Und es ist immer wieder schön zu sehen, dass es
die Menschen sind, die die eigentlichen kognitiven
Leistungen am Schachbrett vollbringen.
Wie man in dem auch in diesem Thread erwähnten
Gelfand-Interview nachlesen kann, sieht er die
folgende Stellung und seine daraus gewonnene
Erkenntnis als den für sich selbst schönsten
Augenblick des ganzen Turniers an:
Gelfand brauchte in der 12. Partie 40 Minuten, um
hier den einzigen Zug zu finden, der Remis hält:
10... c4 !
Sogar Kramnik als Exweltmester konnte diesen Zug
im Live-Kommentar auf Anhieb nicht richtig einordnen,
aber Houdini wird diesen Zug doch bestimmt finden?
Gebt der Engine ruhig 40 Minuten Rechenzeit.
Warum gibt denn nun Gelfand seinen netten Mehr-
bauern auf der Stelle zurück? Eine berechtigte
Frage, aber schauen wir mal, was passiert, wenn
Schwarz es erlaubt, dass Weiß seine beiden
Doppelbauern ungehindert angreifen darf:
1. e4 c5 2. Nf3 Nc6 3. Bb5 e6 4. Bxc6 bxc6 5. d3 Ne7 6. b3
d6 7. e5 Ng6 8. h4 Nxe5 9. Nxe5 dxe5 10. Nd2 Be7 11. Bb2 O-O
12. Nc4 f6 13. Qg4 Qd7 14. O-O-O Bd8 15. Kb1 a5 16. a4 Qd5
17. Qh3 Ba6 18. g4 Ra7 19. g5 Rb7 20. Rhe1 Bc7 21. gxf6 Rxf6
22. Bxe5 Rxf2 23. Bxc7 Rxc7 24. Re5 Qd7 25. Qg3 Rf6 26. Qe1
Bxc4 27. dxc4 Qe7 28. Qxa5
mit Gewinnstellung für Weiß.
Die lange Rochade wird hier auch nicht von allen
Engines gefunden (immerhin wollte Stockfish diese
hier spielen), ist aber für den weißen Aufbau
entscheidend.
Ich glaube, diese Variante macht auch klar, warum
die schwarzen Doppelbauern praktisch schon die
schwarze Niederlage besiegeln, wenn man sie als
Schwarzer (!) nicht sofort auflöst, denn sie
bieten nicht nur Angriffsziele, sondern behindern
auch die eigenen Läufer am Einsatz und verhindern
so, dass Schwarz überhaupt zu einem sinnvollen
Spiel kommt.
Engines von heute, die, wie seit je her, einfach
Varianten ausprobieren und am Ende schauen, was
ist gut oder schlecht, verlieren sich einfach zu
oft im Detail.
Daher stammen viele deren derzeitigen Schwächen,
die auch nicht einfach auszuräumen sind, sonst
wäre das ja schon in den Programmen implementiert.
Fazit: Engines von heute sind stark, aber noch
weit davon entfernt, perfekt zu sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas