Be3 Bc6 20.Nd2 b5 {Leitet
einen ungewoehnlichen Minderheitsangriff ein, durch den die weissen
Befestigungen am Damenfluegel niedergerissen werden (Suetin,A).} 21.axb5
axb5 22.f3 Nh5 23.Rad1 Bf8 24.Nab1 Bd7 25.Nf1 Nf4 26.Ng3 {Weiss haette
hier 26.b3 oder 26.Td2 spielen muessen, wonach Schwarz jedenfalls noch um
das Remis kaempfen musste (Prins,L). Diese Aussage bestreite ich, denn die
schwarzen Figuren stehen nach wie vor bedeutend aktiver und selbst die
Verdoppelung der Tuerme auf der d-Linie bringt nichts, weil es da kein
Eindringen gibt. Wer mit den Computern hin- und her analysiert, wird bald
merken, dass es einzig Weiss ist, der nach wie vor mit Problemen zu
kaempfen hat. Schwarz hat Druck am Damenfluegel, kann aber noetigenfalls
auch die Initiative am Koenigsfluegel ergreifen. Das grosse Manko der
weissen Stellung liegt in der unguenstigen Aufstellung seiner Figuren und
der Unmoeglichkeit, an diesem statischen Negativzustand etwas zu aendern;
nicht zu verkennen ist ebenfalls, dass Schwarz in seinem Laueferpaar ein
machtvolles Instrument besitzt. Auch der schwarze Springer auf f4
demonstriert seine Kraft, und wenn diese Figur beseitigt wird durch Lxf4,
bleibt Weiss mit lahm in der Gegend herum stehenden Springern zurueck.
Falls es in dieser Stellung eine Verbesserung gibt, dann kommt m.E. nur
noch die Option mit 26.Lf2 in Frage, was Sf1-e3 vorbereitet. Auf e3 wuerde
der weisse Springer wesentlich wirkungsvoller stehen als auf g3
(Utzinger,K).} 26...b4 {Die Pointe ist naemlich, dass jetzt Weiss die Dame
nach 27.c4 b3 28.Dxb3 Tdb8 nicht nach d3 ausweichen kann und Weiss also
die Qualitaet verlieren muesste. Mit dem Textzug wird der c-Bauer also zur
bleibenden Zielscheibe (Prins,L). Eine korrekte Bemerkung mit dem Einwand,
dass Weiss nicht gezwungen ist 28.Dxb3 zu spielen, sondern vernuenftiger
28.Dc3 waehlen sollte (Utzinger,K).} 27.Ne2 g5 28.Nc1 {Hat hier
Bogoljubow,E den richtigen Richer gehabt, wenn er der Meinung war, dass
die Abwicklung 28.Sxf4 gxf4 29.Lf2 den Vorzug verdiente. Auch danach
haette Schwarz genuegend Gegenspiel fuer den Ausgleich, aber durch die
Tatsache, dass Weiss seinen Laeufer behalten kann, wird es Schwarz nicht
moeglich sein, die weisse Stellung gewinnbringend unter Druck zu setzen
(Utzinger,K).} 28...Rdc8 {Droht einfach bxc3 nebst Lb4 oder La4 (Prins,L).
} 29.c4 {Ein brauchbare Alternative ist nicht ersichtlich; nach
beispielsweise 29.Df2 ist 29... Lxh3! moglich (Utzinger,K).} 29...b3 30.
Nxb3 {? Dieser Zug ist nicht kritisiert worden, ist aber m.E. der
grundsaetzliche Fehler, wonach es Weiss sehr schwierig hat. Weshalb sollte
sich Weiss freiwillig in eine Fesslung begeben? Ein beachtenswerter
Versuch war 30.Dc3 Le6 31.Sd2 Tab8 was nach 32.Sd3 Sxd3 33.Dxd3 Lxc4
34.Sxc4 Dxc4 zum Ausgleich gefuehrt haette (Utzinger,K).} 30...Ba4 31.N1d2
{? Fuehrt sofort zur Krise. Doch nach 31.Lxf4 gxf4 32.Td3 Db6 33.Kh1 Tab8
34.S1d2 Df2 35.Tf1 De2 waeren die schwarzen Streitkraefte ebenfalls Herr
der Lage (A.Suetin). Eine seltsame Variante, wo Weiss mit 36.Te1 Df2
37.Tf1 auf Zugwiederholung spielen kann. Der Kommentator uebersieht in
dieser Variante das bessere 32...Dxc4 (Utzinger,K). Aber auch L. Prins
liegt daneben, wenn er behauptet, dass Weiss nach 31.Lxf4 gxf4 32.Td3 Dxc4
33.Dxc4 Txc4 34.S1d2 Tc2 einfach haette 35.Tb2 ziehen muessen, wonach er
die Partie gewiss nicht haette verlieren muessen. Denn nach 35...Lb4 steht
Weiss noch immer grottenschlecht und muss bald Material verlieren
(Utzinger,K).} 31...Bb4 {Mit der fast unparierbaren Drohung Lxd2 nebst
Tab8 und eventuell Db7 (Prins,L).} 32.g3 Ne6 33.Qd3 Rd8 34.Qe2 Rab8 {Nun
hat Schwarz eine gewonnene Stellung (Utzinger,K).} 35.Rf1 Bxd2 36.Nxd2
Bxd1 37.Qxd1 Rxb2 38.Qc1 Ra2 39.Rf2 Rd3 40.Nf1 Raa3 41.f4 Rac3 42.Qe1 exf4
43.gxf4 Nxf4 44.Bxf4 gxf4 45.Qe2 f3 46.Qa2 Rc1 47.Rxf3 Rxf3 48.Qg2+ Rg3
0-1
Parent - By Ludwig Bürgin Date 2011-01-08 15:50
Hallo Kurt

Keineswegs verbessern.
Da selbst zu wenig ELOs halte ich mich an Rybka.

29...b3 30.Dc3 Le6 31.Sd2 Tab8 32.Sd3 Sxd3 33.Dxd3 Lxc4 34.Sxc4
  =  (-0.08)   Tiefe: 20   00:01:49  37040kN

30.Sxb3
30...La4 31.Lxf4 gxf4 32.Td3 Dxc4 33.Dxc4 Txc4
  =/+  (-0.63)   Tiefe: 20   00:01:17  33873kN

35...Lxd2 36.Txd2 Txb3 37.Txd8+ Dxd8 38.Kg2
  -+  (-2.47)   Tiefe: 21   00:02:50  83546kN, tb=5

wie man sehen kann, hat Weiss das Spiel in diesen paar Zügen verloren.

Gruß Ludwig
Parent - By Josef Wirth Date 2011-01-09 09:20
Hallo Kurt!

Danke für die schön kommentierte Partie! Als "Niedrig-ELOer" profitiere ich immer (er)klärenden Texten. so macht Schach für mich Spass.

Schöne Grüße aus der Steiermark

Josef
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